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„Ihrer Zeit voraus“

Literatur Die Bibliothek Vegesack veranstaltet Lesung zur Bremer Autorin Tami Oelfken

Christine Renken

Foto: privat

47, ist Schauspielerinbeim privaten „Theater Interaktiwo“.

taz: Frau Renken, die Blumen­thaler Autorin Tami Oelfken (1888–1957) ist über die Ortsgrenze hinweg kaum bekannt – was finden Sie an ihr so spannend?

Christine Renken: Tami Oelfken war eine sehr bemerkenswerte Frau, die leider in Vergessenheit geraten ist. Das Haus links neben dem Blumenthaler Rathaus ist ihr Geburtshaus. Es wächst jedoch total zu und ist kaum noch zu erkennen – ganz sinnbildlich. Sie war die einzige Bremer Autorin, die im „Dritten Reich“ verboten wurde. Die Frau hat sich nie gescheut, Missstände anzusprechen. Sie ließ sich nie verbiegen.

Inwiefern?

Ein gutes Beispiel ist der Roman „Maddo Clüver“, der schon 1940 unter dem Titel „Tine“ erschienen ist. Darin beschreibt sie den Aufstieg Blumenthals vom Fischerdorf zum Industriestandort. Bereits da hat sie die Umweltproblematik durch die Bremer Woll-Kämmerei erkannt, deren Abwasser in die Weser geleitet worden ist. Sie hat auch nie davor zurückgeschreckt, Klarnamen zu veröffentlichen. Von der Reichsschrifttumskammer im „Dritten Reich“ wurde sie daraufhin ausgeschlossen. Es folgte ein Schreibverbot auf Lebenszeit.

Hat sie sich davon unterkriegen lassen?

Nach dem Krieg hatte sie kaum eine Möglichkeit, sich zu rehabilitieren. Viele, die damals in der Reichskulturkammer saßen, sind als unbelastet eingestuft worden und haben ihr anschließend das Leben schwer gemacht. Sie hat deshalb viel unter Pseudonymen veröffentlicht.

Oelfken war nicht nur Autorin, sondern auch Lehrerin und radikale Schulreformerin. Was hat sie ausgezeichnet?

In der Wilhelminischen Ära herrschte Zucht und Ordnung. Bei schlechtem Benehmen gab es etwas auf die Finger. Tami Oelfken hat es anders gemacht und ist schon früh auf die Bedürfnisse der Kinder eingegangen. Sie war ihrer Zeit da einfach voraus.

Wie viel davon tragen Sie heute vor?

Ich beginne mit ein paar Zitaten von ihr über sich selbst, beleuchte ihr familiäres Umfeld. Was mir besonders am Herzen liegt, ist das Buch „Fahrt durch das Chaos“. Es ist ein Tagebuch, das sie in den Jahren 1939 bis 1945 geführt hat. Liest man es, so scheint es, als würde sie mit ihm reden. Und letztendlich war es auch so: Ihre Freunde haben Deutschland verlassen, sie hatte sonst niemanden.

Interview: Laurin Meyer

„Christine Renken: Auf den Spuren von Tami Oelfken“, 11 Uhr, Stadtbibliothek Vegesack.