Diskriminierung: Ankunft mit Nebenwirkungen

Die Hamburger Linke macht auf die Diskriminierung queerer Flüchtlinge in den Unterkünften aufmerksam und fordert sicheren Wohnraum.

Auf den ersten Blick sicher, aber nicht diskriminierungsfrei: Flüchtlingsunterkunft in Hamburg. Foto: dpa

HAMBURG taz | Nach Deutschland geflohen und doch nicht zur Ruhe gekommen – das ist das Problem sogenannter LSBTI –, also homo-, trans- und intersexueller Flüchtlinge, auf das die Hamburger Linke aufmerksam machen will. Denn die Flüchtlinge leiden laut Martin Dolzer, Sprecher der Linksfraktion für Queer-Themen, oft auch noch innerhalb der Unterkünfte unter Diskriminierung. „Die Betroffenen sind zusätzlich zu ihrer ohnehin schon degradierenden Situation mit homophoben Mitbewohnern konfrontiert. Zudem sind die Mitarbeiter in den Behörden meist nicht für das Thema sensibilisiert“, sagt Dolzer.

René Mertens vom Lesben- und Schwulenverband bestätigt die Thesen der Linken. Bei seinem Verband meldeten sich immer mehr homosexuelle Flüchtlinge, die sich in ihrer Unterkunft diskriminiert fühlten: „Viele haben mit homophoben Angriffen unter den Mitbewohnern zu kämpfen. Oft kommen die aus Gesellschaften, in denen das völlig legitim ist.“

Viele der Flüchtlinge haben Mertens zufolge großes Misstrauen gegenüber den Mitarbeitern, da sie in ihrer Heimat schon negative Erfahrungen mit homophoben Behörden gemacht hätten. Zudem zeigten viele MitarbeiterInnen wenig Verständnis für die Problematik: „Die fragen sich dann, warum outet der sich überhaupt?“, gibt Mertens ihre Argumentation wieder.

Doch Flüchtlinge, insbesondere solche, deren Homosexualität ihr Hauptfluchtgrund ist, müssen sich bei ihrer Registrierung durch die Angabe ihres Fluchtgrundes outen. „Vielen fehlt dazu jedoch der Mut“, so Mertens. Wenn sie sich erst beim zweiten oder dritten Gespräch outeten, erschienen sie den Behörden aber unglaubwürdig.

In vielen Ländern, auch in Europa, steht Homosexualität unter Strafe oder wird gesellschaftlich geächtet. Sogenannte LSBTI- Flüchtlinge stoßen deshalb oft auch in ihrem Zufluchtsland auf Diskriminierung.

Wenn Flüchtlinge im Zufluchtsland nicht sicher sind, sieht die UNHCR eine Umsiedlung in ein sicheres Drittland vor. Dieses sogenannte „Resettlement-Programm“ wird auch von der Bundesregierung unterstützt.

Seit 2012 nahm Deutschland 912 Personen im Rahmen des Ressettlement-Programms auf.

Nur drei davon waren offiziell wegen ihrer Homosexualität geflohen. Die Regierung schätzt die Zahl deutlich höher.

Unter den Mitbewohnern fällt es den Betroffenen oft schwer, sich bedeckt zu halten. Nicht nur ist es laut Mertens schwierig, Teile der Persönlichkeit auf Dauer zu unterdrücken. Vor allem fehlten Bezugspersonen, mit denen man sich über die Problematik austauschen könne. So würden Homosexuelle in ihrer neuen, vermeintlich sicheren Heimat, schnell in die Isolation getrieben.

Doch nicht nur zwischen LSBTI-Flüchtlingen und ihren Mitbewohnern kommt es zu Problemen. Auch ethnische oder religiöse Konflikte werden in den Unterkünften teilweise weitergeführt. Die Zeit hatte im August 2014 über Ausgrenzungen in Flüchtlingsunterkünften im gesamten Bundesgebiet berichtet. Eine christliche Familie konnte damals etwa die gemeinsame Küche nicht benutzen, weil die muslimischen Mitbewohnern sie als unrein bezeichneten, andere wurden als Schweine beschimpft.

Die Innenbehörde der Stadt Hamburg gibt sich angesichts der sich zuspitzenden Lage machtlos. „Natürlich versuchen wir anhand der Angaben der Ankommenden, auf mögliche Konflikte Rücksicht zu nehmen“, sagt Björn Domroese, Pressesprecher der Innenbehörde: „Aber wir schaffen es momentan nicht in allen Fällen.“ Die Stadt steht derzeit unter massivem Druck. Rund 200 bis 300 Flüchtlinge kommen derzeit jeden Tag in Hamburg an. Um Obdachlosigkeit zu verhindern, entstehen in vielen Stadtteil große Zeltunterkünfte.

Die spezielle Problematik der LSBTI- Flüchtlinge ist der Innenbehörde bekannt. Sofern sich die Betroffenen zu ihrer Sexualität äußern wollten, würden sie genauso sensibel behandelt wie andere Minderheiten, sagt Domroese.

Der Linksfraktion genügen die Bemühungen der Stadt nicht. Sie fordert von ihr einerseits „sicheren Wohnraum für LSBTI- Flüchtlinge zu schaffen“. Andererseits solle auch sichergestellt werden, dass alle Menschen, die mit Flüchtlingen arbeiten, in LSBTI- Belangen sensibilisiert und geschult werden.

Auch Mertens kommt zu dem Schluss, dass es an Infrastruktur und Beratung für die Flüchtlinge fehlt. Der Lesben- und Schwulenverband stellt ähnliche Forderungen an die Politik wie die Linke. Zudem fordert er, eine Verbesserung der Situation der LSBTI- Flüchtlinge auch in die Landesaktionspläne zur Unterbringung aufzunehmen.

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