Widerstreitende Ziele

WOHNEN Die Grünen diskutieren, ob Bremen dem Vorbild anderer Großstädte folgen und auch einen Mietspiegel einführen soll. Die Experten sind uneins, welche Auswirkungen der auf das Preisniveau hätte

Der Mietspiegel ist eine Übersicht über die sogenannte „ortsübliche Vergleichsmiete“ im frei finanzierten Wohnungsbau, die wiederum in § 558 des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelt ist.

■ Der „einfache Mietspiegel“, wie es ihn in Bremerhaven gibt, wird von der Gemeinde oder Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter gemeinsam erstellt.

■ Der „qualifizierte Mietspiegel“ dagegen soll anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen genügen. Seine Daten müssen alle zwei Jahre angepasst und alle vier Jahre neu erhoben werden.  (taz)

Alle in Deutschland haben einen, jedenfalls in den 25 größten Städten. Nur Bremen nicht. Sogar Bremerhaven hat einen Mietspiegel, wenn auch einen einfachen. Ob das im Grunde gut so ist, oder ob der in Wahrheit eher die Mieten in Bremen weiter nach oben treibt, das wollte am Freitag die grüne Bürgerschaftsfraktion wissen. Die Antwort: Ist unklar – die Meinungen der Experten gehen auseinander.

Anlass der Debatte ist eine Gesetzesinitiative der Grünen, wonach Mieterhöhungen frühestens nach vier Jahren möglich und auf maximal 15 Prozent begrenzt sind. Zudem soll bei Neuvermietungen eine Deckelung eingeführt werden. Den AnwohnerInnen der Sparer-Dank-Siedlung in Schwachhausen würde das helfen: Ihre Wohnungen – ganz überwiegend von älteren Geringverdienern bewohnt – gehörten früher der Bremer Sparkasse, die sie 2003 an einen Investor verkauft hat. Seither wurde die Miete dreimal um je ein Fünftel angehoben, eine vierte Erhöhung steht bald an. „Wir fühlen uns entrechtet“, sagt eine Bewohnerin, die schon mal beim grünen Bausenator abgeblitzt war, als der noch Loske hieß.

„Das ist eine Katastrophe“, sagt Anwalt Gert Brauer vom Bremer Mieterschutzbund, klarer Verfechter eines qualifizierten Mietspiegels. Bis zu neun Euro Nettokaltmiete pro Quadratmeter würden in der Sparer-Dank-Siedlung verlangt, sagt Brauer, für Wohnungen, die seit sehr langem nicht modernisiert wurden. Ohne Mietspiegel könne kein Mieter erkennen, ob seine Miete ortsüblich sei, so Brauer. Er garantiere „Objektivität“ und diene der „Beruhigung des Marktes“.

Anders sieht das Reinhard Josties, Geschäftsführer des konkurrierenden Mietervereins. Mietspiegel würden zwar Gerichts- und Gutachterkosten senken, doch die vermehrte Transparenz könne Mieterhöhungen gerade privater Vermieter auch begünstigen. Ein Mietspiegel „dämpft nicht“ die Mietpreissteigerungen, sagt Josties, weder bei Neu- noch bei Bestandsmieten.

Gar unmöglich ist es, mit einem Mietspiegel einerseits den Preisanstieg allgemein wieder zu senken, andererseits aber auch sicherzustellen, dass auch Hartz-IV-EmpfängerInnen „angemessen“ und „menschenwürdig“ wohnen können – sagt jedenfalls der Bremer Sozialforscher Volker Busch-Geertsema. „Diese Ziele stehen sich diametral entgegen“ – weil Ersteres die neuen und Letzteres die schon bestehenden Mietverträge betreffe. Die Gefahr, dass ein Mietspiegel Preissteigerungen eher begünstige, sei „nicht von der Hand zu weisen“, so Busch-Geertsema.

Bernd Richter (FDP), Geschäftsführer von Haus & Grund, ist trotzdem für einen Mietspiegel, zumal er annimmt, dass der „nicht zu spürbaren Erhöhungen“ in den rund 300.000 Bremer Wohnungen führt.

Allerdings müsste der Senat sich einen regelmäßigen Mietspiegel erst mal leisten: In Frankfurt, wo es ähnlich viele Wohnungen wie in Bremen gibt, kostete er trotz dünner Datengrundlage 500.000 Euro, in Hamburg waren es 320.000 Euro, in München 700.000 Euro. Ob die Grünen das ausgeben wollen – wissen sie noch nicht.  MNZ