Reaktionen auf Literaturnobelpreis: Historischer Tag für Weißrussland

Weißrusslands Opposition ist begeistert vom Nobelpreis für Alexijewitsch. Aber es gibt auch andere Meinungen.

Swetlana Alexijewitsch mit Blumenstrauß

Happy: Swetlana Alexijewitsch. Foto: dpa

MINSK taz | Swetlana Alexijewitsch kann ihre Freude nicht verhehlen. „Ich bin heute früh von der Datscha zurückgekommen. Als der Anruf aus Stockholm kam, bügelte ich gerade“, erzählt sie den zahlreichen Journalisten in dem überfüllten Pressekonferenzraum der Redaktion der Wochenzeitung Nascha Niwa in Minsk.

Aber „der Preis ist nicht für mich, sondern für unsere Kultur, für unser kleines Land, das im Laufe der Geschichte in ein Mahlwerk geraten ist“, sagt Alexijewitsch. „Es ist nicht einfach, ein ehrlicher Mensch zu sein, aber vor einem totalitären Regime dürfen keine Zugeständnisse gemacht werden“, fordert sie. Sie möge Russland, „aber nicht das von Stalin und Putin“.

Der weißrussische Oppositionspolitiker Nikolaj Statkewitsch gratuliert Alexijewitsch: „Man weiß und man schreibt in der Welt über Weißrussland sehr wenig. Alexijewitsch hat heute für unser Land mehr getan als jeder von uns. Heute wird jeder von Weißrussland Kenntnis nehmen. Das ist ein historischer Tag für unser Land!“

Der Oppositionelle Andrej Sannikow erklärte: „Heute, wo mein Land wahrlich nicht seine beste Zeiten erlebt, ist eine weltweite Anerkennung einer weißrussischen Schriftstellerin von enormer Bedeutung. Sie wird uns helfen, mit diesen Schwierigkeiten fertig zu werden.“

Kritik oder Schwiegen

So euphorisch sich die Oppositionspolitiker über den Nobelpreis äußern, so wenig ist dessen diesjährige Trägerin Alexijewitsch in Weißrussland bekannt. Natalja (50) etwa, befragt in Minsk, sagte: „Ich habe von dieser Schriftstellerin erst heute in den Nachrichten zum ersten Mal gehört. Dann habe ich gegoogelt und erfahren, dass sie viele Preise weltweit bekommen hat. Schande für Weißrussland, dass darunter kein nationaler Preis ist.“

Die Reaktion aus Russland blieb zwiespältig. Während sich liberale Blogger eher erfreutzeigten, äußerten die kremlnahen Medien Kritik oder schwiegen sich aus. Katharina (30) aus Minsk sagte: „Ich vergesse nie, wie ich das ‚Tschernobyl-Gebet‘ gelesen habe. Sonst bin ich hart am Nehmen. Damals heulte ich die ganze Nacht durch. Mir war klar, dass ich die Welt nie wieder so sehen werde, wie ich sie bis dahin gesehen habe.“

Olga (39) aus Minsk sagte: „Alexjiewitsch ist nicht unumstritten. Sie lebt in Weißrussland, schreibt auf Russisch, geboren ist sie in der Ukraine. Aber es ist doch egal, ob sie‚eure‘, ‚ihre‘ oder ‚unsere’ist. Alexijewitsch muss man einfach lesen!“

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