Nach Gewaltserie in Nahost: Bürgerwachen gegen Siedler

Tausende Israelis demonstrieren nach der Brandstiftung in einem palästinensischen Dorf. Die Kundgebungen richteten sich gegen Gewalt und Hetze.

Während der Trauerfeier für Laith al-Khaldi in Ramallah

In Ramallah trauern palästinensische Frauen um Laith al-Khaldi. Foto: reuters

JERUSALEM taz | Das palästinensische Dorf Duma will sich künftig mit Bürgerwachen gegen Angriffe radikaler israelischer Siedler schützen. Dutzende israelische Menschenrechtsaktivisten besuchten am Sonntag das Dorf im Westjordanland. Dort starb der eineinhalbjährige Ali Dawabscheh in der Nacht zum Freitag bei einer Brandstiftung. Der Zustand seiner Eltern war an Sonntag noch kritisch. Der vierjährige Bruder ist nach Auskunft von Ärzten auf dem Weg der Besserung.

Der Brandanschlag, bei dem vermutlich zwei oder mehr extremistische Siedler Molotowcocktails durch die offenen Fenster des Hauses der Familie Dawabsche warfen, kam nur Stunden, nachdem ein ultraorthodoxer jüdischer Extremist sechs Menschen während der Jerusalemer Homosexuellenparade verletzte. Die 16jährige Schira Banki verstarb Sonntag an den Verletzungen. Am Samstagabend versammelten sich Tausende Israelis in Tel Aviv, um gegen beide Gewalttaten zu demonstrieren. Auch in Jerusalem, Haifa und Beerschewa gab es Kundgebungen.

In Tel Aviv, wo ein Onkel des ermordeten Ali von seinem Bruder und dessen Familie erzählte, trugen homosexuelle Demonstranten Handschuhe, die sie mit roter Farbe beschmierten. Mit einem Jagdmesser hatte der ultraorthodoxe Extremist Ischai Schissel wütend auf Leute während der Parade eingestochen. Er war vor wenigen Wochen aus der Haft entlassen worden. Zehn Jahre saß er hinter Gittern, weil er schon einmal drei Homosexuelle auf ihrem jährlichen „Marsch des Stolzes“ in Jerusalem mit einem Messer verletzte.

„Homophobie ist Rassismus“, stand auf einem der Protestplakate in Jerusalem, wo mehrere Rabbiner ans Mikrofon traten, um sich solidarisch mit der Homogemeinde zu zeigen und demonstrativ auf Abstand zu der Gewalttat zu gehen. Staatspräsident Reuven Rivlin, der die Opfer zuvor im Krankenhaus besucht hatte, sprach von seinem „Schock” und der „Scham” angesichts „dieser Macht des Hasses“. Mehrere Israelis schimpften Rivlin anschließend auf seiner Facebook-Seite einen „Verräter“.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete die Brandstifter von Duma als Terroristen. „Wir sind entschlossen, jede Erscheinungsform von Hass, Fanatismus und Terrorismus, egal von welcher Seite, energisch zu bekämpfen“, meinte er im Verlauf der sonntäglichen Regierungssitzung.

Die Täter hinterließen einen Davidstern an den Häuserwänden, die Aufschrift „Es lebe der König, der Messias“ und das Wort „Rache“. Dies deutet auf die extremistische Siedlergruppe „Preisschild“, die immer dann ihre „Rechnung“ präsentiert, wenn Israels Regierung gegen die jüdischen Zivilisten im Westjordanland entscheidet. Möglich ist, dass der Brandanschlag in Verbindung zum Abriss zweier Häuser in der Siedlung Beit El vergangene Woche steht.

Zu wenig Aktionen gegen jüdische Extremisten

„Die israelische Polizei muss verstehen, dass wir einen hohen Preis für jeden Zwischenfall dieser Art fordern“, zitierte die liberale Tageszeitung Ha’aretz einen „Preisschild“-Aktivisten nach der Räumung illegaler Siedlerbauten. Israelische Menschenrechtsorganisationen kritisierten wiederholt, dass Israel zu wenig gegen die jüdischen Extremisten unternehme.

In einer Pressemitteilung der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) ist von „11.000 Siedlerübergriffen seit 2004“ die Rede, die bis heute nicht aufgeklärt seien. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas nannte die Brandstiftung ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und kündigte an, den Tod Ali Dawabschehs vor den Internationalen Strafgerichtshof zu bringen.

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