Berliner Szenen
: Freier Tag

Super hingekriegt

Ich schüttle den Kopf. „Wirklich klasse, was du alles nicht gemacht hast!“

Meine Freundin sieht ziemlich geknickt aus. „Was ist?“, frag ich sie, obwohl ich ihr ansehe, was ist. Ganz genau kenne ich den Ausdruck in ihrem Gesicht. Alle paar Wochen mal kommt der geballt: der Panik-zu-viel-zu-tun-Ausdruck. Und richtig: „Ich hab heute gar nichts geschafft!“ Sie schaut verzweifelt und zählt auch gleich auf, was alles sie heute nicht hingekriegt hat: zwölf E-Mails, sechs Anrufe, drei Flyer und dann noch, was nicht zum Geschäft gehört: einkaufen, abwaschen, Fenster putzen…

„Oh je“, sag ich. „Da hatteste ja ganz schön was vor.“ Sie seufzt. „Ja. Und geschafft fast gar nichts davon.“

Ich versuche sie zu trösten. „War sowieso mehr, als du an’nem einzigen Tag…“, fang ich an, aber dann fällt mir was ein. „Wolltest du heute nicht freimachen? Weil ab morgen fett Termine und so?“ – „Wollt ich“, sagt sie. Ich überlege kurz. „Super!“, sage ich dann und grinse sie an. „Super haste das hingekriegt!“ Sie guckt irritiert. „Ja, doch“, bekräftige ich und erkläre: „An’nem freien Tag soll man doch nichts machen.“

„Wie?“, fragt sie. „Ja, aber…“ –„Nichts ‚aber‘.“ Ich schüttle den Kopf. „Wirklich klasse, was du alles nicht gemacht hast!“ Ich betone das „nicht“ und schau sie anerkennend an, und dann lob ich los. „Zwölf E-Mails nicht geschrieben an deinem freien Tag – boah! Super ist das! Fünf Anrufe…“ „Sechs!“, korrigiert sie; jetzt hat sie’s kapiert. „Sechs waren’s sogar!“ „Und alle nicht gemacht?“, vergewissere ich mich. „Nee“, sagt sie. „Super!“

Sie seufzt, so tief und erleichtert wie lange nicht mehr, und dann zählt sie die Liste von vorhin noch mal durch, nur dass sie jetzt strahlt übers ganze Gesicht. „Drei Flyer – nicht gemacht. Keinen davon!“ – „Prima!“, sag ich. „Und eingekauft, null!“ – „Wow!“ – „Nicht abgewaschen.“ –„Boah!“

Und so laufen wir rum, meine Freundin und ich, „prima“ und „boah“ und „wow“. Super ist das. Joey Juschka