Familienbild der Katholiken: Der Kampf um Rom

Patchwork-Familien, Geschiedene, Schwule: Bei der Bischofssynode im Vatikan geht es um die Zukunft der katholischen Kirche.

Eine Frischvermählte mit Baby auf dem Petersplatz. Papst Franziskus hat dem Kind sein Käppchen aufgesetzt.

Bei einer Audienz am Petersplatz schenkte Papst Franziskus diesem Baby sein Käppchen. Foto: Reuters

Papst Franziskus hat eine kleine Macke: Immer, wenn ihm etwas wichtig ist, macht er einen Witz über Schwiegermütter. So war das schon kurz nach seiner Wahl vor zwei Jahren. In einem Interview mit El Mundo witzelte der neue Pontifex Maximus über den Zölibat: „Ein Geistlicher hat mir mal gesagt, dass eine Aufhebung des Zölibats ihm zwar erlauben würde, nicht mehr allein zu sein und eine Frau zu haben, aber dass er sich damit auch eine Schwiegermutter einhandeln würde.“

Noch einen Witz über Schwiegermütter gab er – ausgerechnet am Valentinstag – auch im Februar vor einem Jahr vor einer riesigen Menschenmenge auf dem Petersplatz zum Besten. Und auf dem „Weltfamilientag“ in Philadelphia vor wenigen Tagen ließ es der Papst vor Zehntausenden Gläubigen wieder krachen: „Familienleben kann Teller fliegen lassen, Kinder können Kopfschmerzen verursachen – und über Schwiegermütter will ich erst gar nicht reden.“

Nun gehen die Witze des Papstes auch mal daneben, wie etwa der über Katholiken und die Fortpflanzung von Karnickeln. Auch als Erziehungsratgeber dürfte der Papst in Familien mit seinen Aussagen über „würdevolles Schlagen“ nicht unbedingt zu empfehlen sein.

Der Ausbruch seiner erneuten Schwiegermutter-Macke aber zeigt an, dass ab Sonntag etwas wirklich Wichtiges ansteht: die sogenannte Familiensynode im Vatikan. Sie wird aller Voraussicht nach über den Erfolg oder Misserfolg von Franziskus’Pontifikat entscheiden. Denn, so rief er in Philadelphia nach der Schwiegermutter-Zote: Trotz des Ärgers in der Familie lohne es sich, für sie zu kämpfen, denn Familien seien „Fabriken der Hoffnung“ und wichtig für die Gesellschaft.

Familie – ein umkämpftes Feld

„Familie“ – das ist ein umkämpftes, ideologisch ungemein aufgeladenes Feld in der katholischen Kirche. Die XIV. Generalversammlung der Bischofssynode vom 4. bis 25. Oktober im Vatikan steht zwar unter dem harmlosen Leitwort: „Die Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute“. In Wirklichkeit aber geht es um mehr: Denn zum Familienbild gehören nach Ansicht der rund 280 versammelten Bischöfe aus aller Welt auch die Fragen der Sexualität, der Empfängnisverhütung, der Homosexualität und des Umgangs mit Alleinerziehenden und Geschiedenen, die wieder geheiratet haben. Kurz: Im Grunde geht es darum, ob die katholische Kirche ihre oft sehr konservativen Lehraussagen über das Privat- und Intimleben ihrer 1,2 Milliarden Gläubigen reformieren will oder nicht.

In Rom kommt es zum Showdown zwischen Reformern und Bewahrern

Gerade für reaktionäre Bischöfe ist das Leitbild einer katholischen und heilen Familie mit Vater, Mutter und Kindern die letzte Bastion gegen den Einbruch der bösen säkularen Welt in die Kirche. Für ihre bischöflichen Gegner ist dagegen ein neues Bild der Kirche in Sachen Familie und Sexualität der Hebel, um mit der modernen Welt überhaupt wieder ins Gespräch zu kommen.

Bezeichnend ist, dass den Daten eines staatlichen Meinungsforschungsinstituts zufolge selbst drei Viertel der meist sehr katholischen Polen mit den Ansichten der Kirche bezüglich der Homosexualität, der Empfängnisverhütung und der außerehelichen Beziehungen nicht überein stimmen. Die anstehende Familiensynode, so sagte es schon vor einem Jahr ein Vatikanexperte im Vertrauen, sei so etwas wie ein neues Zweites Vatikanisches Konzil. Das ging vor 50 Jahren zu Ende und hatte die katholische Weltkirche so modernisiert wie kein anderes Ereignis in ihrer fast 2.000-jährigen Geschichte.

Vorwurf der Häresie

Das mag einen Zacken zu dramatisch formuliert sein. Tatsache ist, dass gerade die reaktionären Bischöfe seit Ankündigung der Synode aus allen Rohren auf die Reformer schießen – und dass man dabei leicht auf kriegerische Metaphern kommt, ist kein Zufall.

