Nordirland Die Mehrparteienregierung droht zu platzen. Offizieller Grund ist ein Mord der IRA
: Beiseitegetreten

Peter Robinson nach der Pressekonferenz Foto: Peter Morrison/ap

Aus Dublin Ralf Sotscheck

Nordirland steckt wieder in der Krise. Diesmal scheint es jedoch ernster als alle anderen Krisen seit der Unterzeichnung des Belfaster Abkommens am Karfreitag 1998, in dem eine Mehrparteienregierung festgelegt wurde. Dieser Regierung droht nun der Zusammenbruch.

Premier Peter Robinson von der Democratic Unionist Party (DUP) trat am Donnerstagabend „beiseite“. Diese Formulierung ist wichtig, denn wäre Robinson offiziell zurückgetreten, hätten Regierung und Regionalparlament aufgelöst und Neuwahlen ausgeschrieben werden müssen. Die anderen DUP-Minister räumten ebenso ihre Stühle – bis auf Justizministerin Arlene Foster. Sie führt die Regierungsgeschäfte kommissarisch. Dadurch kann sie Sitzungen des Regionalparlaments verhindern und Gelder an die anderen Parteien, die in der Regierung verblieben sind, zurückhalten.

Offizieller Grund für die Krise ist ein Mord, der angeblich von der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) verübt wurde. Im August wurde das ehemalige IRA-Mitglied Kevin McGui­gan in Belfast erschossen. Der Mord war offenbar ein Racheakt: McGuigan war Hauptverdächtiger für die Erschießung des IRA-Kommandanten Gerard Davison im April. Der soll vor gut zehn Jahren angeordnet haben, McGuigan wegen Drogengeschäften mit einem Knieschuss zu bestrafen.

Die nordirische Polizei erklärte, dass IRA-Mitglieder zwar für den Mord an McGuigan verantwortlich seien, die Tat aber nicht von der IRA-Führung abgesegnet worden sei. Die IRA und Sinn Féin, ihr früherer politischer Flügel, stehen hinter dem Friedensprozess, fügte ein Polizeisprecher hinzu.

Robinson sieht das anders. Er sagte, die Existenz der IRA, die sich angeblich vor zehn Jahren aufgelöst und ihre Waffen vernichtet hatte, sowie die Tatsache, dass Sinn Féin mit einem Mord in Verbindung gebracht werde, seien inakzeptabel. Man könne nicht weitermachen, als ob nichts passiert sei. Die drei Sinn-Féin-Mitglieder, die in Zusammenhang mit dem Mord verhaftet worden waren, darunter der Nordirland-Vorsitzende Bobby Storey, wurden jedoch am Donnerstagabend ohne Anklage freigelassen.

London und Dublin beraten am Wochenende, ob die Institu­tionen in Belfast zu retten sind

Sinn Féin vermutet, dass die unionistischen Parteien den Mord an McGuigan ausnutzen, um bei den Wählern für die Regionalwahlen im Frühjahr zu punkten. Die zweite unionistische Partei, die Ulster Unionist Party (UUP), war vergangene Woche aus der Mehrparteienregierung ausgetreten und hatte die DUP dadurch unter Druck gesetzt, es ihr nachzumachen.

Die Regierung steckte aber schon vor den beiden Morden in der Krise, weil Sinn Féin die Haushaltskürzungen und die damit verbundene Schrumpfung des Sozialetats nicht akzeptierte. Die Folge war, dass man sich Anfang des Jahres nur auf einen Haushaltsplan bis Oktober einigte.

Die Regierungen in London und Dublin beraten am Wochenende, ob die Institutionen in Belfast zu retten sind oder ob London wieder die Direktherrschaft übernimmt. DUP und UUP müssten binnen einer Woche neue Minister nominieren. Andernfalls könnte das Parlament die Posten an die in der Regierung verbliebenen Parteien vergeben. Eine Regierung aus Sinn Féin, der sozialdemokratischen katholischen SDLP und der neutralen Alliance Party ohne Beteiligung einer protestantisch-unio­nistischen Partei wäre aber nicht überlebensfähig.