Exodus aus der AfD

RECHTSRUCK Nach dem Parteitag in Essen kündigen vier Europaabgeordnete ihren Austritt aus der Partei an. Auch dass Ex-Parteichef Lucke bleibt, ist unwahrscheinlich

Geht er oder geht er nicht? Hier liegt er: Ex-AfD-Chef Bernd Lucke Foto: Maja Hitij, dpa

Sabine am Orde

Nach ihrem Rechtsruck auf dem Parteitag am Wochenende steht die AfD vor einer Austrittswelle. Gleich vier der prominentesten Vertreter des gemäßigten Flügels um Parteigründer Bernd Lucke, allesamt Europaparlamentarier, kehren der AfD den Rücken.

„Ich bin mit diesem Bundesvorstand nicht einverstanden und fühle mich von ihm nicht repräsentiert“, sagte Bernd Kölmel der taz. Nach dem Parteitag habe er keine Hoffnung, dass sich das ändern werde. Deshalb trete er aus. Kölmel ist Landeschef in Baden-Württemberg. Auch Ulrike Trebesius wird gehen. „Ich trete aus“, sagte die schleswig-holsteinische Landesvorsitzende der taz.

Seinen Rückzug kündigte auch der Europaabgeordnete Joachim Starbatty an. „Ich werde austreten, aber nicht sofort“, sagte er dem Schwäbischen Tagblatt. „Das ist nicht mehr meine Partei.“

Schon am Sonntagabend hatte der frühere Industriepräsident Hans-Olaf Henkel die AfD verlassen. Es drohe eine „NPD im Schafspelz“, sagte Henkel, der gar nicht mehr auf dem Parteitag erschienen war. Mit der Wahl von Frauke Petry zur alleinigen Parteichefin habe sich die Mehrheit „nicht nur für einen scharfen Rechtskurs, sondern auch für Pöbelei, Protest und das Verbreiten von Vorurteilen entschieden“.

Am Wochenende hatte sich der Bundesparteitag der AfD in Essen mit klarer Mehrheit für Petry, die den rechten Flügel der Partei hinter sich versammelt hatte, und gegen Bernd Lucke als ersten Vorsitzenden entschieden. Lucke war ausgebuht und angepöbelt worden. Bei den Wahlen zum Bundesvorstand hatte es danach einen rechten Durchmarsch gegeben. Mit dabei ist neben der Lebensschützerin Beatrix von Storch und dem Nationalkonservativen Alexander Gauland auch André Poggenburg. Der Landeschef aus Sachsen-Anhalt hatte gemeinsam mit Björn Höcke aus Thüringen die national eingefärbte Erfurter Erklärung initiiert und findet, dass nicht jedes NPD-Mitglied rechtsextrem ist.

Kölmel, Trebesius und Henkel wollen indes Europaabgeordnete bleiben. „Ich bin als Vertreter der AfD im Zustand vom Frühjahr 2014 gewählt worden“, sagte Kölmel zu Begründung. Das sei er noch immer.

„Ich fühle mich von diesem Vorstand nicht repräsentiert“

Bernd Kölmer, Ex-AfD‘ler

Bernd Lucke, der fünfte gemäßtige AfDler im Europaparlament, äußerte sich am Montag bis zum Redaktionsschluss noch nicht. In Essen hatte er angedeutet, die Partei verlassen zu wollen. Dass er bleibt, wenn die anderen vier gehen, ist schwer vorstellbar. Die AfD hat sieben Abgeordnete in Brüssel, die beiden anderen sind enge Verbündete Petrys.

Lucke und seine Mitstreiter wollen in den nächsten Tagen mit einer Umfrage unter den Mitgliedern des von ihnen gegründeten AfD-Vereins „Weckruf 2015“ herausfinden, welche Konsequenz die Mehrheit will. Den Austritt aus der AfD? Die Gründung einer neuen Partei? Das „Überwintern“ in der AfD mit der Hoffnung auf bessere Zeiten? Nach Stimmen aus den Landesverbänden haben zahlreiche Mitglieder bereits erklärt, nun austreten zu wollen.

Auch Konrad Adam denkt darüber nach, sich aus der Partei zurückzuziehen. Der Publizist hatte die AfD zuletzt gemeinsam mit Lucke und Petry geführt. Bei den Wahlen als Beisitzer im Bundesvorstand war er zweimal unterlegen. „Da wurde streng nach Liste durchgewählt“, sagte Adam verbittert. Der rechte Flügel hatte in der Halle eine Liste mit gewünschten Kandidaten verteilt. Adam, der sich im Machtkampf zwischen Lucke und Petry auf ihre Seite geschlagen hatte, stand nicht darauf.