Spuren Wie arbeiten US-Polizisten ein Jahr nach den Unruhen von Ferguson? Auf Nachtstreife in Los Angeles
: Male, Hispanic, Cop

„Ich diene den Leuten in L. A., das ist mein Job“, sagt Sergeant Gus Gutierrez

Von Johannes Gernert (Text und Fotos)

Ein bewaffneter Mann, 42 Jah­re alt, Hispanic, macht sich auf den Weg in die Nacht von Los Angeles. Kennzeichen: blaue Hose, blaues Hemd, am Ärmel drei silberne Streifen. Er fährt einen Ford Explorer mit getönten Scheiben. Der Mann gilt nicht als gefährlich. Er ist Polizist.

Gegen Mitternacht wird er in einer Seitengasse auf zwei junge Männer treffen, Hispanics, Alter zunächst unbekannt.

8:21 pm. Gus Gutierrez lässt seinen Ford langsam aus der Garage des Polizeireviers rollen. Gerade saß er noch mit den Kollegen der Nachtschicht im Mannschaftsraum. Die East Coast Cribs haben heute eine Beerdigung. Könnte Ärger geben, wenn andere Gangs auf die Idee kommen, eine Racheaktion zu starten. Eine Beerdigung, ein Moment der Schwäche. Gutierrez biegt auf die Straße vor dem Revier ein. Newton Division, Los Angeles. Einer von 21 Polizeiabschnitten des drittgrößten Police Department der USA. NYPD in New York, CPD in Chicago. Und dann: LAPD. Los Angeles Police Department.

Man kennt es aus Filmen, aus Fernsehserien. Man kennt es wegen des Taxifahrers Rodney King, den Polizisten des LAPD im Jahr 1991 fast totschlugen.

Gutierrez kann die Polizeistation noch im Rückspiegel sehen, er hat kaum seine ID-Nummer eingetippt und dem Bordcomputer gemeldet, dass er seine Schicht jetzt beginnt, da rufen sie ihn schon. Polizisten auf Streife verlangen nach einem Vorgesetzten, nach einem Sergeant, wie er einer ist. Martin Luther King, Central. „Das ist direkt um die Ecke“, murmelt Gutierrez, setzt den Blinker und biegt in eine Seitenstraße, in der einige Streifenwagen warten.

Sie hätten das Auto eines Terroristen entdeckt, nach dem das FBI fahndet, informiert einer der Beamten. Ein Toyota Prius. „Wir brauchen noch eine Einheit“, sagt Gutierrez.

Mit zwei Kollegen schaut er durch einen Zaun auf das Grundstück, auf dem der Prius, ein Wohnwagen und ein Mercedes stehen.

Eine milde Sommernacht. Das tiefe Blau des Himmels färbt sich immer dunkler. Im Moscheeverein auf der anderen Straßenseite feiern sie. Ein älterer Mann mit Vollbart und Mütze kommt herüber.

Was denn los sei? Wie lange wollen Sie denn noch die Einfahrt zuparken?

„Haben Sie einen Schlüssel zu dem Grundstück?“, fragt einer der Polizisten. Der Mann geht ihn holen.

„Lass uns die Jungs vom FBI anrufen“, sagt Gutierrez, „wir haben das Auto.“ Die neue Einheit parkt hinter den anderen.

8:35 pm. Sechs Polizeiautos stehen auf dem East Martin Luther King Jr. Boulevard. Zehn Polizisten warten, was nun zu tun ist. Das Auto aufbrechen? Die Detectives sollen das entscheiden. Gutierrez hat sie anrufen lassen. Er läuft um den Zaun herum. Autos schlängeln sich an den parkenden Polizeiwagen vorbei. Der Muslim mit der Mütze bringt den Schlüssel.

Die Polizisten stürmen das Gelände, leise und zügig, sie bringen sich in Stellung, angewinkelte Ellbogen, Pistolen in der Hand. „Machen Sie jetzt den Wohnwagen auf. Polizei.“

Niemand da. Der Typ muss woanders sein. Soll sich das FBI kümmern. „Wann kriege ich meinen Schlüssel wieder?“, fragt der Mann vom Moscheeverein.

9:01 pm. Die Situation ist bereinigt.

