Erst Quote – nun Qualität

Inklusion Wie in Bremen besuchen in Schleswig-Holstein besonders viele Kinder und Jugendliche mit Behinderungen eine Regelschule – Oppositionsparteien, manche Lehrer- und Elternverbände wünschen sich ein langsameres Tempo

Es ist eine der wenigen Bildungsstatistiken, in denen Schleswig-Holstein zur Spitzengruppe gehört: Ebenso wie Bremen geht hier ein besonders hoher Anteil von Kindern und Jugendlichen mit Förderbedarf auf eine Regelschule – nur ein Drittel dieser Schülergruppe wird noch in Förderschulen unterrichtet. Schon seit den 1990er-Jahren dürfen Eltern ihre Kindern mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen, massiven Sprech- oder Lernschwächen auch auf Regelschulen schicken.

Doch diese Quote löst kaum Jubel im Land aus. CDU und FDP im Landtag, Lehrergewerkschaften und manche Elternverbände beklagen, dass das Schulsystem damit überfordert werde. Sie beklagen, dass unter dem Tempo Schüler – mit und ohne Behinderungen – leiden würden. Die Lehrer würden überfordert. Außerdem gebe es zu wenig Hilfe von Spezialisten wie Sonderpädagogen. Sie wollen entweder eine langsamere Inklusion oder mehr Personal – oder, je nach Verband, beides.

Diese Kritik scheint bei der Landesregierung angekommen zu sein. In ihrem Inklusionsbericht aus dem August des vergangenen Jahres kündigt sie an, „nun“ den Fokus auf die Qualität der inklusiven Schulung zu legen. Die Lehrer sollen besser vorbereitet werden und Inklusionsassistenten erhalten.

Auch in Bremen klagen Lehrer und ihre Gewerkschaften über zu wenig Personal, um die Integrationsaufgabe zu stemmen. Bildungsstaatsrat Gerd Rüdiger Kück räumt ein, das seine Behörde, von der hohen Akzeptanz des Inklusionsmodells bei den Eltern überrascht worden sei. „Vorreiter“ in Sachen Inklusion sei Bremen deshalb „nur auf dem Papier“, beklagen die sozialen Verbände des Stadtstaates.

Niedersachsen dagegen ist, zumindest nach Ansicht des Oldenburger Erziehungswissenschaftlers Heinrich Ricking bundesweites Schlusslicht der Inklusion. Erst seit diesem Sommer haben behinderte Kinder nun auch in den Klassen drei und sieben einen Rechtsanspruch auf gemeinsamen Unterricht. Eine Studie der Hochschule Osnabrück belegt zwar, dass die an den Schulen arbeitenden Pädagogen und Therapeuten die Inklusion im Vor- und Grundschulbereich als positiv empfinden. Doch weil viele betroffene Eltern der Inklusion kritisch gegenüberstehen, musste Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) das Inklusionstempo zuletzt drosseln, und die forcierte Auflösung von Sprach-Förderschulen bremsen. dku/ mac