Zwischen den Fronten

Der Zoff entlang der Balkanroute geht weiter – private Fluchthelfer wollen die Menschen da rausholen

Schrille Vorwürfe zwischen Serbien und Kroatien

Balkanroute Aus dem Streit über die Zuständigkeit für Flüchtlinge ist ein Handelskrieg geworden

SZEGED taz | Nach dem EU-Sondergipfel zu Flüchtlingen in Europa hat die Umsetzung des gemeinsamen Plans begonnen. Eine besonders heikle Mission kam dabei auf Erweiterungskommissar Johannes Hahn zu: Er wurde am Donnerstag in Belgrad zu Gesprächen erwartet.

Serbien, ein Schlüsselland der Balkanroute, sieht sich mit den Flüchtlingen überfordert. Mitte der Woche kamen an einem Tag 5.000 Menschen aus Mazedonien ins Land. Nach Berichten von Helfern vor Ort strandeten rund 4.000 von ihnen zunächst auf Feldern vor der kroatischen Grenze, die zu diesem Zeitpunkt geschlossen war.

Die kroatisch-serbischen Beziehungen sind dadurch auf den tiefsten Stand seit den Balkan-Kriegen in den 1990erjahren abgesackt. Aus dem Disput über die Flüchtlinge ist inzwischen ein Handelskrieg geworden. Zunächst warf Zagreb Serbien vor, die Flüchtlinge absichtlich nach Kroatien zu schicken. Als Reaktion verweigerte Kroatien serbischen Transporten die Einreise. Serbien, seit 2012 offiziell EU-Beitrittskandidat, sieht darin eine Verletzung des Stabilitäts- und Assoziationsabkommens. Premier Aleksandar Vučić protestierte in Brüssel schriftlich gegen die Maßnahme. In einer Protestnote, die an Kroatien ging, schlug das serbische Außenministerium besonders schroffe Töne an und verglich die Einreisesperre für Serben beziehungsweise serbische Autos „mit den Maßnahmen zur Zeit des faschistischen Staates Kroatien“ im Zweiten Weltkrieg.

Am Mittwoch ließ Kroatien die Lkws wieder ins Land. Am frühen Donnerstagmorgen wurden die Grenzen jedoch erneut geschlossen – diesmal auch für serbische Pkws und Bürger. Die Verknüpfung der Handelsbeschränkungen mit der Flüchtlingsfrage wird weiter forciert. Die kroatische Tageszeitung Večernji listzitierte Innenminister Ranko Ostojić, die Grenzen blieben geschlossen, bis Serbien Flüchtlinge wieder nach Ungarn schicke. Kroatien beschuldigt Serbien und Ungarn, sich zusammengetan zu haben, um Kroatien zu schaden. Serbien lässt seinerseits keine Güter und Lkws aus Kroatien ins Land.

Unklar ist das weitere Vorgehen Ungarns. Laut einer dpa-Meldung habe Ministerpräsident Viktor Orbán nach dem Brüsseler Gipfel angekündigt, die Grenze zu Kroatien zu schließen. Sollte Ungarn die Grenze komplett schließen, könnte damit das Nachbarland Rumänien künftig in den Fokus rücken. Präsident Klaus Iohannis erklärte sich auf dem EU-Gipfel bereit, eine erhöhte Flüchtlingsquote zu akzeptieren.

Ungeachtet dessen liegt das Land bislang abseits der Hauptrouten, zumal Ungarn auch hier einen Zaun errichtet hat. Alternativ führt der Weg nach Westen über die Ukraine und die Slowakei. Dennoch wurde nahe der serbischen Grenze vor einer Woche ein kleines Auffanglager gebaut. Ein zweites soll bei einem anderen Übergang folgen. Das rumänische Innenministerium nannte die Maßnahme „präventiv“. Tobias Müller