Weltmacht Ab Sonntag treffen sich die Köpfe der katholischen Kirche in Rom. Bei der Synode streiten sie über Familie, Ehe und Sex. Woher sie kommen, was sie wollen
: Familienstreit im Vatikan

Von Philipp Gessler und Kersten Augustin

NORDAMERIKA

Zahl der entsandten Bischöfe: 8

Wichtiger Bischof: Joseph Edward Kurtz, Erzbischof von Louisville und Präsident der US-amerikanischen Bischofskonferenz. Kurtz gilt als konservativer Oberhirte. Die Entscheidung des Obersten Gerichts zur Einführung der Homo-Ehe hat er als „zutiefst unmoralisch und ungerecht“ bezeichnet.

Mehrheitsposition der Gruppe:Während im Osten der USA, wie in Westeuropa, Kirchen geschlossen werden müssen, boomen wegen der Einwanderung von katholischen Familien aus Lateinamerika im Westen und Süden der Vereinigten Staaten die Taufen. Das macht die Lage unübersichtlich. Klar ist, dass die Bischöfe in der Regel konservativer sind als ihre Basis. In den US-Medien wurde kritisiert, dass fast nur konservative Bischöfe zur Synode delegiert wurden.

Aussichten:Die Bischöfe Nordamerikas neigen dazu, die traditionelle Familie hoch zu halten. Da ihre Bistümer meist reich sind, gelten sie in Rom als einflussreich.

LATEINAMERIKA

Zahl der entsandten Bischöfe:37

Wichtiger Bischof:Jorge Liberato Kardinal Urosa Savino, Erzbischof von Caracas in Santiago, Venezuela.Einer der konservativen Bischöfe Lateinamerikas und früher ein scharfer Kritiker des verstorbenen Präsidenten Venezuelas, Hugo Chávez. Urosa gehört zu einer Gruppe von elf konservativen Kardinälen, die kürzlich ein Buch verfasst haben, in dem die bisherige Theologie der Familie vehement verteidigt wird.

Mehrheitsposition der Gruppe: Lateinamerika ist die katholischste Region der Welt. Von den rund 500 Millionen Einwohnern sind rund 80 Prozent katholisch. Das spiegelt sich auch in der kirchenpolitischen Vielfalt der lateinamerikanischen Kirche. Es gibt sowohl sehr konservative wie sehr progressive Bischöfe, die immer noch geprägt sind von der Befreiungstheologie.

Aussichten: Die Bischöfe Lateinamerikas werden sich kaum auf eine Position vereinen lassen. Als Lateinamerikaner hat Papst Franziskus jedoch großen Einfluss auf sie.

WESTEUROPA

Zahl der entsandten Bischöfe: 28

Wichtiger Bischof: Reinhard Kardinal Marx, Erzbischof von München, Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz. Gilt als reformfreudig.

Mehrheitsposition der Gruppe:Die reform­orientierten Bischöfe sind in dieser Gruppe besonders stark. Auch aufgrund des Drucks der katholischen Basis in Westeuropa wünschen sich diese Bischöfe in der Mehrheit, dass auch wiederverheiratete Geschiedene wieder die Kommunion erhalten, dass es eine stärkere Seelsorge, vielleicht auch eine Segnung von homosexuellen Paaren gibt – und dass neue familiäre Lebensweisen, etwa Alleinerziehende und Patchwork-Familien, mehr Zuspruch durch die Kirche erhalten.

Aussichten:Diese Gruppe wäre mehrheitlich wohl zufrieden, wenn die Synode zum Beispiel bei den „Wiederverheirateten“ eine Einzelfall-Lösung für betroffene Gläubige durch den jeweiligen Bischof empfähle. Bei der Homosexuellen-Frage sind die Erwartungen gering.

OSTEUROPA

Zahl der entsandten Bischöfe: 19

Wichtiger Bischof:Erzbischof Stanisław Gądecki von Posen, Vorsitzender der polnischen Bischofskonferenz.Einer der Hardliner der Reformgegner.

