Berliner Szenen
: Die Spatzenfrage

Fieses Füttern

Wir gucken, wie meine Spatzen sich gar nicht wie Spatzen benehmen

Mein Besuch weist entsetzt auf den Futterplatz auf meiner Terrasse: „Ist das nicht fies?“ „Nee“, sage ich. „Sieht nur so aus.“

Er guckt mich kopfschüttelnd an, dann zurück nach draußen, zu den Piepmätzen da. Ich habe das Vogelhaus auf den Boden gestellt , anstatt es in den Baum zu hängen, und das so nah an der Terrassentür, dass meine Katzen in zwei Sprüngen Spatzen im Maul haben könnten. Schon klar, dass das als fies ausgelegt werden kann. Ist es aber nicht. Meine Katzen wissen nicht, wie das geht mit dem Jagen; sie sind an Sachen gewöhnt, die hin und her gewedelt werden, direkt vor ihren Nasen, geduldig, stundenlang. Die Vögel draußen wedeln aber nicht. Sie hüpfen und fliegen, und wenn meine Katzen sich nähern, dann hüpfen und fliegen sie einfach weg.

„Nee“, sage ich also noch mal. „Der Eindruck täuscht.“ – „Aha.“ Mein Besuch runzelt die Stirn. „Wusstest du, dass Spatzen am Aussterben sind? Steht sogar im Internet. Immer weniger gibt’s.“ „Echt?“, frage ich und fühle mich plötzlich doch voll schuldig. „Weniger Spatzen.“ Ich atme tief durch, dann steh ich auf. „Ich muss dir mal was zeigen“, sag ich und gehe raus, hänge’ne frische Meisenkugel dort an den Baum. „Guck mal.“

Wir gucken. Ganz fasziniert schauen wir zu, wie meine Spatzen sich gar nicht wie Spatzen benehmen.

„Ich dachte, die können das nicht“, sagt mein Besuch. „Sich so drankrallen an Kugeln und kopfüber fressen.“ „Meine schon“, sage ich und bin kurz stolz, dann aber doch wieder besorgt. „Sind das denn jetzt noch Spatzen, so wie die da hängen? Weil, wenn nicht“, ich seufze, „dann bin ich ja doch mit dran schuld, dass es immer weniger gibt.“ „Klar sind das noch Spatzen“, sagt mein Besuch. „Obwohl“, er überlegt, „sieht schon ziemlich wie Meisen aus.“ – „Ach, komm.“ – „Na doch.“ Er schaut mich an. „Aber weißte was? Wenn du den Futterplatz da richtig weit weg von den Katzen machst, gleicht sich das wieder aus.“ Joey Juschka