Ein Beispiel: Robert Kardinal Sarah aus Guinea, seit wenigen Monaten Präfekt der Gottesdienstkongregation in Rom, verkündete kaum verschlüsselt in einem neuen Buch: „Die Idee, das Lehramt in eine hübsche Schachtel zu räumen und damit von der pastoralen Praxis zu trennen, die sich dann je nach Umständen Moden und Leidenschaften entwickeln kann, ist eine Form von Häresie, von pathologischer Schizophrenie. Ich bekräftige feierlich, dass die Kirche von Afrika sich jeder Form von Auflehnung gegen das Lehramt Christi und der Kirche widersetzen wird.“

Häresie, also eine Irrlehre, dieses mächtige Geschoss flog gegen die Reformer und ausdrücklich auch gegen Reinhard Kardinal Marx, der den deutschen Bischöfen vorsteht. Der Münchner Erzbischof hatte es im Dezember als eine „weltweit drängende Herausforderung der Ehe“ bezeichnet, dass man sich auf die Suche mache, „nach einer theologisch verantwortbaren und pastoral angemessenen Begleitung von Gläubigen, deren Ehe zerbrochen ist, und die zivil geschieden und wiederverheiratet sind“.

In einer 16-teiligen Serie haben wir Flüchtlinge gebeten, uns das zu erzählen, was ihnen jetzt gerade wichtig ist. Wie erleben sie Deutschland, worauf hoffen sie, wie sieht ihr Alltag aus? In ihren Ländern waren sie Journalisten, Autoren, Künstler. Sie mussten Syrien verlassen, Russland, Aserbaidschan oder Libyen. Jetzt sind sie in Deutschland. Was sie zu sagen haben, lesen Sie im Oktober täglich auf taz.de. Alle Geschichten gebündelt gibt es in der taz.am wochenende vom 2./3./4. Oktober, erhältlich am eKiosk.

Rotes Tuch für Reaktionäre

Das Buch des konservativen Kardinals Sarah wurde Anfang September in einem Schloss der erzkatholischen Fürstin Gloria von Thurn und Taxis vorgestellt. Mit dabei: Erzbischof Georg Gänswein, der dem Papst von seinem Vorgänger Benedikt XVI. als Privatsekretär de facto oktroyiert worden war. Gänswein schrieb das Vorwort zu Sarahs Buch. Und ausgerechnet Kardinal Gerhard Ludwig Müller, als Chef der Glaubenskongregation der Chef-Theologe im Vatikan, war aus Rom angereist, um es vorzustellen.

In Rom wird es also zu einem Showdown zwischen Reformern und Bewahrern kommen. Was der Papst dabei will, ist nur zur erahnen. Von den knapp 280 „Synodenvätern“, die in Rom versammelt sein werden, wurden 166 von den Bischofskonferenzen der einzelnen Länder delegiert. Darauf hatte er keinen Einfluss. Andere sind als Chefs der Vatikan-Ministerien („Dikasterien“) nominiert, darunter auch Kardinal Müller. Auffällig aber ist, dass Papst Franziskus mehr Reformer zur Synode hinzugebeten hat als Beharrer. Dazu gehören der eigentlich schon pensionierte Kurienkardinal Walter Kasper, ein rotes Tuch für die Reaktionäre, und der Erzbischof von Chicago, Blase J. Cupich.

Schon bei der Vorsynode vor einem Jahr in Rom hatte die reformorientierte Fraktion die Mehrheit und fand in einem Zwischenbericht der damaligen Bischofsversammlung wohlwollende Worte etwa zu homosexuellen Paaren. Da die Synode aber nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit offizielle Erklärungen verabschieden kann, drückte eine reaktionäre Sperrminorität damals per Kampfabstimmung ein windelweiches Abschlusspapier durch.

Hoffnung der Reformer

Das könnte auch dieses Mal wieder passieren. Allerdings haben die meist rückwärtsgewandten Afrikaner und Osteuropäer etwas weniger Einfluss als noch vor einem Jahr. Denn dieses Mal dürfen größere Bischofskonferenzen mehr Bischöfe entsenden als kleinere, was die liberaleren Bischofsgruppen aus Deutschland und Nordamerika begünstigt.

Der Papst hat in drei Wochen die Macht, die Abschlusserklärung der neuen Synode als Lehrmeinung zu übernehmen – oder sie in seinem Sinne zu verändern. Das ist zwar nicht besonders demokratisch. Aber es ist eine Hoffnung der Reformer. Denn bisher hat Papst Franziskus in vielen Belangen der Weltkirche Barmherzigkeit und Reformen verlangt. Und am Ende auch durchgesetzt. Gut möglich, dass er dabei wieder einen Witz über Schwiegermütter macht. Oder er verschont sie dieses Mal. Denn auch sie haben am Ende Barmherzigkeit verdient.

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