„Für manche Kollegen mag so was eine größere Sache sein“, sagt Gutierrez. „Für mich nicht.“

Er ist ein großer, breiter Mann, auf dessen Gesicht eine Spur von Melancholie liegt, weil die Züge seines vollen Gesichts leicht nach unten deuten. Die Augenbrauen, die Mundwinkel. Über den Bordcomputer meldet er, dass der Fall fürs Erste erledigt ist. Auto durchsucht. FBI verständigt.

Gutierrez parkt vor einer Subway-Filiale und holt seinen Geldbeutel aus dem Kofferraum. Er hat noch nichts gegessen. Die Nachtschicht wird zwölf Stunden dauern.

Gus Gutierrez, der verheiratet ist, zwei kleine Kinder hat und sich bei Subway den Teig aus dem Brot holen lässt, weil zu viel Brot nicht gut ist, ist noch nicht lange Sergeant, erst seit ein paar Monaten. Als Sergeant fährt man allein, nicht zu zweit wie all die anderen, gleichzeitig muss man den Computer bedienen. Er gewöhnt sich langsam daran, lenkt, tippt, bremst, tippt, gibt Gas. Über den Funk dringt der Ärger der Straße in seinen Wagen, die Notrufe. Von den Verteilern im Telefonzentrum geordnet nach Verdacht, nach Geschlecht, nach Hautfarbe.

Verdächtiger, männlich, schwarz.

Verdächtiger, männlich, Hispanic.

Verdächtiger, männlich, weiß.

Von seinem Ford aus hält er nach ihnen Ausschau. Er muss sich die wichtigsten Details aus den Funksprüchen merken. Weißes T-Shirt. Blaue Hose. Auf einem Fahrrad.

Aber am Anfang steht immer:

Männlich, schwarz.

Männlich, Hispanic.

Männlich, weiß.

Die Stimmen aus dem Funk, sie sagen ihm, wie die Welt da draußen zu sehen ist.

Schwarz.

Hispanic.

Weiß.

Ein paar Tage zuvor erst war sein Chef, der Patrol Captain, einen Tag lang auf einer Crimefighters Leadership Conference mit ihrem Chef, dem Police Chief Charlie Beck, den sie hier auch Carlito nennen, weil in L. A. viele Hispanics leben. Der Captain ist auch noch nicht allzu lange Captain, wie Gutierrez noch nicht allzu lange Sergeant ist, weil sich gerade viel geändert hat im Police Department von Los Angeles. Etliche ältere Kollegen sind in Pension gegangen. Sie rücken dann von unten nach oben nach. Officers werden zu Sergeants, Sergeants zu Lieutenants, Lieutenants zu Captains, Captains zu Commanders. Das LAPD ist zurzeit so jung wie selten.

Die Crimefighters Leadership Conference fand in einer ehemaligen Kathedrale statt, deren Säulen in lila Licht getaucht waren. Es sei ein schwieriges Jahr für die Polizei gewesen bisher, hat der Chief gesagt, nicht nur in L. A., überall in den USA. „Wie sorgen wir dafür, dass die Menschen uns vertrauen?“

Als das beste Maß der öffentlichen Sicherheit gilt in den USA die Crime Rate, die Anzahl der Verbrechen. Wenn die Crime Rate fällt, kann man sich sicher fühlen in einer Stadt, die Polizeireporter berichten freundlich. Steigt die Crime Rate aber, sinkt ihre Geduld. Der Polizeichef gerät unter Druck und mit ihm der Stadtrat, der Bürgermeister. In L. A. ist die Crime Rate in den ersten Monaten des Jahres deutlich angestiegen.

„Wir beurteilen uns nicht nach Zahlen“, hat der Chief deshalb gesagt. „Wir müssen uns fragen, ob wir L. A. zu einem besseren Ort gemacht haben.“ Und wenn er sich so umsehe, sagte der Chief und schaute in die Runde seiner Commander, Lieutenants und Captains, dann sei die Antwort: Ja.

Natürlich werden sie aber genau daran gemessen: an den Zahlen.

Auch der Bürgermeister kam zu der Konferenz und mahnte, dass immer noch zu viele Menschen der Polizei nicht trauten. Er sage das nicht nur wegen der öffentlichen Diskussion im Land.

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„Wir trainieren, auf die größte Körperfläche zu zielen, auf den Oberkörper. Wenn du schießt und er hört nicht auf, schießt du noch mal“

Sergeant Gus Gutierrez, auf die frage, warum Polizisten nicht auf Beine schießen

Ferguson. New York. Baltimore.

