Mut zum Optimismus in Bern

INTERNATIONALER WORKSHOP Strategien für den Wieder­-aufbau zerstörter archäologischer Stätten und Museen im Nachkriegssyrien

„Uns eine schöne Konferenz zu wünschen, ist angesichts der ernsten Thematik sicher nicht angemessen“, sagt Mirko Novák am Mikrofon. Es dauert einen Moment, bis der Professor der Vorderasiatischen Archäologie hoffnungsvoll hinzufügt: „Aber eine konstruktive.“

Größer könnte der Kontrast zum zerbombten Syrien und Nordirak nicht sein: ein wissenschaftliches Treffen in Bern, wo die pittoreske Altstadt an der blaugrünen Aare friedliches Weltkulturerbe ist. Einen Tag des 61e Rencontre Assyriologique Internationale (RAI) hat das Organisatorenteam vom Institut für Archäologische Wissenschaften Syrien und Irak gewidmet, Kerngebieten seiner Forschung. Novák, Mohamad Fakh­ro und Marc Lebeau von Shirin (Syrian Heritage in Danger: an International Research Initiative and Network) haben geladen, Wissenschaftler und Kulturerbe-Initiativen-Sprecher sind auf sie zugekommen. Am vergangenen Donnerstag berichten sie über Syrien und Irak im Jetzt-Zustand und darüber, was sie konkret tun können, wenn es denn so weit ist. Immer wieder fällt das Wort „post-war“: Es gilt zu sichten, zu dokumentieren, zu digitalisieren und mithilfe analoger Forschungsdaten festzuhalten wie es vor dem Krieg war – denn nur, was wissenschaftlich dokumentiert und erforscht ist, kann angemessen wiederaufgebaut oder restauriert werden.

Das Programm ist so weitgefächert wie seine Sprecher: Archäologen, Restauratoren, Museologen, Juristen, Stadtplaner, darunter solche, die im Antiken­department in Damaskus tätig sind und solche, die Gebäudeschäden im Internet aufspüren und dort veröffentlichen. Syrerinnen und Syrer, Iraker, Franzosen, Schweizer, Deutsche.

Ziel des Arbeitstreffen ist es, nach Maßnahmen für die Zeit nach dem Krieg zu fragen: Wie gelingt ein Wiederaufbau der archäologischen Stätten und der Museen? Wie sind sie zu schützen? Und wie gelangen Qualifikationen dafür in die Region? Es sind wahrlich große Aufgaben und man fragt zu Recht nach den Organisationen und Institutionen, die sie übernehmen können. Wie wäre es mit der Unesco?

Mut machen sie alle: Ahmad Kamil aus Bagdad mit Erfahrungen im Wiederaufbau irakischer Museen zwischen 2003 und 2014 ebenso wie Lutz Martin mit Fallbeispielen aus dem Nachkriegsberlin. Optimismus versprühen auch Youssef Kanjou und Mohamad Fakhro mit ihrem Erfindungsreichtum zum Schutz für das Nationalmuseum Aleppo oder die Objekt-Restauratorin Hiba al-Bassir, die konkret nach Qualifizierungen für Syrerinnen und Syrer in benachbarten Ländern fragt.

Verheißungsvoll ist auch das „Syrian Heritage Archive Project“, eine vom Auswärtigen Amt finanzierte Kooperation des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) und des Museums für Islamische Kunst Berlin. Beide Institutionen verfügen dank langjähriger Forschungsprojekte, die in Zusammenarbeit mit der syrischen Generaldirektion für Altertümer und Museen in den vergangenen Jahrzehnten durchgeführt werden konnten, über umfangreiche Datenbestände für die bedeutendsten archäologischen und historischen Stätten Syriens.

Analoge Daten helfen kaum

Viele dieser Forschungsdaten sind jedoch bisher nur in analoger Form vorhanden. Die vollständige Digitalisierung älterer Datenbestände bildet daher eine wesentliche Voraussetzung für deren zukünftige Nutzung, ihre Zusammenführung in größeren Datenbankprojekten und die darauf basierenden Auswertungen zum Stand des Kulturerbes in Syrien – insbesondere für die Kartierung kriegsbedingter Schäden.

Seit Ende 2013 erschließen zwei deutsch-syrische Teams die Archive digital. Eingepflegt werden die Materialien in der Objektdatenbank des DAI, den DAI-Gazetteer und den DAI-Geoserver. Schnittstellen sichern die internationale Vernetzung mit ähnlichen Projekten zur langfristigen Dokumentation der Kulturgüter Syriens.

In der Anwendung ist das digitale Kulturgüterregister Syriens nicht nur Grundlage für ein Monitoring, sondern auch ein Kerninstrument für die Instandsetzung zerstörter archäologischer und historischer Stätten. „Was ist, wenn eine Regierung überhaupt keinen Wiederaufbau will?“, wirft eine Archäologin ein. Es dauert ein paar Momente, dann wandert das Mikrofon zu Diana Miznazi, angehende Stadtplanerin aus Aleppo: „Die Aleppiner kommen zurück – und bauen ihre Stadt wieder auf – unabhängig von jeder Regierung.“ Es ist an der Zeit, syriennahe Ausbildungszentren zu errichten und Stipendien zu vergeben, um eine Qualifizierung zum Mitwirken am Wiederaufbau von Kulturerbestätten und Museen anzubahnen.

Florentine Meerkatz