Altersbestimmungen mit Kohlenstoff: Fossile Brennstoffe verfälschen Daten

Altersdatierungen mit der Radiokarbonmethode werden schwieriger. Der Anteil an radioaktivem C14 in der Atmosphäre verändert sich.

Hochkant aufgestellte Scheibe eines Mammutbaums

Mammutbaum im Sequoia Nationalpark: Die Jahresringe geben Auskunft über den C14-Gehalt in der Atmosphäre Foto: imago/SMID

NÜRNBERG taz | Der übermäßige Kohlendioxidausstoß durch den Menschen könnte auch für Archäologen, Kunsthistoriker und Artenschützer ungeahnte Folgen haben. Denn der durch die Verbrennung fossiler Energieträger in die Atmosphäre gelangende Kohlenstoff könnte schon bald die Altersbestimmung mit der Radiokarbonmethode (C14) unmöglich machen. Davor warnt Heather Graven, Physikerin am Imperial College London, in einem Aufsatz in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) (pdf-Datei).

Die Radiokarbonmethode macht sich zunutze, dass alle Lebewesen Kohlenstoff aus der Atmosphäre in ihre Zellen einbauen, den „normalen“ Kohlenstoff C12 und das Isotop C14 gleichermaßen, und zwar in dem Verhältnis, wie die beiden Isotope in der Atmosphäre vorkommen.

Auf rund eine Billion C12-Atome kommt ein C14-Atom. Durch den radioaktiven Zerfall verändert sich in toter organischer Materie dieses Verhältnis. Nach 5.730 Jahren ist nur noch die Hälfte des ursprünglich enthaltenen C14 vorhanden. Wenn man also die Menge des noch vorhandenen C14 in toter organischer Materie misst, lässt sich ihr Alter im Idealfall auf etwa 30 Jahre genau bestimmen.

Doch der aus den fossilen Energieträgern freigesetzte Kohlenstoff ist alt, C14 also bereits zerfallen, so Heather Graven. Das C12/C14-Verhältnis in der Atmosphäre verändert sich somit zunehmend. Jetzt lebende Organismen haben einen sehr viel geringeren Anteil an C14 in ihren Zellen als vor der Industrialisierung. Bei der Radiokarbondatierung erscheinen sie daher viel älter, als sie tatsächlich sind.

Behält der Kohlendioxid-Ausstoß sein derzeitiges Niveau, wird im Jahr 2100 frisches organisches Material den gleichen C14-Gehalt aufweisen wie eine 2.000 Jahre alte Probe. Auch die für die Datierung jungen Materials wie Elfenbein genutzte plötzliche Erhöhung des C14-Gehalts der Atmosphäre durch oberirdische Atomtests zwischen 1952 und 1962 wird laut Graven ab dem Jahr 2030 nicht mehr messbar sein. Allerdings untersuchen die Labore zu 90 Prozent archäologische Proben, die älter als 2.000 Jahre sind.

Günstig für Kunstfälscher

Bernd Kromer, ehemaliger Leiter des Klaus-Tschira-Labors in Mannheim, sieht deshalb eher ein Problem für die Kunsthistoriker: „C14-Analysen aus dem Zeitraum des letzten Jahrtausends sind bedeutsam im Fall von Authentizitätsstudien, also etwa der Frage von Fälschungen von Bildern oder Dokumenten“, sagt er. „Hier könnten im Jahr 2100 Fälscher zum Beispiel eine Holzskulptur aus einem frischen Baumabschnitt fertigen und als Mittelalter ausgeben.“

Sein Kollege Ralph Schneider von der Universität Kiel bestätigt das: „Der fossile Kohlenstoff wird in der Zukunft sicher größere Schwierigkeiten zur Datierung von Materialien der letzten 1.000 Jahre bereiten.“

Probleme gibt es aber sowieso schon: „Nach 1630 und vor 1955 kann man wegen der natürlichen Schwankungen der C14-Produktion durch die Sonnenfleckenaktivität ohnehin nicht eindeutig datieren“, sagt Kromer.

Für die von Heather Graven angesprochene Identifizierung von kürzlich gewilderten tierischen Materialien wie Elfenbein taugt die C14-Methode sowieso kaum. Doch auch für die auf diese Identifizierungshilfe angewiesenen Artenschützer gibt es Hoffnung: Dafür entwickeln Wissenschaftler vergleichbare Methoden, die statt auf Kohlenstoff- auf Strontium-Isotopen beruhen.

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