Die Kritik
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Da sinken sie hin, die Kurse Foto: Jason Lee/reuters

China sucht den Sündenbock

Was sagt uns das? In China stürzen die Aktienkurse ab. Beschuldigt werden aber nicht Zocker oder eine schlechte ­Börsenaufsicht, sondern Jour­nalisten.

Da wird in China monatelang an der Börse ge­zockt. Die Kurse schießen in die Höhe. Vielen Anlegern wird das unheimlich, sie bleiben aber dran. Und plötzlich kommt es zum Knall. Seit Ende Juni haben die chinesischen Aktienmärkte mehr als 40 Prozent an Wert verloren. Besonders dramatisch waren die Verluste in der vergangenen Woche. An drei Tagen rutschten die Barometer tief in den Keller. Unter den Anlegern soll zwischenzeitlich geradezu Panik geherrscht haben.

Nun will die chinesische Führung einen Sündenbock für die Crashs gefunden haben: Nicht die Zocker sind schuld, auch nicht Regierungsmitglieder, die den vorausgegangenen Boom mit Appellen wie „Unsere Aktien sind sicher“ (O-Ton: Premierminister Li Keqiang) massiv befeuert hatten. Journalisten sollen zum jüngsten Börsencrash beigetragen haben.

Die erklärte Logik dahinter: Journalisten und Blogger hätten mit der Verbreitung von Falschinfos gezielt für schlechte Stimmung gesorgt. Das wiederum habe vor allem solche Anleger angefixt, die mit Leerverkäufen gezielt auf fallende Kurse wetten. Als Beispiel wird in chinesischen Staatsmedien ein Internetnutzer genannt, der behauptet haben soll, in Peking habe sich ein Mann wegen des Börsencrashs aus einem Fenster in den Tod gestürzt. Das soll die Kurse noch tiefer fallen gelassen haben. Nach diesem Nutzer wird nun gefahndet.

Zumindest ein Finanzjournalist hat schon Reue gezeigt. Der Reporter des angesehenen Wirtschaftsmagazins Caijing räumte vor chinesischen Staatsmedien ein, dass er mit der Verbreitung von Falschinfos für „Panik und Chaos“ gesorgt hat. Damit habe er „Land und Investoren hohe Verluste“ zugefügt. Doch das muss nicht viel heißen. In alter kommunistischer Manier ist es in China üblich, dass Angeklagte vor Gerichtsprozessen Geständnisse ablegen. Das soll angeblich die Strafe mildern.

Nun ist es tatsächlich so, dass sich in einem Land ohne unabhängige Medien Gerüchte schnell verbreiten. Die Leser haben kaum Möglichkeiten, die Infos zu verifizieren. Den Staatsmedien wiederum wird wenig geglaubt. Das liegt aber nicht an den Gerüchten, die gibt es woanders auch, sondern an der fehlenden Pressefreiheit. Berichtet also nicht über fallende Kurse, liebe KollegInnen. Das sorgt bloß für schlechte Stimmung. Felix Lee