Würde man alle Milizen, Gruppen und Verbände der Kurden in eine Grafik packen, wäre es wohl die irrste Grafik der Welt. Ein Überblick über die wichtigsten Parteien
: Kämpfer für Kurdistan

Name:Kurdische Arbeiterpartei (PKK), Türkei

Gründung:1978 in Lice, einem kleinen Ort nördlich von Diyarbakir

Chef:Abdulla Öcalan, kurz Apo, weshalb seine Anhänger auch Apocular genannt werden. Öcalan war in den 1970er Jahren Mitglied einer türkischen linksradikalen Gruppe und gründete die PKK als marxistische Organisation. Um Öcalan entwickelte sich im Laufe der Jahre ein Kult. Apo ist nicht nur der Parteiführer, er wird als Prophet und Erlöser verehrt. Da Öcalan seit 1999 in Haft auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer sitzt, wird die Organisation seitdem von einem Exekutivrat geführt, dessen bekannteste Vertreter Cemil Bayik und Murat Karayilan sind. Die Führungsspitze der PKK sitzt im Nordirak in einem gut gesicherten Gebiet in den Kandil Bergen. Von hier und von ihrer politischen Spitze in Europa wird die PKK gesteuert.

Politisches Programm: In den Anfangsjahren bekämpfte die PKK hauptsächlich kurdische Gro§grundbesitzer, um die abhängigen Bauern zu befreien, die diese Aktionen der Linksradikalen aber oft ablehnten. Die PKK ist straff hierarchisch organisiert. Widerspruch wird nicht geduldet, Kritiker am Kurs des großen Vorsitzenden wurden vielfach als Verräter erschossen und selbst in Europa verfolgt. Die PKK und Öcalan haben wesentlich dazu beigetragen, dass unter den 15 Millionen Kurden in der Türkei ein echtes Nationalbewusstsein entstand. Aus der ehemals marxistischen PKK ist eine Nationalbewegung geworden, die in gewisser Weise moderner ist als die traditionellen kurdischen Stammesorganisationen im Irak, im Iran und in Syrien, weshalb sie auch in diesen Ländern eigene Ableger gründen konnte. Begünstigt durch die starke Migration aus der Türkei nach Europa, gelang es der PKK auch, unter den kurdischen Migranten in Deutschland, Frankreich und den Beneluxländern eine starke Organisation aufzubauen.

Operationsgebiet:Die Zäsur kam mit dem Militärputsch in der Türkei am 12. September 1980. Öcalan und seine engsten Mitstreiter flohen nach Syrien. Von Syrien und ihren Trainingslagern im Libanon aus, bereitete die PKK ihren bewaffneten Kampf in der Türkei vor. Am 15. August 1984 überfielen erstmals bewaffnete PKK-Guerilleros türkische Gendarmerie-Stützpunkte entlang der syrischen und irakischen Grenze. Aus einzelnen Überfällen entwickelte sich schnell ein Guerillakrieg, der das gesamte kurdisch besiedelte Gebiet im Südosten des Landes umfasste. Trotz massiven militärischen Einsatzes und äußerst brutalen Vorgehens des Militärs, gelang es nicht, die Guerilla zu besiegen. Das lag unter anderem auch daran, dass die PKK-Einheiten sich immer wieder nach Syrien und in den Nordirak zurückziehen konnten und mindestens zeitweilig auch vom syrischen Geheimdienst unterstützt wurden. Ende 1998 ließ das türkische Militär dann zwei ganze Panzerarmeen an der syrischen Grenze auffahren und drohte Hafis al-Assad, dem damaligen syrischen Diktator und Vater des jetzigen Baschar al-Assad, in Syrien einzumarschieren, wenn Öcalan nicht ausgeliefert würde. Assad lieferte Öcalan zwar nicht aus, zwang ihn aber, Syrien zu verlassen. Daraufhin irrte Abdullah Öcalan mehrere Wochen durch Europa und Afrika, bis er am 15. Februar 1999 in Kenia vom türkischen Geheimdienst mit Unterstützung der CIA geschnappt und in die Türkei gebracht wurde.

