Inhaftierter Iran-Korrespondent: Unklare Vorwürfe

Der Iran-Korrespondent der Washington Post sitzt seit über einem Jahr im Gefängnis. Seine Redaktion glaubt: Er wird als Druckmittel benutzt.

ein Mann und eine Frau, um sie herum Fernsehkameras

Jason Rezaian und seine Frau Yeganeh Salehi bei einer Pressekonferenz in Teheran am 10. September 2013. Foto: dpa

WASHINGTON taz | Douglas Jehl kennt sich aus mit Ländern, in denen Pressefreiheit nicht viel zählt. 19 Jahre lang war er Reporter im Ausland, hat aus Kairo, Panama und von den Golfkriegen berichtet. Heute ist er Auslandsredakteur der Washington Post. „Dass man als Journalist für kurze Zeit festgehalten wird, ist völlig normal. Auch mir ist das schon passiert“, sagt er. Doch die Sache mit seinem Kollegen, dem Irankorrespondenten Jason Rezaian, die sei außergewöhnlich.

Jehl sitzt in seinem Büro in Washington, D. C. Der 53-Jährige koordiniert die Korrespondenten der Post und ist Rezaians direkter Vorgesetzter. „Als ich den Anruf bekam, dass Jason wahrscheinlich festgenommen wurde, haben wir versucht, über die üblichen offiziellen Kanäle eine Auskunft zu bekommen - aber niemand hat mit uns gesprochen.“ Jehl blieb optimistisch, dass der Kollege in ein paar Tagen freikommen würde – so, wie es häufig läuft. Aber es lief nicht so wie sonst. Jason sitzt noch immer im Gefängnis, seit über einem Jahr.

Niemand spricht – so lässt sich der Fall Rezaian zusammenfassen. Am 22. Juli 2014 wurde der 39-Jährige in seinem Haus in Teheran festgenommen, Mit seiner Anwältin konnte er lediglich 90 Minuten sprechen – angeblich wurde er verhört, ohne dass sie anwesend war. „Wir wussten nicht, was ihm vorgeworfen wurde“, so Jehl, „aber Jason ist ein erfahrener Journalist, und zum Zeitpunkt der Festnahme hat er nicht an einem heiklen Thema gearbeitet.“

Knapp ein Jahr später, am 26. Mai, wurde das Verfahren gegen Rezaian eröffnet. Ihm wird unter anderem Spionage vorgeworfen. Er soll über eine US-Journalistin Insiderinformationen ans Weiße Haus weitergeleitet haben, berichtet die Nachrichtenagentur dpa. Rezaian bestreitet das und sagt, er sei im Iran lediglich seiner journalistischen Arbeit nachgegangen. Die US-Regierung hat die Anklagen als absurd zurückgewiesen und die sofortige Freilassung Rezaians gefordert. Das Verfahren findet vor dem Revolutionsgericht in Teheran unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die Bitte der Washington Post, Douglas Jehl teilnehmen zu lassen, wurde abgelehnt.

„Journalisten werden zur Zielscheibe“

Sherif Mansour ist beim Committee to Protect Journalists (CPJ), einer NGO zum Schutz der Pressefreiheit, für den Mittleren Osten und Nordafrika zuständig. Auch er kennt den Fall von Jason Rezaian: „Dass die iranische Regierung Informationen zurückhält, ist nichts Neues“, sagt er. Auf der Liste der am stärksten zensierenden Länder liegt Iran auf Platz 7, geschlagen lediglich von Ländern wie Nordkorea und Saudi-Arabien. „Kein anderer US-Journalist war jemals so lange in Gewahrsam wie Jason Rezaian“, sagt Mansour.

Es gab eine Zeit, in der Journalisten von großen US-Medien eine Art Diplomatenstatus genossen, schreibt die Columbia Journalism Review. Doch der Fall Jason Rezaian ändert alles. Auch Douglas Jehl beobachtet das: „Inzwischen werden Journalisten zur Zielscheibe.“

Rezaian lebt seit 2008 im Iran, der gebürtige Kalifornier hat die doppelte Staatsbürgerschaft. Seine Frau, Yeganeh Salehi, eine Iranerin, wurde ebenfalls festgenommen. Im Oktober kam sie gegen Kaution frei.

Seine letzte Geschichte handelte von Baseball

„Jason ist einer dieser Journalisten, die eine Leidenschaft für die Menschen und das normale Leben haben“, erzählt Jehl. „Die letzte Geschichte, bevor er festgenommen wurde, handelte von Iranern, die Baseball spielen und Hamburger essen.“

Die Washington Post und seine Familie werfen dem Iran vor, Rezaian als „Schachfigur“ in den Verhandlungen um das iranische Atomprogramm zu benutzen. Da es mittlerweile eine Einigung zwischen dem Iran und dem Westen gibt, hofft Rezaians Anwältin Lejla Ahsan laut dpa, dass der Prozess bald ein Ende findet.

Sie fordert, dass ihr Mandant freigesprochen wird. „Es gibt für die Anschuldigungen an meinen Mandanten keinerlei Beweise“, sagte sie nach dem letzten Verhandlungstag Mitte Juli der Nachrichtenagentur Tasnim. Auch die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen nahm die Atom-Einigung zum Anlass, nochmals auf Rezaians Freilassung zu dringen. Wann der Prozess fortgesetzt wird, ist noch unklar.

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