Saubere Idee

PRIVATISIERUNG In Bremen hat das Prinzip der „netten Toilette“ die alten öffentlichen Bedürfnisanstalten abgelöst. Die Betreiber sind Wirte und Geschäftsleute, die Stadt bezahlt einen Zuschuss

von Nele Wagner

„Hier finden Sie eine nette Toilette“ – dieser Satz steht inzwischen an 91 Türen in Bremen. Meist sind es Geschäfte, Kneipen und Restaurants, die ihre Sanitäranlagen als öffentliche Toiletten zur Verfügung stellen. Von der Stadt Bremen bekommen sie dafür einen monatlichichen Zuschuss – die Höhe bemisst sich unter anderem nach der Öffnungszeit.

Eine Nutzungsprüfung vor sieben Jahren habe ergeben, dass die meisten öffentlichen Toiletten selten aufgesucht wurden, sagt Bernd Schneider von der Bremer Umweltbehörde. Einige Toiletten seien von weniger als 15 Menschen am Tag benutzt worden – viel zu wenig für die laufenden Kosten. Insgesamt 1,1 Millionen Euro jährlich habe der Betrieb der Toiletten gekostet. Die „nette Toilette“ bringe demgegenüber „deutliche finanzielle Vorteile“.

Die Idee hatte 2002 eine Agentur namens „Studioo“ aus Aalen, die mit der Stadt Aalen das Konzept entwickelte. 220 Städte in Deutschland haben die Idee mittlerweile übernommen, die sich die Agentur hat schützen lassen – die Städte müssen darum eine einmalige Nutzungsgebühr bezahlen, 2.580 Euro sind es bei über 500.000 Einwohnern.

Anfang 2011 wurde das System „nette Toilette“ erstmals in der Bremer Innenstadt ausprobiert. Ein Jahr später wurden 17 der 20 städtisch betriebenen öffentlichen Toiletten abgebaut. Die drei verbliebenen stehen an zentralen Stellen, zwei davon sind inzwischen barrierefrei.

Zu den Restaurants, die eine „nette Toilette“ anbieten, gehört das „Scharfrichter“ in der Innenstadt. Monatlich 100 Euro bekommt Inhaber Ingo Koopmann dafür von der Stadt. Seine Toilette sei schon vor der Förderung für alle zugänglich gewesen, sagt Koopmann. Durch die Förderung werde er nun finanziell entschädigt. Ein Minus mache er mit der „netten Toilette“ keinesfalls.

Den Betrieben sei es frei gestellt, ob sie für die Nutzung der „netten Toilette“ Geld nehmen, sagt Bernd Schneider von der Umweltbehörde. Man wolle so Hemmschwellen abbauen, sonst würde sich ja gar keiner mehr melden. Martin Kallenbach von der Agentur Studioo kritisiert dieses Vorgehen: „Die Idee des Konzeptes ist es nicht nur, eine angenehme öffentliche Toilette anzubieten, sie soll auch umsonst sein.“ Dafür würden die Betriebe ja von der Stadt entschädigt.

Der Inhaber eines türkischen Imbisses sagt, dass es seit der Einführung der „netten Toilette“ mehr Menschen gebe, die nur zur Toilette gingen. Koop­mann hingegen hat die Erfahrung gemacht, dass die Zahl der ToilettenbesucherInnen nicht signifikant zugenommen hat. Aber regelmäßig nutzten auch Nicht-KundInnen die Toilette. „Manche gehen jetzt einfach durch, ohne zu fragen“, so Koopmann, „daran musste ich mich erst gewöhnen.“

Anders als öffentliche Toiletten sind „nette Toiletten“ nicht ausgeschildert, sondern nur durch einen Aufkleber an der Eingangstür gekennzeichnet. Zwar gibt es auf der Internetseite der Stadt einen Stadtplan, in den die „netten Toiletten“ eingetragen sind, jedoch ist dieser nicht auf dem aktuellen Stand und müsste erneuert werden. Dabei ist die Öffentlichkeitsarbeit Voraussetzung für die Nutzung der „netten Toilette“: Wer das Konzept nicht kennt, kann die Aufkleber an der Tür schnell übersehen oder versteht sie vielleicht nicht.

In Flensburg soll es ab Anfang 2016 drei „nette Toiletten“ geben, heißt es von Seiten der Stadt. Lübeck ist schon seit fünf Jahren dabei. In Hannover stehen vier „nette Toiletten“ in der Partymeile Limmerstraße.

Hamburg habe vor ungefähr zwei Jahren ebenfalls einen Versuch unternommen, sagt Björn Marzahn von der Umweltbehörde. Die Idee sei aber bei den angesprochenen Betrieben nicht auf Gegenliebe gestoßen.