Aktuelle Situation:Auf Anweisung des damaligen türkischen Ministerpräsidenten Erdogan hat der türkische Geheimdienst MIT ab etwa 2005 angefangen, mit dem PKK-Chef zu sprechen. Es gab infolgedessen Geheimverhandlungen mit der PKK in Oslo, die aber scheiterten. Daraufhin gab Erdogan 2012 öffentlich bekannt, dass er der MIT den Auftrag gegeben habe, mit Öcalan über den Friedensprozess mit der PKK zu sprechen. Im März 2013 rief Öcalan die PKK dann auf, einen Waffenstillstand in der Türkei einzuhalten. Dieser Waffenstillstand hat bis zu dem Attentat in Suruc am 20. Juli 2015 im Wesentlichen gehalten. Danach wurde er sowohl von der PKK als auch von Erdogan aufgekündigt. Jürgen Gottschlich

Name:Partei der Demokratischen Union (PYD), Syrien

Gründung:2003

Chef/in:Salih Muslim und Asya Abdullah. Muslim stammt aus Kobani. Beeinflusst von der kurdischen Revolution im Irak trat er zunächst der Demokratischen Partei Kurdistan-Syrien bei, 2003 wechselte er zu der neu gegründeten PYD. Nach mehreren Verhaftungen in Syrien floh er in ein PKK-Camp in den Irak und kehrte 2011 nach dem Ausbruch der Revolution nach Kamischli zurück.

Operationsgebiet:Im Nordosten Syriens entlang der Grenze zur Türkei, von den Kurden als Westkurdistan (Rojava) bezeichnet. Umfasst die drei selbstverwalteten Kantone Cizire, Kobani und Afrin, Hauptsitz ist Kamischli.

Politisches Programm:Die PYD steht der PKK nahe. Kenner der Region bezeichnen sie als syrischen PKK-Ableger, da sie 2003 auf Beschluss der PKK gegründet wurde und zunächst weniger für die Kurden in Syrien eintrat als vielmehr für PKK-Führer Öcalan und den kurdischen Nationalismus warb. Dafür wurden PYD-Anhänger vom Assad-Regime verfolgt, das von 2003 bis 2011 gute Kontakte zur Türkei unterhielt.

Die heutige Parteiführung bestreitet die Zugehörigkeit zur PKK und spricht lediglich von ideologischer Nähe. Formal zählt sich die PYD jedoch zur Union der Gemeinschaften Kurdistans, deren Vorsitzender Öcalan ist.

Nach Ausbruch der syrischen Revolution 2011 konzentrierte sich die PYD auf den Aufbau einer autonomen Verwaltung. Das Assad-Regime ließ sie gewähren unter der Auflage, die Region „ruhigzuhalten“, also Proteste und Angriffe gegen die Staatsgewalt zu unterbinden. Ab 2012 zog sich Assad schrittweise aus den Kurdengebieten zurück und die PYD füllte das Vakuum mit Kulturzentren, kurdischem Sprachunterricht, umfassenden Verwaltungsstrukturen sowie einer eigenen Miliz (den Volksverteidigungseinheiten YPG) und eigenen Sicherheitskräften (den Asajisch), die das Gewaltmonopol in Rojava für sich beanspruchen.

Im syrischen Konflikt hat sich die PYD der Inlandsoppositionsgruppe Nationales Koordinationskomitee für Demokratischen Wandel angeschlossen, die Auslandsopposition Nationale Koalition der Syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte (SOC) lehnt sie als „Erdogan-gesteuert“ ab.

Aktuelle Situation:Die PYD hat ein autoritär geführtes basisdemokratisches Einparteiensystem aufgebaut, das Dienstleistungen anbietet, Stabilität garantiert, Frauenrechte fördert (zum Beispiel durch Quoten in der Politik), die Menschen versorgt und schützt, dafür aber Loyalität erwartet und keine Fundamentalopposition duldet. Politische Gegner (zum Beispiel Mitglieder des Kurdischen Nationalrats, siehe PDK-S) und Aktivisten werden verfolgt und eingeschüchtert. Human Rights Watch kritisiert Zwangsrekrutierungen und den Einsatz von Kindersoldaten. Der 2014 eingeführte Militärdienst für die YPG hat zur Folge, dass viele junge Männer im wehrfähigen Alter (zwischen 18 und 35 Jahren) die kurdischen Gebiete verlassen.

