Bewerbung für den Abstiegskampf

NORDDERBY Obwohl Hannover 96 noch schlechter spielte als Werder Bremen, kann Trainer Michael Frontzeck zunächst weiterarbeiten. Der neue Geschäftsführer Bader holt erst mal einen Sportchef

Die Kluft war beängstigend groß. Auf den ausverkauften Tribünen wurde nach ­Spielende vor allem mit den Begriffen „Not“ und „Elend“ jongliert. Das klingt gemein und trifft doch ziemlich genau, was der 1:0-Heimsieg von Hannover 96 gegen Werder Bremen zu bieten hatte. Viele der 49.000 Zuschauer werden sich hinterher gefragt haben, ob es noch schlechter geht – und warum die Hauptdarsteller der beiden Vereine ihre Auftritte eigentlich gar nicht so schlecht fanden.

Beispiel gefällig? „Spielerisch“, meinte Werder-Kapitän Clemens Fritz, „haben wir das teilweise ganz gut gemacht.“ Er sprach für ein Team, das nun schon viermal in Folge verloren hat und Hannover 96 sehr dabei geholfen hat, das Tabel­lenende der Fußballbundesliga zu verlassen.

Offenbar geht es im Moment einfach nicht besser. Werder spielt unter Trainer Viktor Skripnik einen Fußball fast ohne Überraschungsmomente. In Hannover reichte es zwar zu der einen oder anderen Torchance, weil die Bremer die dröge Partie über weite Strecken dominierten. Aber das Tor des Tages köpfte auf der Gegenseite der Senegalese Salif Sané nach einem Eckball des Japaners Hiroshi Kiyotake. Die Szene in der 55. Minute machte den Unterschied zwischen zwei Teams aus, die sich mit Nachdruck um eine Rolle im Abstiegskampf bewerben.

„Es war ein Kampfspiel. In unserer Situation kann es nur so gehen“, versicherte Leon Andreasen, der erfahrene Mittelfeldspieler von Hannover 96. Im Duell mit seinem Ex-Klub war auch ihm so mancher Lapsus unterlaufen. Fehlpässe ohne Not und Schüsse auf die Tribüne waren keine Seltenheit.

Wenn dies Nordderby auch etwas Gutes hatte, dann für Michael Frontzeck. In die Debatte, ob er der richtige Trainer für Hannover 96 ist, kehrt durch den ersten Saisonsieg erst einmal wieder Ruhe ein. Die Bundesliga pausiert zwei Wochen lang zugunsten der Nationalmannschaften. Ihre Themen verlieren dann in der Regel ein wenig an Brisanz. „Es war dunkel geworden über Hannover“, sagte Frontzeck. „Aber mir macht es nach wie vor großen Spaß, mit der Mannschaft zu arbeiten.“

Wie lange er das noch tun darf, darüber entscheidet künftig ein neuer Vorgesetzter. Martin Bader soll als Geschäftsführer Sport für Ruhe und Ordnung sorgen, neue Strukturen aufbauen und Präsident Martin Kind entlasten. Er lobt Frontzeck dafür, dass er sich nach dem misslungenen Saisonstart stets vor die Mannschaft gestellt habe. „Und es ist mir fremd, nach sechs, sieben Spieltagen schon alles infrage zu stellen“, sagte Bader.

Vorerst geht die Reise mit Frontzeck also weiter. In Kürze soll ihm ein neuer Sportdirektor als Nachfolger des gescheiterten Dirk Dufner zur Seite gestellt werden. Hannover 96 will mit zwei Monaten Verspätung grundlegende Dinge nachholen, die längst hätten erledigt sein müssen. Dass Werder Bremen mit seinen Personalien weniger Probleme hat und auch nicht besser Fußball spielt, dürfte zumindest ein wenig Trost spenden. Christian Otto