Das Medienhaus an der Rudi-Dutschke-Straße | Emsig schreibend. Gut geklickt. Und tierverliebt.

Freiraum Seit 2006 können tazlerInnen in den taz-Blogs grenzenlos schreiben – so sie es denn wollen
: Digital diversifizieren

Bloggen bis die Finger bluten: tazler bei der Schreibarbeit Foto: Karsten Thielker

von Mathias Bröckers

Die Blogs auf taz.de waren 2006 Vorreiter beim Ausbau der Webpräsenz der tageszeitung. Noch bevor sich die Online-Redaktion täglich darum kümmerte, die Inhalte der gedruckten Zeitung für das Internet aufzubereiten, war mit den taz-Blogs eine Plattform geschaffen worden, auf der Autoren und Freunde der taz aktuell und exklusiv für das Netz publizieren konnten. Ohne Redaktionsschluss und ohne Zeilenbegrenzung – für permanent von der Uhrzeit und Platzmangel gequälte Tageszeitungs­menschen eigentlich paradiesische Zustände.

Doch dass die neue Blog-Plattform nun von den taz-RedakteurInnen quasi gestürmt wurde, weil sie endlich all das, was an Recherchematerial nicht mehr in ihre Artikel passte, was als kleine Meldung aus ihrem Fachgebiet zu speziell war, um gedruckt zu werden, oder was ihnen nebenher und sonst so einfiel – dieser Ansturm blieb aus.

Von Stadtleben über Jazz, Filmen und Streetart bis zur superfeministischen, alleinerziehenden Bloggerin Jacinta, die auf englisch Liebeserklärungen an den „Gossen-Goethe“ F. J. Wagner postet, reichen die Themen der taz-Blogs. Nicht zu vergessen die epischen Erkundungen von Fauna und Flora durch den taz-Aushilfshausmeister. Das ganze Feld der digitalen Diversifizierung der taz lädt zur Besichtigung ein.

Lesen Sie los: blogs.taz.de

Der Graben zwischen Print und Digital, zwischen Holzzeitung und Internet, existierte damals auch in der für Grenzüberschreitungen eigentlich stets offenen taz. „Bloggen“, das schien für die Damen und Herren Redakteure im Haus damals irgendwie noch in den Bereich des Unanständigen zu fallen, etwas, das eher mit Hobbyismus als mit Publizistik zu tun hatte, und wenn mit Journalismus, dann mit einem zweiter oder dritter Klasse.

Dass eine Nachricht und eine Meinung, die schwarz auf weißes Papier gedruckt wird, irgendwie wertiger, wirkungsvoller und „wahrer“ sei als eine, die digital erscheint, vor diesem frommen Glauben, der vor einem Jahrzehnt noch die gesamte Branche beherrschte, war auch das etwas andere ­Medienhaus in der Rudi-Dutschke-Straße nicht gefeit. Zumindest für eine Weile, denn bald registrierten auch die Redaktionen, dass „digitale Reichweite“ ein Faktor ist und mancher Blog durchaus so viele Leser erreicht wie ein Artikel in der Zeitung.

Deshalb sind auf den taz-Blogs mittlerweile auch Redakteure vertreten (Dominic Johnson mit „Kongo-Echo“), Korrespondenten wie Karim El-Gawhari mit „Arabesken“ aus Kairo oder das „Latinorama“, in dem Gerhard Dilger und Kollegen aus Lateinamerika berichten.

Bloggen – eher Hobbyismus denn Publizistik und allenfalls Journalismus zweiter oder dritter Klasse

Dass der langjährige taz-Autor und -Aushilfshausmeister Helmut Höge gleich von Beginn an bloggte, ist indes kein Wunder – seine Artikel für die Printausgabe überragen die vorgesehene Zeilenlänge oft um ein Vielfaches. Im Blog hingegen muss nie gekürzt werden, weshalb Höge dann eben dort seine „langen Riemen“ (gefühlte Scrolllänge 1,50 Meter) platziert, etwa über „Anommatoptera hoegei“, die Gespenstschrecke.

Über das tägliche Fressen und Gefressenwerden in den Sümpfen und Wüsten der Welt bloggen die „Lesebühne“-Autoren Heiko Werning (Reptilienforscher) und Jakob Hein (Kinderpsychiater), Hans Cousto klärt in der „Drogerie“ über die legalen und illegalen Highs & Downs auf. Im Blog „Monarchie & Alltag“ serviert Christian Ihle regelmäßig aktuelle popkulturelle Betrachtungen und Musik auf die Ohren gibt’s vom Ex-taz­ler und Radiomann Detlef Berentzen als Blogger „Dr. Feelgood“.

Mathias Bröckers, Kultur­redakteur von 1980 bis 1991, berät die taz bei ihrer digitalen Entwicklung und ist seit 2006 Blogwart der taz.Blogs auf taz.de