Die De-facto Autonomie der PYD schürt unter arabischen Syrern die Angst, die Kurden wollten im Norden Syriens einen eigenen Staat errichten. Die Tatsache, dass sich die PYD generell mit dem Assad-Regime arrangiert, macht sie in den Augen mancher unter Dauerbeschuss stehender Bewohner von Aleppo, Idlib oder Daraa zu Verrätern. Aus Sicht der Menschen in Kamischli und anderen Städten im Nordosten ist das Vorgehen der PYD dagegen taktisch klug, verhindert es doch bis heute die flächendeckende Bombardierung dieser Gebiete. Davon profitieren nicht nur die dort lebenden Kurden, sondern auch Araber und andere Volksgruppen der Region sowie Zehntausende syrische Binnenvertriebene, die in den Kurdengebieten Zuflucht gefunden haben. Kristin Helberg

Name:Demokratische Partei Kurdistan (PDK-S), Syrien

Gründung:1956

Chef:Abdulhakim Baschar

Operationsgebiet:Kamischli

Politisches Programm:Die PDK-S steht Massud Barsanis Demokratischer Partei Kurdistans im Nordirak nahe. Sie wirbt für ein säkulares, demokratisches und fäderales System in Syrien und fordert Gleichberechtigung und kurdische Selbstbestimmung innerhalb eines geeinten Syriens. Die PDK-S ist die größte Partei im Kurdischen Nationalrat. In diesem schlossen sich 2012 zunächst 11, heute 14 kurdische Parteien zusammen, die zum Teil seit Jahrzehnten vom Assad-Regime verfolgt wurden.

Im November 2013 trat der Kurdische Nationalrat der Nationalen Koalition der Syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte (SOC) bei, die er jedoch für ihre Nähe zum türkischen Präsidenten Erdogan kritisiert. Das Verhältnis der Kurden zur syrischen Opposition ist generell schwierig. Denn der von der Baathpartei indoktrinierte arabische Nationalismus zeigt sich auch bei syrischen Oppositionellen, denen es schwerfällt, den Kurden als zweitgrä§ter Volksgruppe des Landes politisch entgegenzukommen. Auf der anderen Seite hegen Syriens Kurden nach Jahrzehnten der systematischen Unterdrückung und Benachteiligung Misstrauen gegenüber politischen Alternativen, die nicht ausdrücklich ihre Rechte anerkennen und garantieren.

Aktuelle Situation:Der Kurdische Nationalrat gilt als Gegengewicht zur PYD. Während die PYD den syrischen Konflikt dazu nutzt, im gesamtkurdischen Interesse mit einer weitgehenden Autonomie in Westkurdistan (Rojava) Fakten zu schaffen, stehen für den Kurdischen Nationalrat der gesamtsyrische Kampf gegen das Assad-Regime und die Einheit Syriens im Vordergrund.

Allerdings hat der Kurdische Nationalrat in den vergangenen Jahren kontinuierlich an Einfluss verloren. Verschiedene Versuche (vor allem des irakischen Kurdenführers Barsani), diese beiden wichtigsten kurdischen Akteure in Syrien (PYD und Kurdischer Nationalrat) zu einen oder zumindest zu einer konstruktiven Zusammenarbeit zu bewegen, sind bislang gescheitert. Kristin Helberg

Name:Demokratische Partei der Völker (HDP), Türkei

Gründung:Die Urpartei, deren Nachfolge die HDP heute vertritt, ist die 1990 gegründete Arbeitspartei des Volkes, HEP. Als die HEP verboten wurde, gründeten Mitglieder die DEP, aus der DEP wurde die HADEP, dann die BDP und 2012 schließlich die HDP.

Chef/in:Anwalt Selahattin Demirtas, 42. Obwohl Demirtas für die HDP 2014 als Präsidentschaftskandidat und auch bei der Parlamentswahl im Juni 2015 als Spitzenkandidat der Partei antrat, ist er nicht der alleinige Vorsitzende der HDP. Die Partei hat wie die deutschen Grünen eine Doppelspitze. Gemeinsam mit Demirtas führt Figen Yüksekdag die HDP. Yüksekdag ist eine Frauenrechtlerin, die von 2010 bis 2014 Vorsitzende der Sozialistischen Partei der Unterdrückten (ESP) war, eine Formation die mit der HDP assoziiert ist.

Politisches Programm:Die derzeit wichtigste legale politische Partei der Kurden in der Türkei ist die zeitlich letzte in einer ganzen Reihe kurdischer Parteien, die sich bemühen, die Interessen der kurdischen Minderheit in der Türkei auf legalem, demokratischem Weg zu vertreten. Ihr gemeinsames Merkmal ist eine gewisse politische Nähe zur PKK, weshalb sie vom türkischen Staat immer als Tarnorganisationen der PKK bezeichnet und mehrfach verboten wurde. Trotz und wegen ihres Erfolges versucht die Regierung, der HDP den Terroristenstempel aufzudrücken.

