Schrott ist die Lösung

ENERGIE Die Stahlbranche untersucht neue Verfahren, um die Produktion energie­effizienter zu machen, aber Recycling erscheint immer noch als die beste Lösung

Die Stahlindustrie will Energie sparen. Aber der Plan hat einen Haken Foto: imagno/picture alliance

Von Bernward Janzing

FREIBURG taz | Die Stahlbranche hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis zum Jahr 2050 will sie ihre CO2-Emissionen um 50 Prozent pro Tonne Stahl reduzieren. Derzeit werden verschiedene Verfahren getestet, die den Energieverbrauch senken sollen. Doch am Ende erscheint das Recycling immer noch als die beste Lösung.

Im Stahl stecken Unmengen „grauer Energie“ – damit ist die Energie gemeint, die während des Fertigungsprozesses verbraucht wird. Für ein Kilogramm Edelstahl zum Beispiel sind bis zu 30 Kilowattstunden nötig. Klassischer Armierungsstahl liegt mit 3 bis 4 Kilowattstunden pro Kilogramm zwar deutlich niedriger, aber wegen der enormen Produktionsmengen ist der Energieverbrauch dennoch hoch.

Die europäische Industrie denkt nun über neue Verfahren nach, um die Stahlindustrie klimafreundlicher zu machen. Unter dem Namen Ulcos (Ultra-Low CO2 Steelmaking) hat eine Initiative unter der Führung von ArcelorMittal verschiedene Ideen entwickelt. Denn am Hochofen ist nicht mehr viel zu holen, das klassische Verfahren der Roheisengewinnung ist energetisch weitgehend optimiert.

Erdgas statt Koks

Eine Idee: Man könne Erdgas oder – noch besser – Wasserstoff statt Koks nutzen, um der Schmelze den Sauerstoff zu entziehen. Oder man könne das Eisen aus dem Erz durch Elektrolyse gewinnen. Allerdings kamen die meisten Verfahren nicht über Versuche im Labor hinaus. Nur eine Technik scheint interessant: Sie heißt Hisarna und kommt ohne Verkokung und Erzverdichtung aus. Dadurch sollen die CO2-Emissionen um bis zu 20 Prozent reduziert werden.

Tata Steel, der zweitgrößte Stahlproduzent in Europa, hat eine solche Anlage im niederländischen Ijmuiden bereits tageweise getestet. Im Jahr 2016 soll ein halbjähriger Langzeittest folgen, um zu prüfen, ob die Technik im Industriemaßstab nutzbar ist. Doch selbst wenn sich dieses „Schmelzreduktionsverfahren“ grundsätzlich bewähren sollte, wäre es für Deutschland keine Option: „Es kommt nur für neue Stahlwerke infrage“, sagt Clemens Schneider vom Wuppertal Institut. Bei einem Einsatz von Hisarna an den bestehenden Standorten würden die vorhandenen Kokereien, Sinteranlagen und Hochöfen überflüssig. Das sind Anlagen, die für bis zu 50 Betriebsjahre ausgelegt sind und in die zum Teil gerade erst investiert wurde.

Zudem könne die Hisarna-Technik ihren technologischen Vorteil nur dann voll ausspielen, wenn das CO2 abgetrennt werde, sagt Schneider. Und deswegen werde man die Investitionen nur dort tätigen, wo man die Option einer CO2-Endlagerung habe. Die aber ist in Deutschland hoch umstritten, weil sie das Problem nicht an der Quelle löst.

Die meisten Verfahren kamen über Versuche im Labor nicht hinaus

Nichts geht über Recycling

Damit wird deutlich, dass Roheisen auf absehbare Zeit kaum klimafreundlicher als heute zu erzeugen ist; die möglichen Energieeinsparungen liegen nach Einschätzung von Branchenkennern nur im einstelligen Pro­zentbereich. Deswegen liegt das größte Potenzial immer noch in der Erhöhung der Recyclingquote.

Denn Recyclingstahl braucht nur ein Drittel der Energie, die für die Produktion von einfachstem Stahl aus Erzen benötigt wird. Die entscheidende Frage wird also sein: Wann ist so viel Stahl auf dem Markt, dass ein Land seinen Eigenbedarf weitestgehend aus Schrott decken kann? Die Klimabilanz würde sich dann erheblich verbessern. Bei den Badischen Stahlwerken in Kehl zum Beispiel, die ausschließlich Schrott als Rohstoff nutzen, machen die Energiekosten inzwischen nur noch 11 Prozent an den Gesamtkosten der Stahlherstellung aus. Je nach herangezogener Definition ist das Stahlwerk damit nicht einmal mehr ein energieintensiver Betrieb.

Beim Thema Effizienz setzen die Kehler auf eine ganz schlichte Erkenntnis: Die meiste Energie lässt sich sparen, wenn man den Fertigungsprozess so abstimmt, dass der Stahl zwischen den Verarbeitungsschritten – vor allem zwischen der Stranggießanlage und dem Walzwerk – möglichst wenig abkühlt. Das klingt zwar alles reichlich unspektakulär. Ist aber im Unterschied zu den vielen Ideen im Rahmen des ­Ulcos-Projektes längst gelebte Praxis.