Durchsuchungen bei Growshop-Kunden

POLIZEI Die Bremer Polizei nutzt entgegen ihrer eigenen Aussage offenbar doch die im vergangenen Jahr beschlagnahmten Kundendaten von "Udopea" für Hausdurchsuchungen

Die Beschuldigte sei „insbesondere“ aus dem Ermittlungsergebnis „gegen die Verantwortlichen der Firma Udopea und den dort aufgefundenen Bestellungen“ verdächtig

Vor kurzem bekam Sophia Winterberg* ungebetenen Besuch: Sechs PolizeibeamtInnen durchsuchten ihre Wohnung nach „illegalen Substanzen“. Sie fanden zwei kleine Cannabispflanzen und beschlagnahmten sie. Die Begründung für die Durchsuchung: Vor zwei Jahren hatte Winterberg ein Vorschaltgerät aus dem Online-Shop von „Udopea“ bestellt – völlig legal.

Winterberg wird laut Durchsuchungsbefehl wegen dieses Kaufs verdächtigt, in ihrer Wohnung „seit mindestens November 2011“ Cannabis anzubauen. Die Beschuldigte sei, heißt es dort, „insbesondere“ aus dem Ermittlungsergebnis „gegen die Verantwortlichen der Firma Udopea und den dort aufgefundenen Bestellungen“ verdächtig, in ihrer Wohnung „mithilfe eines dort 2013 erworbenen Vorschaltgerätes“ Cannabis anzubauen.

Der Growshop „Udopea“ existiert seit 1981 an der Sielwallkreuzung im Viertel und bietet verschiedene Utensilien zum Anbau sowie Konsum von Cannabis und Kräutern an, die auch online bestellt werden können. Seit Jahren ist das Geschäft ein Dorn im Auge der Polizei: Im Juni 2014 kam es zu dort einer Razzia, die Wohnungen der Geschäftsinhaber wurden ebenfalls durchsucht. Der Vorwurf beinhaltete den Verdacht auf geschäftliche Tätigkeiten mit Cannabis.

Wenige Wochen später wurde Udopea vom Gewerbeamt gezwungen, das Geschäft sowie den Online-Shop „zum Schutz der Allgemeinheit“ zu schließen. Nach zwei Wochen wurde die Aussetzung aufgehoben, Udopea durfte wieder öffnen.

Seither allerdings werden die KundInnen von Udopea, deren Daten die Polizei bei der Razzia beschlagnahmte, verstärkt ins Visier genommen und verdächtigt, illegal Cannabis anzubauen. Die Polizei versuche, durch KundInnendaten an „Homegrown“-Plantagen heranzukommen, was ansonsten sehr schwer zu bewältigen sei, meinen Mitarbeiter von Udopea – und das nicht erst seit gestern: Mit diesem Vorwurf hatte die taz bereits im August vergangenen Jahres die Bremer Polizei konfrontiert. Die allerdings bestritt, Kundendaten für Hausdurchsuchungen zu verwenden. Vielmehr seien Sonderausbildungen der BeamtInnen und eine höhere Sensibilität gegenüber Hinweisen wie verklebten Fenstern oder auffälligen Gerüchen Gründe für eine Häufung der Durchsuchungen.

Sophia Winterbergs Fall beweist das Gegenteil. Sie hat juristische Schritte gegen die Polizei unternommen. Ihr Anwalt hat zunächst Akteneinsicht gefordert und eine Beschwerde eingeleitet. Die Polizei habe „unerlaubterweise Kundendaten mitgenommen“, sagt sie.

Auch weitere Betroffene wehren sich juristisch gegen die Maßnahmen, erzählt Hüseyin Beypinar-Ehlerding, Geschäftsführer von Udopea. Er spricht von der „Kriminalisierung von Steuerzahlern“. Durch die „willkürlichen Vorwürfe“ und Hausdurchsuchungen würden die „Grundrechte des deutschen Rechtsstaats mit Füßen getreten.“ Bei den meisten Razzien wären nur drei bis sechs Cannabispflanzen entdeckt worden, in vielen Fällen habe die Polizei gar nichts finden können, so Beypinar-Ehlerding. Zusammenfassend konstatiert er: „Es ist ein absoluter Skandal!“ Thomas Kreutz

* Name geändert