Analog? Digital? Egal!

Ein guter Fotograf braucht nach wie vor einen geschulten Blick. Die digitale Ausrüstung ist demgegenüber zweitrangig. Dennoch hat der technische Fortschritt den Arbeitsalltag stark verändert

Egal ob analog oder digital: Fotografieren heißt Arbeiten mit Licht und Menschen

VON VERENA MÖRATH

Der Franzose Louis Daguerre ahnte 1839 nicht, dass sein Experiment mit Jod- und Quecksilberdämpfen und mit versilberten Metallplatten den Grundstein legte für die rasante Entwicklung der Fotografie. Er konnte auch nicht wissen, dass anderthalb Jahrhunderte später keine chemischen Verfahren mehr nötig sein würden, um ein Foto gleich millionenfach in die weite Welt zu entlassen. Würde es ihm gefallen? Keiner weiß es. Aber die Debatte darüber, welche die „bessere“ und gar „ehrlichere“ Fotografie ist, die analoge oder die digitale, lässt nicht nach.

Währenddessen fotografiert die Masse fröhlich vor sich hin, und fast jeder glaubt, er könne dies mithilfe perfektionierter Technik so gut wie ein Profi. Trotz dieser Entwertung von „guten“ Bildern als exklusives Produkt von Berufsfotografen ist es für viele junge Leute immer noch erstrebenswert, Lichtbildner zu werden. Die Realität: Nur 15 Prozent der jungen Fotografen finden auf die Dauer eine Perspektive in ihrem Beruf, schätzen Experten. Aber die Aussicht, berühmt zu werden, wenigstens als Voyeur in der ersten Reihe zu sitzen, ist zu verlockend. Die große Frage ist nur, wie.

Rüdiger Schrader, Fotochef von Focus, glaubt nicht an einen Königsweg: „Viele, die eine aufwändige Ausbildung machen, werden keine Fotografen. Viele Autodidakten, die einfach anfangen zu fotografieren, sind erfolgreich.“ Er rät, vor allem wenn man bildjournalistisch arbeiten möchte, die Kamera in die Hand zu nehmen, den eigenen Stil zu finden und seine Bilder an die richtigen Leute zu bringen. „Wir geben Newcomern eine Chance, die den Eindruck erwecken, dass sie Aufträge bewältigen und gute Bilder liefern.“ Ein anerkannter Abschluss sei da Nebensache, ebenso ob die Fotos digital oder analog entstanden seien. „Hauptsache. die Bildredaktion bekommt sie in guter Qualität und rechtzeitig“, beschreibt Schrader das Alltagsgeschäft in der Pressefotografie.

Oliver Möst, freier Fotograf im Foen x Photostudio in Berlin, glaubt, dass die Qualität der Bilder in den Massenmedien durch die Beschleunigung der digitalen Fotografie schlechter geworden sei, „weil heute nicht mehr das ausgewählt wird, was am besten, sondern das, was am schnellsten verfügbar ist.“ Dennoch nutzt er, der in seiner künstlerischen wie auch in seiner kommerziellen Arbeit die analoge Technik eindeutig favorisiert, auch digitale Verfahren. Wie viele andere Fotografen scannt Oliver Möst seine Negative ein, korrigiert Prints am Bildschirm und vervielfältigt Bilder nicht nur im Labor, sondern auf seiner Computerfestplatte.

„Digitale Technik ist für mich nur ein weiteres Instrument, keine Frage des Entweder-oder“, erklärt Möst. „Egal ob mit analoger oder digitaler Kamera, ist das Fotografieren immer noch das Arbeiten mit Licht und mit Menschen.“ Einsteigern rät er zunächst zu einem Praktikum, um den Fotografenalltag kennen zu lernen, eben auch unliebsame Dinge wie Selbstvermarktung und Akquise oder Umgang mit Kunden. Die Praxiserfahrung vorab diene darüber hinaus auch der eigenen Orientierung: Welcher Bereich der Fotografie liegt einem, welcher nicht? Dann fällt eine Entscheidung leichter, welcher Ausbildungsweg – ob Lehre, Schule oder Studium und mit welcher Spezialisierung – die richtige Wahl ist.

Unter den vielen bundesweit möglichen Ausbildungsstätten für Fotografen hat sich Anfang dieses Jahres in Berlin eine besonders hervorgetan: die Ostkreuz Schule für Fotografie. Hier will man sich einzig der Ausbildung in klassischer Fotografie und in Fotojournalismus widmen. Klassik heißt aber nicht, dass digitale Fotografie ausgespart wird. Die Schüler lernen ebenso den Umgang mit alter wie mit brandneuer Fototechnik, die Weiterverarbeitung von Bildern im Labor wie am PC. „Du musst das digitale Spiel mitspielen“, schätzt Thomas Sandberg, selbst 30 Jahre lang als Bildjournalist unterwegs und heute im Zweitberuf Internetprovider für Agenturen und Fotografen, die Entwicklung im Berufsfeld Fotografie ein. „Aber dennoch wollen wir Fotografie nicht nur zu einer Nebensache unter vielen Kursinhalten machen.

„Die Ausbildung von mittelmäßigen Allroundern im Web- oder Kommunikationsdesign ist nicht unser Ziel“, erklärt Sandberg, der die Schule gemeinsam mit Werner Mahler, Mitglied der Fotografenagentur Ostkreuz, gründete. „Wir begreifen uns vor allem als eine Schule des Sehens, legen großen Wert auf Fototheorie und Bildgestaltung.“ Es zeige sich, dass den meisten Bewerbern ein grundlegendes Basiswissen über Licht- und Bildgestaltung fehle – „auch wenn viele glauben, schon alles über Fotografie zu wissen“, schmunzelt Dozent Sandberg. Am kniffligsten sei es, seinen Schülern das Verkopfte auszutreiben, ihnen die kindliche Sicht auf die Welt wieder zu eröffnen. Nur so entwickle sich mit der Zeit ein eigener Stil, glaubt Sandberg. Und dieser sei nötig, um sich aus der Masse der vielen Fotografen abzuheben.