Ein untaugliches Mittel

■ ist UN-und Schweiz-Korrespondent der taz mit Sitz in Genf. 2009 erhielt er den Göttinger Friedenspreis. 2005 schrieb er das Buch „Die kommenden Kriege“.

FALSCH, SAGT ANDREAS ZUMACH

„Terroristen und islamistische Rebellen bekämpfen“; „Sezession verhindern und die territoriale Integrität des Landes wiederherstellen“; „Drogenschmuggel und Bandenkriminalität unterbinden“: Mit diesen Zielen rechtfertigt die französische Regierung ihre eskalierende Militärintervention „Operation Serval“ in Mali. Sie wird dabei zumindest politisch unterstützt von den demokratischen Regierungen des Westens ebenso wie von den autoritären Regimen Russlands und Chinas, die auf ihren Staatsgebieten ebenfalls Probleme haben mit radikalislamischen und sezessionswilligen Gruppierungen.

Mit ähnlichen und teilweise noch weiterreichenden Zielsetzungen (Stabilisierung, Frieden, Wiederaufbau, Demokratie Rechtsstaat, Menschen- und Frauenrechte) wurden fast alle Militärinterventionen und Kriege seit Ende des Ost-West-Konfliktes und insbesondere seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 Jahre begründet. Sei es in Tschetschenien, Afghanistan, Somalia, Irak oder anderswo.

Die Intervention Frankreichs hat das größte Rekrutierungspotenzial für die radikalislamischen und potenziell terrorbereiten Gruppierungen in ganz Nordwestafrika

Doch in keinem einzigen Fall wurden die proklamierten Ziele erreicht. Und schon gar nicht eine nachhaltige Befriedung der jeweiligen Konflikte durch Überwindung ihrer politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder anderweitigen Ursachen. Auch der von den USA seit nun schon fast 30 Jahren geführte Krieg zur Bekämpfung des Drogenanbaus in Mittelamerika ist gescheitert. In einigen Fällen wirkten die militärischen Interventionen sogar kontraproduktiv und führten statt zur angestrebten Schwächung oder gar Vernichtung der jeweils bekämpften Gruppierungen zu ihrer Stärkung.

Angesichts dieser Erfahrungen steht zu erwarten, dass sich auch im aktuellen Fall Mali die Militärintervention als untaugliches Mittel zur Durchsetzung der proklamierten Ziele erweisen oder gar kontraproduktiv auswirken wird. Zumal, wenn wesentliche Ursachen für die innenpolitische Krise in Mali sowie entscheidende Faktoren für die Stärkung der jetzt bekämpften islamistischen Gruppierungen weiter ausgeblendet bleiben: Mali war keineswegs der stabile demokratische Musterstaat, als der er in westlichen Medien häufig dargestellt wurde. Die Zentralregierung schürte durch jahrelange, systematische Benachteiligung des Nordens die Autonomie- bis Sezessionsbestrebungen der dortigen Tuareg.

■ Das Land: Mali liegt in Westafrika am Niger. Bis 1960 war es französische Kolonie. Hauptstadt ist das im Südwesten gelegene Bamako. Im Nordosten liegt die Oasenstadt Timbuktu.

■ Rebellion: Im März 2012 stürzten meuternde Soldaten den damaligen Präsidenten Amadou Toumani Touré. Im April nutzten Tuareg-Rebellen die unklare Lage, eroberten den Nordosten des Landes und riefen den Staat Azawad aus. Seither war Mali faktisch zweigeteilt. Später übernahmen Islamisten die Führung im Nordosten, zerstörten zum Weltkulturerbe gehörende Mausoleen und führten die islamische Rechtsprechung nach der Scharia ein. Anfang Januar rückten sie nach Süden vor und nahmen die strategisch wichtige Stadt Konna ein.

■ Intervention: Nachdem Malis Präsident Boubacar Traoré um Hilfe gebeten hatte, schickte Frankreich am 11. Januar Soldaten, die die Rebellen zurückdrängen. Am Mittwoch starteten sie eine Bodenoffensive, um die Stadt Diabali zurückzuerobern.

■ Deutsche Beteiligung: Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) teilte Mittwoch mit, dass zwei Militärtransportflugzeuge zur Unterstützung bereitstehen, ein Bundestagsmandat sei dafür nicht notwendig. Nächste Woche soll über mögliche weitere Hilfe gesprochen werden.

Doch stark genug, um im April 2012 ihren eigenen Staat auszurufen, wurden die Tuareg-Befreiungsbewegung MNLA und die mit ihnen zunächst noch verbündeten islamistischen Gruppen erst dank der vielen Waffen aus dem libyschen Bürgerkrieg sowie dank mehrerer tausend aus Libyen geflohener Kämpfer, die zuvor Gaddafi unterstützt hatten. An der Kontrolle dieser Waffen zeigte die damals von Frankreich, Großbritannien und den USA geführte Kriegsallianz gegen Gaddafi nach dessen Sturz ebenso wenig Interesse wie an der Verhinderung von Racheakten gegen Sympathisanten des früheren Regimes. Bei den jetzt von Frankreich bekämpften radikalislamischen Gruppierungen, die der gemäßigten, sufistisch-islamischen Bevölkerung Malis die Scharia aufzwingen, handelt es sich um Wahhabiten. Finanziert werden sie – ähnlich wie einst die Attentäter von 11./9. – vom Ölstaat Saudi-Arabien, dem wichtigsten Verbündeten des Westens im Nahen und Mittleren Osten.

Die Zweifel an der Tauglichkeit der militärischen Intervention in Mali zur Erreichung der proklamierten Ziele bestehen grundsätzlich – unabhängig davon, ob die Intervention allein von Frankreich geführt wird, oder von der EU, der Nato, der westafrikanischen Staatenallianz Ecowas oder einer UNO-Truppe. Doch die allein von der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich begonnene „Intervention im klassischen neokolonialen Stil schmutziger Afrikakriege“ (Dominic Johnson, taz 14. 1.) ist das denkbar ungünstigste Szenario. Denn es enthält das größte Rekrutierungspotenzial für die radikalislamischen und potenziell terrorbereiten Gruppierungen in ganz Nordwestafrika.