Ermittlungen gegen UN-Blauhelmsoldaten: Missbrauchsvorwürfe ignoriert

Die UN wollen von Blauhelmsoldaten begangenen sexuellen Missbrauch konsequenter verfolgen. Die Mitgliedsländer ziehen nicht mit.

Mütze eines Blauhelmsoldaten. Eine Close-Up.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erhöht den Druck: Er feuerte den Leiter der Friedensmission in Zentralafrika. Foto: imago/Dean Pictures

NEW YORK ap | Ein ausländischer Soldat habe sie vergewaltigt, berichtet ein zwölfjähriges Mädchen. Der Mann war einer von vielen Soldaten, die in der Zentralafrikanischen Republik für Frieden sorgen sollen. Also stellte der Kommandeur das Kind vor ein Dutzend seiner Männer und fragte: „Kannst Du ihn identifizieren?“ Das konnte es nicht. Und damit waren die Ermittlungen wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen dann auch schon beendet.

Der Fall zeigt auf, wo die große Schwäche im Kampf gegen sexuellen Missbrauch durch Mitglieder der UN-Friedensmissionen liegen: im mangelnden Engagement der entsendenden Länder. „Natürlich hatte das Mädchen schreckliche Angst“, sagt Francoise Bouchet-Saulnier von der Organisation Ärzte ohne Grenzen über die Gegenüberstellung in der Zentralafrikanischen Republik. Ein solches Vorgehen sei kein Einzelfall.

Das Mädchen beschuldigt kein Mitglied der Blauhelme – im Land waren mehrere Friedenstruppen im Einsatz –, aber vier andere Kinder, die von Ärzte ohne Grenzen in der Hauptstadt Bangui behandelt wurden, taten dies. Der jüngste Fall wurde in der vergangenen Woche bekannt, als Amnesty International einem UN-Polizisten vorwarf, ein zwölfjähriges muslimisches Mädchen vergewaltigt zu haben. Der Polizist gehört zu einer Gruppe aus Ruanda und Kamerun.

Nach einer Serie ähnlicher Anschuldigungen feuerte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon den Leiter der Friedensmission in Zentralafrika. Er kündigte außerdem Maßnahmen an, mit denen Mitgliedsstaaten unter Druck gesetzt werden sollen, in Fällen von sexuellem Missbrauch durch ihre Soldaten zu ermitteln. So sollen unter anderem Zahlungen an die Länder für ihren Beitrag zur Friedensmission einbehalten werden.

„Zu viele Fälle werden gar nicht erst gemeldet“

Die Vereinten Nationen verfügen nicht über eigene Soldaten, mit denen sie in den Krisengebieten dieser Welt eingreifen könnten. Sie sind daher stets auf die Mitwirkung ihrer Mitglieder angewiesen. Derzeit sind 105.000 Soldaten und Polizisten im Einsatz, die mehrheitlich von Entwicklungsländern in Afrika und Südasien gestellt werden. Sie erhalten dafür 1.000 Dollar pro Soldat und Monat.

„Zu viele Fälle werden gar nicht erst gemeldet“, sagte Ban während einer Sondersitzung des Weltsicherheitsrats in der vergangenen Woche. „Zu wenige Fälle werden strafrechtlich verfolgt.“ Dieses Versagen komme einer Straffreiheit gleich. Aber viele Mitgliedsländer lassen sich nur schwer bewegen, in Fällen von sexuellem Missbrauch zu ermitteln.

In diesem Sommer meldete die interne Aufsichtsbehörde der UN, dass mehrere Länder sich nicht dazu geäußert hätten, ob sie in Fällen von mutmaßlichem sexuellen Missbrauch durch ihre Friedenssoldaten ermitteln wollten. Und das, obwohl sie aufgefordert waren, innerhalb von zehn Tagen auf eine entsprechende Anfrage zu reagieren. Bei den Ländern handelte es sich um Ruanda und Kamerun sowie Ecuador, Gambia, Guinea-Bissau, Mali, Vanuatu, Sambia, Guinea und Uganda.

Zwar hätten sich mehr Länder als zuvor um Ermittlungen bemüht, hieß es in dem Bericht der UN-Behörde. Das Vorgehen variiere jedoch stark und sei in einigen Fällen als mangelhaft zu bezeichnen. Vertreter der Friedensmissionen bezeichneten die Ermittlungen als unzuverlässig. Oft gehe es nur darum, die eigenen Leute von den Vorwürfen zu entlasten.

Oft keine strafrechtlichen Konsequenzen

In dem Bericht wurden auch die 31 Länder genannt, deren Friedenssoldaten zwischen 2010 und 2013 Fälle von sexuellem Missbrauch vorgeworfen werden. Gegen Südafrika gab es neun Vorwürfe, gegen Uruguay acht und gegen Nigeria sieben. Ein Vorwurf kann sich auch gegen mehrere Personen richten, so dass nicht klar ist, um wie viele Beschuldigte es sich handelt.

Selbst wenn die Vorwürfe bewiesen sind, zieht das oft keine strafrechtlichen Konsequenzen nach sich. Im Jahr 2013 – jüngere Daten liegen nicht vor – wurden die Soldaten oder Polizisten in ihren Heimatländern nur in gut der Hälfte der Fälle bestraft.

16 solcher Fälle wurden 2013 gemeldet. In zwölf von ihnen wurden die Männer in ihre Heimat zurückgeschickt. Dort wurden bis zum Ende des vergangenen Jahres in fünf Fällen Gefängnisstrafen verhängt, zwei Mal gab es Entlassungen aus dem Dienst und zwei Mal wurden die Beschuldigten degradiert oder suspendiert. In weiteren zwei Fällen, bei denen es um sexuellen Missbrauch von Kindern in Haiti ging, wurden Soldaten nach Hause geschickt, aber keine Bestrafung verzeichnet. Die Herkunftsländer der Soldaten wurden nicht genannt.

Kein Nachverfolgungssystem

Aus der Zentralafrikanischen Republik seien seit Einrichtung der Friedensmission im April 2014 rund ein Dutzend Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs eingegangen, teilte die Hauptabteilung für Friedensoperationen der UN in New York mit. In neun Fällen dauerten die Ermittlungen noch an. Die UN haben nach eigenen Angaben keine Möglichkeiten, jeden der mehr als 200.000 Soldaten, die jeweils sechs Monate Dienst tun, auf ein mögliches Fehlverhalten in der Vergangenheit zu überprüfen. Ein solches Nachverfolgungssystem gebe es nur für bestimmte Beamte und zivile Mitarbeiter.

Die UN haben derzeit so viele Blauhelme im Einsatz wie nie zuvor. Sie haben daher bisher gezögert, die Länder, deren Soldaten Verbrechen zur Last gelegt werden, beim Namen zu nennen. Am vergangenen Donnerstag kündigte Ban jedoch an, er werde genau das tun.

Bouchet-Saulnier von Ärzte ohne Grenzen freut sich darüber, dass die UN nun endlich mehr Druck machen wollen. Sie fordert jedoch mehr Tempo, um den Opfern schneller Gerechtigkeit verschaffen zu können. Diese seien so verzweifelt und allein, dass sie oft nicht die Kraft hätten, ihre Fälle anzuzeigen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.