Eine gute Serie aus Deutschland?
: Ein Hinweis auf die „Deichbullen“

Es passiert nicht viel, von Folge zu Folge wird es abgedrehter

Alle Welt redet eine Weile schon über tolle Serien. Im deutschen Fernsehen ist nur wenig davon angekommen. Wahrscheinlich ist es zu schwerfällig. Bis eine gute Idee verwirklicht ist, ist sie schon alt.

Zunächst hatten der Produzent und Kameramann Michael Söth und sein Team darüber nachgedacht, „Deichbullen“ zusammen mit dem NDR zu produzieren. Weil das zu lang gedauert hätte und man keine Lust hatte, sich reinreden zu lassen, entschied man sich, die komö­diantische Mystery-Krimi-Serie allein zu stemmen und jede Woche zwei Folgen im Internet zu veröffentlichen. „Armut frei. Wie früher. Das find ich ganz gut“, sagt Rev. Christian Dabeler, der in „Deichbullen“ Hartmut Paulsen spielt, einen leicht depressiv und zugleich komisch wirkenden Kommissar in der Lebensmitte.

Der Musiker und Darsteller Rev. Christian Dabeler ist u. a. durch seine Zusammenarbeit mit Rocko Schamoni berühmt geworden. Die auf Super 8 gedrehten „Rollo Aller“-Filme (Regie Henning Peschel) sind Kult. Im für „Rollo Aller“ komponierten Song der Goldenen Zitronen hieß es noch halb ironisch „Gegen den Staat, denn ich bin gut drauf“. In „Deichbullen“ bemühen sich die beiden angeschlagenen Kommissare Klaus Kante (René Chambalu) und Hartmut Paulsen (Rev Dabeler), auch in Kollmar das Grundgesetz durchzusetzen.

Kollmar ist ein properes 1.600-Einwohner-Städtchen an der Elbe. Kante, früher Davidswache, Drogendezernat, und Paulsen, eher stilles Wasser und Sachbearbeiter, sind in die Provinz versetzt worden. Die ersten Folgen der in einer Woche gedrehten ersten Staffel beeindrucken u. a. durch die Lakonie der ständig rauchenden Kommissare – Klaus Kante sieht Kollmar und sagt „Scheiße“ – und durch liebevolle Ausstattung.

Das Dienstfahrzeug ist ein Volvo 180 ES (Schneewittchen­sarg) von 1972. Das Häuschen, in dem die Kriminalisten untergebracht sind, ist der Albtraum von einem Musterhaus. Die kühlen Frauen, die sie begrüßen, erinnern an die Arbeitsweltfilme von Haroun Farocki. Die geheimnisvolle Frau, die vor dem Polizeirevier steht und die Geste des Halsabschneidens macht, lässt an „Twin Peaks“ denken. Es passiert nicht so viel, und von Folge zu Folge wird es abgedrehter. Als Zuschauer spürt man die Freude der Macher und der mitwirkenden Einwohner aus Kollmar und vergisst fast, dass die einzelnen Folgen kaum länger als vier Minuten sind. Dass es Michael Söth gelingt, sich in einem so kleinen Format Zeit zu lassen für Blicke, Gesichter, Landschaften, das Nachklingen lakonischer Sätze, ist bewundernswert. Detlef Kuhlbrodt

Auf YouTube jeden Samstag zwei neue Folgen