Schüsse. Unruhen. Ausgangssperren.

Michael Brown. Eric Garner. Freddie Gray.

Verdächtige, männlich, schwarz.

Tot.

Er erinnere sich, erzählte der Bürgermeister, wie seine Kollegin in Baltimore nach Ferguson gesagt habe, so etwas könne in ihrer Stadt nicht passieren.

Dann starb dort Freddie Gray.

„Auch wir sind nicht immun“, warnte der Bürgermeister. „Wenn der Wind aus der falschen Richtung bläst, fängt es auch in unserer Stadt an zu brennen.“

Kann man erahnen, wie groß die Gefahr ist, wenn man einen wie Gus Gutierrez durch die Nacht begleitet?

9:41 pm. Ein Selbstmordversuch. Jemand hält sein Bein über ein Geländer. „Da fahren wir jetzt mal hin“, sagt Gutierrez und beschleunigt. Ihm ist so, als wäre da schon mal so was gewesen neulich.

Gutierrez hält an einer Brücke über dem Los Angeles River, zwei Polizisten sind schon da. „Nichts“, sagt einer der beiden. Gutierrez leuchtet nach unten. Nichts.

„Ist dann alles okay bei euch?“, fragt er die beiden Kollegen. „Wir könnten sonst noch einen Hubschrauber rufen, der das Gelände ausleuchtet.“ Aber, überlegt er dann, das Gelände sei eigentlich ziemlich gut beleuchtet. Er steigt wieder ins Auto.

Oft sei auch einfach nichts.

Als seine Mutter vor gut zwanzig Jahren herausfand, dass er zur Polizei gehen wollte, ist sie ausgetickt. Die Eltern stammen aus Mexiko. Sieben Geschwister, fünf davon Jungs. Einer seiner älteren Brüder war Jahre zuvor als Polizist bei einer Verfolgungsjagd gestorben. Er knallte mit seinem Wagen in ein anderes Polizeiauto.

„Ich diene den Leuten in L. A.“, sagt Gus Gutierrez. „Mein Job ist es, die bösen Jungs zu kriegen und die Straßen sauber zu halten. Das ist meine Motivation.“

Er glaubt an Abschreckung, daran, dass weniger Verbrechen geschehen, wenn sie sich draußen zeigen.

Neuerdings machen sie das auch mit einer speziellen Technik. An die glaubt Gus Gutierrez allerdings nicht so sehr. Aber gut, sagt er, er könne das jetzt mal zeigen.

Die Technik nennt sich Predictive Policing. Ein Computerprogramm soll Orte berechnen, an denen ein Einbruch zu erwarten ist oder ein Autodiebstahl. Meist tut es das, indem es prüft, wo vorher Einbrüche stattgefunden haben.

Manche Polizisten murren, dass sie ihre Brennpunkte und ihre Gangster schon kennen, was soll da der Computer? Bürgerrechtler aus der Stadt sagen, solche Gebiete zu definieren, stachele die Polizisten geradezu auf, aggressiv nach Verdächtigen zu suchen und häufiger jemanden anzuhalten. Sie würden sich dabei trotzdem zu sehr auf ihr Bauchgefühl verlassen, auf ihre Vorurteile.

Jede Schicht bekommt einen Zettel, auf dem die Straßenzüge stehen, in denen besonders wahrscheinlich etwas passieren könnte.

Eine Straße auf der Liste ist an diesem Abend die 41ste. Als er dort angekommen ist, meldet Gutierrez seinem Computer den neuen Status: Predictive Policing.

Er cruist die 41ste entlang. Es riecht nach Gegrilltem. Auf einem Sportplatz spielen Jungs im Flutlicht Fußball.

Es gibt ein gutes Dutzend Gangs in seinem Revier. „Viele der schwarzen Gangs bekämpfen sich ständig“, sagt Gutierrez. Der letzte Mord, erinnert er sich, muss hier irgendwo um die Ecke gewesen sein.

Aber gerade ist alles ruhig. Es ist ihm fast ein bisschen zu ruhig. „Jetzt sind wir mit diesem Predictive Policing fertig“, sagt Gutierrez und ändert seinen Status.

Es kommt auch in L. A. immer mal wieder vor, dass ein Polizist jemanden erschießt. Gerade neulich. Da griff jemand nach dem Taser des Polizisten und attackierte ihn damit.

