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Boulevard der Besten
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Foto: taz

Enrico Ippolito

Einige Kollegen sagen freimütig, sie hätten Angst vor ihm gehabt. Vor diesem jungen Mann mit Bart, Jutebeutel und den „komischen“ Klamotten. Und auch Enrico Ippolito hatte Angst, als er 2011 sein taz-Volontariat begann. Angst, in den ersten Monaten gefeuert zu werden. Diese Unsicherheit hat sich mittlerweile gelegt.

Sein Weg zum Journalismus verlief nicht gradlinig, glücklicherweise. Sechs Jahre arbeitete er in Köln als Krankenpfleger. Das hat ihn abgehärtet, ihn gelehrt, mit anstrengenden Menschen umzugehen.

Als Journalist begann er beim Stadtmagazin Prinz, kam 2009 als Praktikant zur taz. Von Beginn an interessierten ihn die taz-untypischen Themen: Pornos, Promis, Analmassagen ... und immer wieder Mode. Die brachte er nicht nur am eigenen Körper in die Redaktion, sondern auch als gesellschaftliches Thema ins Blatt. Und noch häufiger: Homosexuelles. Nein, sorry: Queeres. Bis zuletzt als Teil des Kolumnen-Duos „Schwul & Schwuler“. Nach dem Volo war der 32-Jährige bei taz.de, taz.am wochenende und bei taz2, wo er 2014 Ressortleiter wurde. Dass sich taz2 selbstbewusst „Bravo-Ressort“ nennt, ist auch sein Verdienst.

Wer glaubt, Ippolito kann nur Fashion, Sex und Gedöns, unterschätzt ihn. Denn er ist ein sehr politischer Mensch. An allen vermeintlich soften Themen interessierten ihn das politisch Relevante. Er liest wie besessen – auch Medien, von denen viele noch nie gehört haben. Wenn andere früh gegen den Wecker kämpfen, hat er schon fünf Themenideen per E-Mail geschickt. Wenn jemand Herzblut in die Arbeit steckt, sich auch über sein Ressort hinaus für guten Journalismus einsetzt – und das in Konferenzen mit beinahe überschwänglichem Eifer kundtut, dann sagen wir gern: Er brennt. Ippolito brannte immer. Mal leise, meist laut. Mal ernst, meist humorvoll. Und immer mit eigener, starker Haltung.

Erst kürzlich, nachdem er den langjährigen Partner von Michel Foucault interviewt hatte, sagte er beseelt, mehr könne er nicht erreichen. Stimmt nicht, da geht noch was, nur leider nicht in der taz. Er verlässt diese Zeitung. Wir wissen, im neuen Job wird es ihm gutgehen. Wir werden Enrico vermissen, manche auch als sehr guten Freund.

Dass sich taz2 selbstbewusst „ ‚Bravo‘-Ressort“ nennt, ist auch sein Verdienst

Paul Wrusch