Mehrheitsposition der Gruppe:Die osteuropäischen Bischöfe gehören zu den konservativsten in der anstehenden Synode. Personell und ideologisch geprägt durch Franziskus’ Vorvorgänger Johannes Paul II., der in Polen so etwas wie ein Nationalheiliger ist, haben sie bereits angekündigt, dass sie gegen jegliche Reform stimmen werden. Gerade die Forderungen des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, etwa nach Segnungen für Homosexuelle, sind diesen Bischöfen ein Graus.

Aussichten:Allenfalls rhetorische Änderungen der bestehenden Lehre kommen für diese Gruppe in Frage. Es ist allerdings fraglich, ob sich die Osteuropäer mit ihrer reinen Betonstrategie am Ende durchsetzen können. Denn auch innerhalb ihrer Länder ist ihre Position umstritten.

ASIEN UND OZEANIEN

Zahl der entsandten Bischöfe: 30

Wichtiger Bischof: Oswald Kardinal Gracias, Erzbischof von Mumbai und Vorsitzender der indischen Bischofskonferenz.Gehört zu den Gemäßigten. Gracias ist einer von neun Chefberatern des Papstes, der sogenannten G-9-Gruppe der Kardinäle, und damit sehr einflussreich.

Mehrheitsposition der Gruppe:Die asiatischen Bischöfe gelten mehrheitlich als konservativ, während die Oberhirten aus Ozeanien einen liberaleren Ruf haben. Für die asiatisch-ozeanischen Bistumsführer ist das Vordringen des Islam eine der größten Herausforderungen. Auch die vielen Wanderarbeiter in dieser Region stellen ein Problem für die Familienethik der katholischen Kirche dar.

Aussichten:Diese Bischofsgruppe wird sicherlich nicht zu den Progressiven in der Synode gehören. Aufhorchen ließen immerhin einige Sätze von Kardinal Gracias, in denen er verhältnismäßig positive Worte zu Homosexuellen fand – auch im Gegensatz zur homophoben Gesetzgebung in Indien.

AFRIKA

Zahl der entsandten Bischöfe: 44

Wichtiger Bischof:Erzbischof Gabriel Charles Palmer-Buckle aus Accra in Ghana.Bewegt sich im konservativen Mainstream der afrikanischen Bischöfe. Seine Aussagen zur Homosexualität, die er als inhuman und asozial bezeichnete, sind recht typisch.

Mehrheitsposition der Gruppe:Die afrikanischen Bischöfe sind allein durch ihre hohe Zahl von großer Bedeutung. In einem antikolonialen Impetus betonen sie stets, dass die Europäer ihnen nicht ihre Werte und ihre Probleme auf­drücken sollten. Homosexualität gilt vielen von ihnen als ein Problem des Nordens, nicht des Südens.

Aussichten:Die afrikanischen Bischöfe betrachten die Armut als das Hauptproblem ihres Kontinents, sie wird zugleich als großer Feind der Familie verstanden. Auch das Problem der Polygamie brennt ihnen auf den Nägeln – ein Problem, das sonst keine andere Bischofskonferenz ernsthaft auf ihrer Agenda hat.

276 SYNODENVÄTER

20 Bischöfe katholischer Ostkirchen

10 Synodenväter der Synodenleitung

10 Ordensobere

25 Chefs der Ministerien („Dikasterien“) der Kurie

45 vom Papst benannte Synodenväter

166 Bischöfe aus den Regionen der Welt (siehe Pfeile)

DAS PASSIERT IN ROM

Das Ereignis: Die XIV. Generalversammlung der Bischofs-synode tagt vom

4. bis 25. Oktober im ersten Stock der Audienz-halle des Vatikan, gleich

neben dem Petersplatz in Rom.

Der Name: Die Synode (Kirchenversammlung) stehtunter dem Leitwort: „Die

Berufung und Sendung derFamilie in Kirche und Welt von heute“.

Die Akteure: Knapp 280 Männer der Kirche aus aller Welt– vor allem

Bischöfe – sollen über Reformen der katholischen Lehre zur Familie, aber

auch zur Ehe und zur Sexualität diskutieren. Das betrifft rund 1,2

Milliarden Gläubige.

Die Entscheidung: Nach drei Wochen kann der Papst die Abschlusserklärung

der Synode übernehmen – und daraus, auch mit eigenen Veränderungen, ein

verbindliches Lehrschreiben formulieren. Es wird ein großer Kampf

zwischen Reformern und Bewahrern erwartet.