Bisher gab es noch keinen Fall, der zu Aufständen geführt hätte wie damals bei Rodney King. Wie in Ferguson oder in Baltimore.

Man muss seine Levels of Force kennen, sagt Gutierrez. Die Stufen der Gewalt. An ihrem Ende, auf der letzten Stufe, steht Idol. Immediate Defense of Life. Wenn man beispielsweise droht bewusstlos zu werden. Wenn jemand auf einen feuert. Dann, sagt Gus Gutierrez, schießen wir, um die Bedrohung zu beenden.

Die Leute, das wisse er schon auch, fragen nach so etwas immer: Warum zielt ihr nicht auf die Beine?

„Wir sind dafür ausgebildet, diese Person zu stoppen“, sagt Gutierrez. „Wir trainieren, auf die größte Körperfläche zu zielen, auf den Oberkörper. Wenn du also schießt und er hört nicht auf, schießt du noch mal.“

Danach, sagt er, müsse man sich immer für das rechtfertigen, was man getan habe. Du musst dich erklären können.

Gus Gutierrez und seine Kollegen vor dem Moscheeverein auf dem Martin Luther King Jr Boulevard in L. A.

Er weiß das noch besser, seit er Sergeant ist. Jetzt muss er immer die Berichte ausfüllen.

10:34 pm. Gutierrez fährt durch die Housing Projects. Flache Gebäude. Bei manchen stehen ein paar Jungs vor der Tür, im Licht der Laternen. Wenig los.

Er hat lange überlegt, ob er wirklich Sergeant werden soll. Gutierrez war vorher neun Jahre lang bei der Metro-Einheit. Die Metro ist so etwas wie die Elite-Kampftruppe der Polizei von Los Angeles. Abends ist er immer mit einem Auto voller Waffen nach Hause gefahren. Regelmäßig haben sie das Schießen geübt.

Wenn der Präsident in die Stadt kam, hat er mit dem Secret Service die Sicherheitsmaßnahmen besprochen. Musste irgendwo ein gefährlicher Krimineller festgenommen werden, sind sie ausgerückt in ihren Autos, auf denen nicht LAPD stand und auch nicht „Protect and Serve“. Sie waren ständig draußen. Er ist in Schießereien geraten. Es war was los.

„Ich bin ein Mensch, der gern herausgefordert wird“, sagt Gus Gutierrez, der Mann mit dem gutmütigen Gesicht.

Das erste Mal, als er Sergeant hätte werden können, war 2008. Er bestand den Test. Dann dachte er an sein Auto voller Waffen. Er blieb bei der Metro.

Beim zweiten Mal war er unter den neun besten. Neun von 600. Er konnte nicht mehr absagen. Obwohl er zwei Dollar weniger bekommt die Stunde, erst mal. Langfristig dürfte es sich schon lohnen. Er wird weiter aufsteigen. Um die 80.000 Dollar im Jahr kriegt einer wie er.

Vor einem Monat hat er geheiratet. Dabei haben sie lange schon zwei Kinder. Sollen seine Kinder auch zur Polizei später?

„Ich erhoffe mir eigentlich was Besseres für sie“, sagt er. „Die sollen mal Ärzte werden oder Anwälte.“

11:03 pm. Verdächtiger, männlich, Hispanic. Auf einem Fahrrad.

„Eine ruhige Nacht“, sagt Gutierrez. „Ausgestorben, die ganze Stadt.“ Er schaut jetzt schon immer, was in den benachbarten Revieren los ist. Auch nichts.

Neulich hat er einen Autodieb gefasst. In L.A. scannen die Polizeiwagen die Nummernschilder der anderen Autos und machen Fotos. Die Fotos werden gespeichert, egal, ob sich ein Verdacht bestätigt hat oder nicht. Datenschützer klagen.

Ein paar Kollegen hatten so ein Nummernschild ausgelesen und den Dieb, männlich, Hispanic, erwischt. Er hielt an, rannte los. Genau in die Arme von Gutierrez, der zur Unterstützung gekommen war.

11:29 pm. Ein Beamter fragt nach einem Blue-Check-Gerät, damit nimmt man Fingerabdrücke und identifiziert Verdächtige. Vermont Avenue, 43ste. Das klingt ganz interessant, da fährt Gutierrez hin.