Operationsgebiet:Trotz permanenter Verbote, Verhaftungen und Kriminalisierung erzielten sie Wahlerfolge. Erstmals 1999 gelang es der damaligen HADEP, bei Kommunalwahlen 37 Bürgermeisterämter zu erobern, darunter die wichtige Großstadt Diyarbakir. Da es den Parteien über viele Jahre nicht gelang, die seit 1982 in der Türkei geltende 10-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament zu überspringen, kandidierten Vertreter der jeweils gerade aktiven Partei als unabhängige Einzelkandidaten, wodurch es bei den Wahlen 2011 immerhin gelang, mehr als 30 Personen ins Parlament zu bringen.

Aktuelle Situation:Während frühere Versuche der kurdischen Parteien, auch im Westen des Landes Stimmen zu gewinnen, immer misslangen, ist es der HDP jetzt erstmals gelungen, den ethnischen Rahmen zu sprengen und neben den Kurden auch viele türkische Linke zu integrieren. Das war einer der Gründe, warum die HDP im Juni dieses Jahres als erste kurdische Partei ins Parlament einzog. Die regierende AKP verlor ihre absolute Mehrheit im Parlament, weswegen Staatspräsident Erdogan seitdem auf Neuwahlen setzt, die nun voraussichtlich im November stattfinden. Hauptziel Erdogans und der AKP-Führung ist es, die HDP wieder aus dem Parlament herauszudrängen und ihre absolute Mehrheit zurückzuerobern. Jürgen Gottschlich

Name:Partei für ein freies Leben in Kurdistan (PJAK), Iran

Gründung:4. April 2004 als iranischer Ableger der türkisch-kurdischen PKK in den Kandil-Bergen im Nordirak am Geburtstag von PKK-Chef Abdullah Öcalan. Ehemaligen Gründungsmitgliedern zufolge geht ihre Geschichte aber bereits auf eine studentische Menschenrechtsgruppe Ende der 1990er Jahre zurück. Konkurrenten werfen der PJAK vor, „Eindringlinge“ zu sein, weil sie von einer türkischen Organisation gegründet wurde. Die PJAK ist wie alle kurdischen Parteien im Iran verboten.

Chef/in:Wie andere PKK-Ableger auch, hat die PJAK eine eigene Führung und eine Doppelspitze. Abdulrahman Haji Ahmadi, der 1941 geboren wurde, Agrartechnik studiert hat und in Köln lebt, wurde 2014 Evindar Renas an die Seite gestellt. Sie hält sich im Grenzgebiet zwischen der Türkei, Iran und Irak auf.

Operationsgebiet:Das eigentliche Operationsgebiet der PJAK ist Rojhalat oder Ostkurdistan, der Name für die kurdischen Gebiete im Iran. Die PJAK, obgleich vergleichsweise jung, ist heute die wichtigste iranische Kurdenorganisation. Sie hatte nach ihrer Gründung Zustrom von jungen Leuten, die von den anderen iranischen Organisationen enttäuscht waren. Nach eigenen Angaben verfügt die PJAK über mehrere tausend Kämpfer, gelegentlich wird die Zahl 3.000 genannt, die Hälfte von ihnen sollen Frauen sein. In ihren ersten Jahren hat die PJAK immer wieder iranische Grenzbeamte und Soldaten angegriffen; zahlreiche ihrer Kämpfer wurden festgenommen, einige hingerichtet. Nach einer Offensive der iranischen Armee mit Hunderten von Toten musste die PJAK 2011 einem Waffenstillstand zustimmen. Sie zog sich daraufhin in die Kandil-Berge zurück, wo auch die PKK ihr Quartier hat.

Politisches Programm:Die PJAK setzt sich für eine autonome kurdische Region im Iran und Selbstbestimmung für die anderen nationalen Minderheiten im Land ein. 2014 gründete sie die Freie und demokratische Gesellschaft von Rojehelat (KODAR), die sich an alle Menschen in Iranisch-Kurdistan richtet.

