Solide, seriös, sicher – SWSG

Die Stuttgarter Wohnungsbaugesellschaft SWSG steht seit Monaten wegen drastischer Mieterhöhungen in der Kritik. Versuch einer Annäherung an ein städtisches Unternehmen, das sozial sein soll und beharrlich schweigt

von Anna Hunger (Text) und Joachim E. Röttgers (Fotos)

Das ist eine Geschichte darüber, wie schwer es manchmal ist, eine Geschichte zu schreiben, weil sich kaum einer hinterm Ofen hervortraut. Die hier handelt von der SWSG, der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft.

Bei meiner Recherche treffe ich eine Menge interessanter Leute. Da ist zum Beispiel Frau Obermayer (die sich nicht beim richtigen Namen nennen lassen möchte). Sie ist so was wie der Fels in der Brandung, der Stachel im Hintern der SWSG. Ihre Wohnung ist gepflastert mit Schreiben von der und an die SWSG. Klageschriften, Mahnbescheide, Rückantworten, insgesamt kiloweise Gift und Galle. Sie lebt seit den Siebzigern in einer SWSG-Wohnung in Stuttgart-Zuffenhausen, die demnächst abgerissen werden soll, und sie zahlt seit langer Zeit eine Mieterhöhung nicht, die angeordnet wurde, als die Mauer noch stand – damals rund 50 Mark – heute 24 Euro. Sie findet, für diese Bruchbude könne man eigentlich überhaupt kein Geld verlangen, schon gar nicht mehr, als sie mal mietvertragsmäßig unterschrieben hat.

Frau Obermayer hat sich fest vorgenommen, ihre Wohnung nicht und niemals mehr zu verlassen. Auch nicht, wenn sie das restliche Haus um sie herum abreißen – sie bleibt, grade aus Rache, die Vorstellung, auf drei Stockwerken Restbestand mitten in einem Bauloch zu thronen, amüsiert sie köstlich. In der Wohnung drunter lebt übrigens Frau Winter (Name auch geändert), die schon so alt ist, dass sie kaum noch zur Tür laufen kann, die Beine dick, die Brille auch, eine gut gelaunte alte Dame, die eigentlich auch nicht ausziehen will. Die SWSG hat ihr eine Ersatzwohnung angeboten. Zwanzig Minuten zu Fuß in die Stadt, Berg runter, heimwärts wieder hoch. „Weiß nicht, was die sich so vorstellen, aber das schaff ich nicht mit meinem Rollator“, sagt sie. Zwischenzeitlich hat sie sich auch in einem Seniorenwohnheim um einen Platz beworben, aber da sagte man ihr, sie müsse noch zwölf Tode abwarten, dann vielleicht.

Niemand möchte seinen Namen öffentlich machen

Die SWSG behauptet, sie werde für alle bedürftigen Mieter neue Wohnungen finden. Rolf Gaßmann vom Mieterverein Stuttgart sagt, davon gibt's eh viel zu wenige in dieser Stadt, in der selbst gut betuchte Wohnungssuchende für 60 Quadratmeter ein Bewerbungsverfahren durchlaufen wie für einen Präsidentschaftsposten. Zudem sei diese Umquartiererei häufig ein Kreiseln von einer Wohnung, die saniert wird, in eine andere, die dann auch irgendwann saniert wird, und so weiter und so weiter.

Ich habe viele Telefonate geführt, Menschen besucht und befragt, die mit der SWSG zu tun haben, und alle sagen dasselbe: die SWSG – ein Saftladen; mit der SWSG zusammenarbeiten – ein Drama. Das Problem: Keiner von ihnen hat so viel Rückgrat, seinen Namen öffentlich zu machen. Nicht mal die Namen der Bauprojekte, weil die ja auf konkrete Firmen verweisen würden und sie alle vielleicht noch mal was mit der Städtebaugesellschaft zu tun haben möchten. Verschärfend, sagte mir einer, wenn man in Stuttgart überhaupt was bauen will, sollte man es sich weder mit dem Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD) noch mit dem Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) verscherzen. Und die sind immerhin erster und zweiter Aufsichtsratsvorsitzender der SWSG.

Ich treffe – subsumieren wir sie alle unter dem Begriff Architekten – selbst Innen-, Außen-, Hoch- und Tiefbau- könnte zur möglichen Identifizierung führen –, die mir erzählen, dass vertraglich festgeschriebene Honorare bei der SWSG, salopp gesagt, sowieso immer unverbindlich seien. Gehen wir davon aus, irgendwas, zum Beispiel eine Planung, kostet 100.000 Euro, werden davon vielleicht 70.000 gezahlt, der Rest wegdiskutiert, weil die Baugesellschaft irgendwas findet, was nicht ordnungsgemäß ausgeführt sein soll. Ich lese, dass das normal sei im Baugeschäft. Eine Dame der Architektenkammer erzählt mir sogar, es habe sich schon beinahe zu einem Sport unter Bauträgern entwickelt, beispielsweise letzte Abschlagszahlungen unter den Teppich zu kehren. Ein Jurist der Anwaltskammer sagt, mit solcherlei Pauschalisierungen müsse man aufpassen und so einfach sei es halt nicht. Es geht um Honorarklassen, Vertragsrecht, schwarze Löcher in massenhaft komplizierten Verfahren und arg graue Grauzonen. Stimmt. Was aber hinten rauskommt, ist trotzdem: Einer stellt eine Rechnung, der andere zahlt nur einen Bruchteil.