Zwei junge Männer, Hispanic, stehen an einem Zaun, die Arme in Handschellen und hinterm Rücken verschränkt. Sie tragen weite Hosen, einer hat eine Trucker-Cap auf.

„Wahrscheinlich haben die gesprüht“, sagt Gutierrez. „Sie sehen aus, als wären sie in einer Gang. Kann gut sein, dass sie schon einmal festgenommen worden sind. Vermutlich haben sie falsche Namen angegeben, weil sie gesucht werden oder auf Bewährung draußen sind.“

Wer auf Bewährung draußen ist, sollte besser keinen Kontakt mit der Polizei haben.

Die beiden standen allerdings nur in dieser kleinen Gasse neben dem Haus. Sonst ist ihnen bisher nichts vorzuwerfen.

Auf der Straße laufen die Motoren von vier geparkten Polizeiwagen. Sieben Polizisten.

Eine ruhige Nacht.

Was, wenn jetzt plötzlich einer der beiden rennt? Weil er keinen Eintrag riskieren will.

Die Zahlen: Jeden Tag werden in den Vereinigten Staaten durchschnittlich 2,6 Menschen von Polizisten getötet. Das recherchierte die Washington Post. Von Januar bis Mai 2015 starben 385 Personen, davon waren 365 Männer. Schwarze werden besonders häufig Opfer von Polizeigewalt. In drei Fällen mussten Polizisten wegen einer Straftat vor Gericht.

Der Protest: Meistens bleibt Polizeigewalt unbemerkt. Ein früher Fall, der zu großen Protesten führte, war der von Rodney King. Polizisten schlugen ihn 1991 nach einer Verfolgungsjagd zusammen. Jemand filmte das. Sie wurden freigesprochen, es kam zu Unruhen mit Dutzenden Toten. Später wurden die Polizisten zu 30 Monaten Haft verurteilt. 2014 gab es wieder große Proteste, unter anderem in Ferguson, New York und Baltimore: Polizisten töteten vorher den unbewaffneten Teenager Michael Brown, der Asthmatiker Eric Garner starb bei seiner Festnahme, der 12-jährige Schüler Tamir Rice wurde getötet. Drei Beispiele, drei schwarze junge Männer, keine gerichtlichen Folgen für die Polizei. Die Protestbewegung nennt sich „Black Lives Matter“.

Nur ein Impuls.

Die Polizisten sind weiß und jung. Einige kommen gerade erst aus der Polizeischule. Man merkt, wie sie alles richtig machen wollen. Es ist nur nicht so einfach, Fingerabdrücke mit dem kleinen Gerät zu nehmen, wenn die Finger zu einer Hand gehören, die mit Handschellen gefesselt ist, und der Besitzer dieser Hand kein besonderes Interesse daran hat, dass die Prozedur gelingt.

Am Himmel ziehen Flugzeuge vorbei.

Im ersten Auto funktioniert das Bluetooth nicht, im nächsten auch nicht. Als das Bluetooth schließlich funktioniert, ist der Fingerabdruck zu schlecht.

„Schwitzt der?“, fragt einer der jungen Polizisten. „Ich glaube, der zweite Abdruck besteht nur aus Schweiß.“

„Ich schwitze nicht“, sagt einer der beiden jungen Männer am Zaun. Sie wirken ein bisschen amüsiert.

Gus Gutierrez steht abseits und trippelt mit den Füßen.

„Wenn das Gerät nicht geht, haben sie für heute gewonnen“, sagt er. „So ist das. Manchmal gewinnen die Gangster, manchmal die Cops.“

Woher weiß er, dass das Gangster sind?

„Sie sehen aus wie Gangmitglieder. Das ist schon sehr wahrscheinlich. Ich verurteile niemanden. Es ist nur meine Erfahrung“, sagt Gutierrez.

Männlich, Hispanic.

Keine blaue Uniform.

Die jungen Kollegen führen die beiden jetzt zu einem der Polizeiautos und stellen sie an die Motorhaube. Sie nehmen erst dem einen, dann dem anderen die Handschellen ab, um bessere Fingerabdrücke zu bekommen.

Diesmal funktioniert es. Der Erste wurde mal wegen eines Raubüberfalls festgenommen.

Na also, Gus Gutierrez geht Richtung Auto, senkt den Kopf und hebt den Arm zum Abschied in den Nachthimmel.

Johannes Gernert,35, hat als Kellen-Fellow zehn Tage in Los Angeles recherchiert