Aktuelle Situation:Abgesehen von gelegentlichen Angriffen im Iran, die von der Regierung in Teheran meist abgestritten werden, sind die Kämpfer der PJAK heute vornehmlich im Irak und in Syrien im Einsatz. So haben sie am Kampf gegen den IS im Sindschar-Gebirge im Nordirak und um die syrische Stadt Kobani teilgenommen. Beate Seel

Name:Bewegung für den Wechsel (Goran), Irak

Gründung:Im Jahr 2009 in Suleimania. Die jüngste der vielen kurdischen Parteien im Irak, darunter auch einflussreiche islamistische Gruppierungen.

Chef:Nawshirwan Mustafa

Politisches Programm:Frustriert über den Kurs der PUK hatten sich 2006 Nawshirwan Mustafa und andere führende Mitglieder aus der Partei zurückgezogen. Wenige Monate vor den Wahlen zum kurdischen Regionalparlament riefen Mustafa und Gleichgesinnte die Bewegung für den Wechsel (Goran) ins Leben. Mit den Forderungen nach einem Ende des Machtduopols von KDP und PUK, deren Klientelismus und ihren undurchsichtigen Ölgeschäften sowie der Kampfansage an die grassierende Korruption rannte Goran vor allem bei der Jugend offene Türen ein. Allerdings ist die Bewegung nicht weniger nationalistisch als andere kurdische Parteien, so fordert auch sie den Anschluss der umstrittenen Erdälstadt Kirkuk an Kurdistan. Ihren Erfolg verdankt die Bewegung zum einen dem Ruhm ihres Chefs Mustafa als Peschmerga-Kommandant, zum anderen ihrem Eintreten für eine pluralistische Demokratie nach westlichem Vorbild. Dabei brachen Goran-Abgeordnete im Parlament in Bagdad auch mit den eigenen kurdischen Reihen und stimmten mit arabischen Parteien.

Operationsgebiet:Auf Anhieb holte die Bewegung - Goran ist bis heute offiziell keine Partei - in den Wahlen 22 Prozent der Stimmen und überflügelte die PUK in ihrer alten Hochburg Suleimania. Fortan verlegte sich Goran auf Opposition. In gewisser Weise spiegelt der Erfolg von Goran den kulturellen Konflikt zwischen dem relativ progressiven Suleimania, wo traditionell das intellektuelle Herz von Irakisch-Kurdistan schlägt, und dem überwiegend stark konservativen Rest des Landes.

Aktuelle Situation:Der Kampf gegen die Extremisten des IS hat zu einer erneuten Annäherung an die PUK, aber auch an Teheran geführt. Seit der Wahl von 2013 ist Goran Teil einer Allparteienregierung. Die Koalition steht jedoch auf wackligen Beinen. Aufseiten von Goran wächst die Frustration, weil Regionalpräsident Massud Barsani im Alleingang regiert. Inga Rogg

Name:Patriotische Union Kurdistans (PUK), Irak

Gründung:1. Juni 1975. Sie ging aus Gruppierungen nationalistischer und linker irakischer Kurden hervor. Stärkste Fraktion war die marxistische Komala unter Führung von Nawshirwan Mustafa.

Chef:Rechtsanwalt Dschalal Talabani, der als Einziger die verschiedenen Strämungen unter einen Hut bringen konnte. Er hatte sich bereits in den sechziger Jahren, als er noch der KDP-Führung angehärte, als gewiefter Taktierer erwiesen. Während er sich vor allem um die außenpolitischen Beziehungen kümmerte, überließ er den Aufbau der Peschmerga (kurdische Kämpfer) dem Komala-Chef.

Operationsgebiet:Ihre Hochburgen hat die PUK in den Gebieten um Suleimania und Kirkuk sowie entlang der Grenze zum Iran. Dort führte sie in den achtziger Jahren auch den Aufstand gegen das Regime in Bagdad an und eroberte weite Landstriche, so wie die KDP in ihren traditionellen Hochburgen entlang der Grenze zur Türkei. Beide Parteien sicherten sich im Iran-Irak-Krieg die Unterstützung aus Teheran. Den Preis dafür zahlte die kurdische Zivilbevälkerung. Das Saddam-Regime rächte sich mit dem Einsatz von Giftgas, zerstärte Tausende von Därfern, deportierte und ermordete Zehntausende Kurden.