Ich lese, dass Umplanungs- und Nachtragsarbeiten die höchste Klagerate überhaupt im Architektengeschäft haben, weil zusätzliche Leistungen und Nachträge – wie der Name schon sagt – nachträglich verlangt werden. Per Liste mit akribisch aufgelisteten Arbeitsleistungen. Die kann man anfechten. Tun auch alle, die einen fechten dafür, die anderen dagegen. Die Strategie der Großen: aussitzen. Denn wer kein Geld hat, kann auch nicht lange klagen, erstens. Aber wer kein Geld hat, kann zweitens auch keine Mitarbeiter bezahlen, was dazu führt, dass vor allem kleine Büros und Betriebe sich dann doch zähneknirschend mit geringeren Beträgen arrangieren. Im schlimmsten Falle versanden dabei Zehntausende Euro, Hunderte von Arbeitsstunden, Hunderte von Anfahrten, und so weiter.

Aber offenbar ist das auch normal, sagt mir ein Spezialist. Offenbar auch bei der SWSG, dem städtischen Unternehmen, der hundertprozentigen Tochtergesellschaft der Stadt Stuttgart, in deren Aufsichtsrat der halbe Gemeinderat sitzt, der andernfalls und zu jeder Gelegenheit das Handwerk so hoch hält und seinen Mittelstand. „Garant für Solidität, Seriosität und Sicherheit“, steht auf der Homepage der SWSG – na ja, und im Code of Conduct, den Leitlinien zur sozialverträglichen Zusammenarbeit mit der Landeshauptstadt, wird betont, dass Tochterbetriebe der Stadt Stuttgart grundsätzlich dafür Sorge zu tragen haben, zum Wohle des Bürgers und der im Land angesiedelten Unternehmen zu wirtschaften.

Dazu schreibt die SWSG: „Grundsätzlich begleichen wir Rechnungen, Abschlagszahlungen und Nachträge, wenn diese fällig sind, d. h. wenn die erbrachte Leistung der vereinbarten entspricht und das Zahlungsziel erreicht ist … Bei Leistungen, die nicht in diesem Rahmen bezahlt werden können, liegen in der Regel Störungen oder Mängel vor, die nicht durch uns zu vertreten sind.“

Für die SWSG scheint dank juristischer Grauzonen ziemlich viel umsonst gearbeitet zu werden. Entwürfe gemacht, da noch ein Müllhäuschen, dort noch ein Zaun oder mal was malern innen, geht doch, ist doch schnell gemacht. Und alle machen, weil alle wieder Aufträge haben wollen und, erzählt einer, weil die SWSG findet, na, wenn du's zu dem Preis machst, gibt's im kommenden Jahr sicher ein neues Bauprojekt, und wenn ihr brav stillhaltet, dann haben wir da wieder was für euch … Das sei ein bisschen so, als hänge man einem Esel eine Karotte vor die Nase, sagt ein anderer. Der Esel rennt halt hinterher.

Die SWSG schreibt: „Planänderungen können immer wieder entstehen. Sei es aufgrund von unvorhergesehenen Umständen oder bedingt durch neue Erkenntnisse beim Auftraggeber oder Auftragnehmer. In jedem Fall aber geht die SWSG nach Recht und Gesetz vor.“ Und: „Wir weisen entschieden zurück, dass wir unseren Auftragnehmern drohen.“

Das Know-how? Verschwunden

Einer erzählt mir, er habe mit einer SWSG-Mitarbeiterin zu tun gehabt, die eigentlich überhaupt nichts vom Bauen und seinen Abläufen verstand, nicht mal von Buchhaltung. Der habe er erst mal einen Einführungskurs (unbezahlt) gegeben, bevor da überhaupt eine Zusammenarbeit stattfinden konnte. Die SWSG schreibt: „Die Mitarbeiter der SWSG sind sehr kompetent in jeglichen Belangen. Die SWSG ist stolz auf die Leistungen ihrer Mitarbeiter.“ Ich höre, selbige würden sich nur noch per Mail unterhalten, wenn überhaupt. Das Know-how? Verschwunden. Kommunikationsschwierigkeiten. Es herrscht generelle Unzufriedenheit in diesem Unternehmen. Sagt man.

Ich spreche mit einem ehemaligen SWSG-Hausmeister, der zwar sagt, es gebe einige, die fühlen wie er, der aber sonst nichts sagt, weil er die „ganze Sache am liebsten vergessen“ möchte, er habe pünktlich zum Antritt seines Ruhestands alles „verdrängt“, was mit der SWSG zusammenhänge.

