Die Kritik
: Die Macht des Unisports

WAS SAGT UNS DAS? Nach laxem Umgang mit Rassimusvorwürfen tritt der Präsident der Universität von Missouri zurück – aber erst nachdem das Uni-Football-Team droht, nicht anzutreten

Es war im September, als Payton Head über den Campus der University of Missouri lief und von Kommilitonen aus einem vorbeifahrenden Pick-up heraus als „Nigger“ beschimpft wurde. „Ich frage mich, warum meine bloße Existenz eine solche Bedrohung für die Gesellschaft zu sein scheint“, fragte sich der Präsident der Studierendenvertretung daraufhin auf seiner Facebook-Seite. Es seien, so schrieb er, nicht die ersten rassistischen Übergriffe, die er an der Universität im Süden der USA hatte erdulden müssen.

Was folgt, ist eine klassische Protestgeschichte. Sie handelt von Wut und Ignoranz und findet ein Ende, wie es wohl nur in den USA zu erleben ist.

Payton Heads Facebook-Post verbreitet sich, immer mehr Studenten fordern eine Reaktion der Universität. Ein paar Tage später schreibt Kanzler R. Bowen Loftin in einem State­ment: „Mizzou wird Hass nicht tolerieren.“ Warme Worte, die den StudentInnen nicht reichen. Die Proteste und Forderungen, etwas gegen den Alltagsrassismus zu unternehmen, dauern an. Die Gruppe „Concerned Student 1950“ gründet sich.

Rektor Tim Wolfe trifft sich mit den Aktivisten, findet ihre Forderungen nach seinem Rücktritt jedoch unangemessen. Hass und Rassismus sind natürlich nicht zu tolerieren, aber darüber gleich die eigene Karriere wegwerfen? Nicht doch.

Es ist ein unangenehm familiärer Mechanismus: Alltäglicher Rassismus wird öffentlich gemacht, doch wenig passiert.

An der Uni in Missouri geht die Geschichte anders aus – weil Football-Spieler den Protest unterstützen. College-Football wird in Amerika geradezu religiös verehrt, die Spieler sind Helden, Prominente, Mächtige. Eine Gruppe schwarzer Spieler kündigt an, nicht aufzulaufen, solange Wolfe nicht zurücktritt. Zwei Tage später haben sie ihren Erfolg, Wolfe tritt zurück. Er beugt sich nach Wochen des Protests nicht etwa Argumenten oder der Einsicht, dass die Universität eine Veränderung braucht. Er beugt sich der Macht des Sports. The show must go on.

Rieke Havertz