Politisches Programm:Die PUK fordert offiziell keinen unabhängigen Staat. Sie bezeichnet sich seit 1992 als sozialdemokratische Partei, die für Demokratie, Menschenrechte und freie Marktwirtschaft eintritt. Tatsächlich ist sie ähnlich wie die KDP eher ein Familienunternehmen. Talabanis Schwager ist heute Präsident des Irak, einer seiner Sähne Vizeministerpräsident in Erbil, seine Frau Hero Ibrahim Ahmed führt ein eigenes Medienimperium. Wie in den KDP-Gebieten kann auch in den PUK-Gebieten heute kein Geschäft abgeschlossen werden, ohne dass führende Partei- und Familienmitglieder ihren Anteil bekommen.

Aktuelle Situation:Nach dem Sturz Saddams arrangierten sich Barsani und Talabani und teilten die wichtigsten Posten unter sich auf. Talabani wurde als erster Kurde Präsident des Irak. Sein Schlaganfall im Dezember 2011 stürzte die PUK in die Krise. Zwischen Mitgliedern der Familie und einigen Urgesteinen der PUK tobt ein erbitterter Machtkampf. Bei den letzten Regionalwahlen 2013 wurde sie mit knapp 18 Prozent nur noch drittstärkste Kraft. Inga Rogg

Name:Demokratische Partei Kurdistans (KDP), Irak

Gründung: Der Ursprung der irakischen Demokratischen Partei Kurdistans liegt im iranischen Mahabad. Nach einem gescheiterten Aufstand floh Stammesführer Mustafa Barsani 1945 mit seinen Kämpfern aus dem Nordirak nach Iran, wo er Verteidigungsminister der Ende 1945 ausgerufenen kurdischen Republik Mahabad wurde. Politische Zerwürfnisse mit der iranisch-kurdischen Führung führten wenig später zur Gründung der eigenen Partei.

Chef:Massud Barsani, seit 1979 Vorsitzender der KDP, seit 2005 Präsident der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak

Politisches Programm:Im Gegensatz zu anderen kurdischen Parteien forderte die KDP keinen unabhängigen Staat, sondern Autonomie innerhalb der Grenzen des Irak. Flügel- und Machtkämpfe, die sich an der Rolle des auf dem ersten Parteitag am 16. August 1946 in Bagdad gewählten Präsidenten Mustafa Barsani und seiner Familie entzündeten, führten in den folgenden Jahrzehnten zu Abspaltungen. Aufständen folgten Bündnisse mit den irakischen Regierungen, die allerdings nie lange dauerten. Zwar erreichte die KDP, dass auf Kurdisch unterrichtet und publiziert werden konnte, eine Autonomie erreichte sie aber erst 1970.

Operationsgebiet:Die drei Provinzen Dohuk, Erbil und Suleimania wurden zum Autonomiegebiet mit Erbil als Hauptstadt, wirkliche Befugnisse hatte das kurdische Parlament nie. Vier Jahre später begann Barsani einen neuen Aufstand, der aber bereits ein Jahr später zusammenbrach, als Washington und Teheran Barsani die Unterstützung entzogen. Zehntausende von Kurden flohen, die KDP erholte sich erst Jahre später von der Niederlage. Nach Barsanis Tod 1979 übernahm sein Sohn Idris die KDP-Führung. Seit dessen Tod acht Jahre später ist der heute 69-jährige Massud Barsani Parteichef. Im Schatten des Iran-Irak-Kriegs griff die KDP erneut zu den Waffen, aus Rache ließ das Regime von Saddam Hussein 1983 Tausende Angehörige des Barsani-Stamms ermorden. Nach dem Golfkrieg 1991 stand Barsani vor seinem größten Erfolg, als die Alliierten im Nordirak eine Schutzzone ausriefen und eine Flugverbotszone verhängten. Doch bald schon verstrickte sich Barsani mit seinem Dauerrivalen Dschalal Talabani in einen jahrelangen Bürgerkrieg mit Tausenden Toten. Nach dem Sturz Saddams im April 2003 rauften sich beide zusammen und setzten in der neuen irakischen Verfassung die Gründung der Region Kurdistan durch. Ihre Grenzen sind fast identisch mit dem alten Autonomiegebiet. Sie hat eine Regierung, Parlament und eigene Sicherheitskräfte und betreibt auch eine eigene Ölpolitik. Bagdad hat hier nichts mehr zu sagen.

Aktuelle Situation:Bei den letzten Regionalwahlen im September 2013 wurde die KDP mit knapp 38 Prozent stärkste Partei. Die alten innerkurdischen Dispute sind aber nach wie vor ungelöst. Inga Rogg