Hausmeister, die direkt bei der SWSG angestellt sind, gibt es eigentlich keine mehr, sagen die Mieter. Die bestehen heute aus Notrufnummern ins Irgendwo, von woher irgendeiner kommt und irgendwas macht, was die SWSG nicht überprüfe. Das sei in Heslach, in der Bottroper Straße zum Beispiel so. Da wurde auch gerade gebaut. Offenbar mit Subsubsubunternehmern, die ihren Müll nicht wegräumten, Fliesen stockwerkweise schief verlegten und ihre Asbestabfälle auf der Straße zwischenlagerten, bis sich so viel Müll drauf und drum herum stapelte, dass die Säcke Löcher bekamen. Sei alles sachgerecht entsorgt worden, sagte die SWSG. Vom untersuchenden Amt gibt es bis heute keine Antwort.

Ich treffe einen ehemaligen Mitarbeiter der SWSG. Der sagt, das Know-how sei in den letzten Jahren aus den SWSG-Büros verschwunden. Die Architekten, die sich da beschweren, seien Jammerlappen, alle mordsverwöhnt, weil es früher halt immer so reibungslos geklappt hat mit der Zahlung und weil die SWSG damals noch anstandslos und unvergleichbar gut gezahlt hat. Die wurde richtig gemolken, sagt der Mann. Aber seitdem die neue Geschäftsführung, Wilfried Wendel und Helmuth Caesar, den Laden übernommen habe, sei halt Wettbewerb angesagt, Trendwende in SWSG-Land sozusagen. Die SWSG schreibt: „Im Interesse von günstigen Mieten und bezahlbaren Nebenkosten, die durch unsere Mieter bezahlt werden müssen, ist die SWSG verpflichtet, wirtschaftlich einzukaufen.“

Ausgerechnet die FDP als soziales Gewissen?

Ich treffe Mieter, die finden, eine Preissteigerung von 60 Prozent nach Sanierung, und das von einem sozialen und kommunalen Wohnungsbauunternehmen, sei der Hammer – in Bad Cannstatt, in der Böheimsiedlung, in Heslach, im Hallschlag. Beschlossen wurde das Ganze in einer Sitzung des Wirtschaftsausschusses, in der alle Fraktionen die Erhöhung für gut befanden, bis auf SÖS/Die Linke. Auch SWSG-Aufsichtsratsmitglied und Stadtrat Bernd Klingler war dagegen: „Wie kann es sein, dass die FDP hier das soziale Gewissen vertreten muss? Ausgerechnet die FDP?“ Später ging auch die SPD auf die Barrikaden. Mittlerweile gab es noch eine Mieterhöhungswelle. Das Vorwort „sozial“ sei Etikettenschwindel, sagt der Mieterverein Heslach.

Ich lese, dass viele Projekte der SWSG in der Stadt umstritten ist. Am Roten Stich – Verschattung der bestehenden Häuser und Frischluftschneise verbaut, Bürgerinitiative. Doch so schnell keine Stadtvillen an der Maybachstraße. Da kommt ein S-21-Tunnel drunter durch, Bausperre, ist wohl untergegangen, die Information. Im Wolfbusch am Uhuweg 5–15 und Beim Schnatzgraben 34–38, Bürgerinitiative gegen zu viel Verschattung und gegen eine Tiefgaragenausfahrt dort, wo sonst Kinder spielen. Immerhin hier hatte die Baugesellschaft ein Einsehen und wird die Häuser nach langer Verhandlung und Mediation durch einen Stadtrat niedriger bauen (Sonne) und die Tiefgarageneinfahrt mit der -ausfahrt tauschen (Kinder). Man hoffe, dass das auch so umgesetzt werde wie versprochen, sagt eine Mieterin.

Im Neubaugebiet Hohlgrabenäcker in Zuffenhausen baut die SWSG ein 60 Meter langes Gebäude mit 24 Sozialwohnungen, was zwar scheußlich, aber nicht so schlimm wäre, wenn der versprochene Supermarkt darin Platz fände, damit all die neuen und alten Mieter endlich nicht mehr so weit zum Einkaufen fahren müssen, sondern umweltverträglich grün laufen können. Der ist aber mittlerweile auf einen besseren Kiosk geschrumpft, der, das vermuten die Anwohner, letztlich wohl doch mit einer Anwaltskanzlei oder Arztpraxis besetzt wird, weil das Stadtbauamt offenbar keinen Supermarktbetreiber gefunden habe. Frechheit, finden die Altmieter des Viertels. Das Ende vom Lied: zwei Familien klagen, die restlichen Altmieter prüfen gerade, ob eine Sammelklage möglich ist.

Ich lese, dass die SWSG offenbar schon mal vergisst, ihre Bezirksbeiräte über Bauvorhaben zu informieren. In Weilimdorf zum Beispiel. Helmuth Caesar, Technischer Geschäftsführer der SWSG, bedauert das in der Zeitung: „Da haben wir überhaupt nicht geschaltet, dass man das vorher hätte abstimmen sollen.“

Die SWSG schreibt: „Wir sind uns sicher, dass wir konkrete Vorwürfe immer entkräften können.“ Und: Sie äußere sich nur zu konkreten Fragen, die Namen der Informanten und Bauprojekte beinhalten. Einen Gesprächstermin bekomme ich nicht. Auch nicht nach mehrmaligem Anfragen.