„Der schnellste Weg zur Unsterblichkeit“

taz-Sommerserie Trendsportarten (5) Völkerball kennen die meisten nur als dröges Relikt aus Schulzeiten – einmal im Jahr aber findet in Berlin die Strandvölkerball-WM statt. Am kommenden Donnerstag geht’s los: Spieler Nils Blank erklärt, worum es dabei geht

„Wir persiflieren die klischeehaften Stereotype der unterschiedlichen Völker“: Nils Blank Foto: Karsten Thielker

Interview Sebastian Raviol

taz: Herr Blank, ist Völkerball nicht total out?

Nils Blank: Gegenfrage: Wer hätte gedacht, dass Oberlippenbärte und Neonfarben wieder in sein werden? Außerdem spielen wir ja auch nicht profanen Völkerball, wie ihn die meisten aus der Schule kennen. Sondern Strand- oder Beachvölkerball. Und alles, was mit Beach zu tun hat, ist sowieso schon mal ein Stück cooler als das Original.

Geht es Ihnen ums Gewinnen oder um den Spaß?

Früher ging es tatsächlich fast ausschließlich um den Spaß. Mittlerweile aber haben die meisten Teams eigene Taktiken entwickelt und schotten sich kurz vor der WM in Trainingslagern vor der Öffentlichkeit ab – als ginge es darum, einen „Geist von Malente“ zu erzeugen wie die Fußballer anno 1974. Der Titel der Strandvölkerball-WM ist einfach der schnellste Weg zur sportlichen Unsterblichkeit, was für viele Mannschaften tatsächlich ein großer Ansporn geworden ist. Der Spaß steht aber für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer immer noch über ­allem.

Was fasziniert Sie am Strandvölkerball?

Die Faszination liegt für mich vor allem darin, sich nicht ganz so ernst zu nehmen und mit all den anderen „Völkern“ und Zuschauern vier wunderbare Tage zu erleben. Außerdem ist Strandvölkerball in der Sportwelt ein absolutes Unikat. Wir spielen mit gemischten Teams: Das heißt, dass es immer vier Frauen und vier Männer auf dem Feld geben muss. Das wäre eigentlich auch mal was für Olympia. Dazu hat jede Mannschaft mittlerweile ihre eigenen Rituale, Choreografien und Songs, die immer wieder ein Highlight sind.

Ursprünglich hatte Völkerball die Symbolik eines Kriegsspiels – heute ist das Spiel der beste Weg zur Völkerverständigung?

Ganz genau. Tatsächlich war das auch einer der Beweggründe, weshalb die Strandvölkerball-WM ins Leben gerufen wurde. Die gelebte Völkerverständigung auf dem ehemaligen Todesstreifen zwischen Ost und West. Für uns gilt es ja gerade die klischeehaften Stereotype der unterschiedlichen Völker zu persiflieren. Wer sich im Sand mit weichen Bällen bewirft, hat nicht mehr viel mit Krieg am Hut.

Für wen ist Strandvölkerball geeignet?

Der ideale Strandvölkerball-Spieler ist 2,20 Meter groß, hat mit Profi-Handball aufgehört, weil’s ihm zu lasch war, ist dünn wie ein Strich in der Landschaft und verfügt über enorme Wurf-, Sprung- und Fangqualitäten. Nein, im Ernst: Strandvölkerball kann jeder spielen. Unabhängig von den eigenen Fähigkeiten ist Strandvölkerball ein klassischer Teamsport, in dem es viel mehr um Taktik geht, als möglichst viele Gegner abzuwerfen.

Welche Taktik ist die beste?

Worum geht´s? Zwei Teams versuchen, einander mit einem leichten Ball abzuwerfen. Wer getroffen wird, muss raus.

Wer ist dabei? Völkerball wird an jeder Schule gespielt. Strandvölkerball ist eine echte Rarität.

Wo geht‘s ab? Ab kommenden Donnerstag beginnt die 13. Strandvölkerball-Weltmeisterschaft am BeachMitte, Caroline-Michaelis-Straße, am Nordbahnhof. Info: www.strandvoelkerball.de

Was braucht es dafür? Viel Sand, viele Spielerinnen und Spieler (acht pro Team sind Standard).

Was bringt‘s? Spaß und san­dige Boxershorts.

Meist geht es darum, möglichst sinnvoll abzuwerfen und zu versuchen, den Ball in den eigenen Reihen zu halten. Man sollte ihn direkt an abgeworfene Mitspieler weiterleiten, damit diese sich wieder einwerfen können. Die beste Strategie ist, einen kühlen Kopf zu bewahren und sich nicht nervös machen zu lassen.

Wie sieht für Sie das perfekte Match aus?

Das ist vielleicht vergleichbar mit der Dramatik eines Fußballspiels, welches nach 120 Minuten aufs Elfmeterschießen zusteuert. Bei uns wäre das beispielsweise der Fall, wenn nach 15 Minuten – also der Regelspielzeit – das Spiel in die Verlängerung geht. Ab dann haben die jeweiligen Strohpuppen – also der oder die letzte im Feld verbleibende Spieler oder Spielerin – nur noch ein Leben und nicht mehr drei wie zuvor. Das heißt, dass der erste Treffer zum Sieg führt. Manchmal stehen sich nur noch zwei Strohpuppen auf dem Feld gegenüber und werden von außen mit Würfen geradezu bombardiert.

Welches sind Ihre Tipps für Anfängerteams?

Zugegeben, Anfänger haben es meistens schwer, aber es gibt immer wieder Neulinge, die es ziemlich weit in die Finalrunde schaffen können. Ganz wichtig ist, dass man nicht wie wild anfängt, alles, was sich bewegt, abzuwerfen, sondern dass man mit den außenstehend Mitspielern durch viele schnelle Pässe versucht, den Gegner immer in Bewegung zu halten, um dann im richtigen Moment den Abschluss zu finden. Was man unbedingt vermeiden sollte, sind Pässe quer übers Feld, da diese sehr oft beim Gegner landen. Man lernt beim Strandvölkerball sehr, sehr schnell aus seinen Fehlern.