Keine Kapitulation in Gallien

WATERLOO Frankreich stellt sich beim Gedenken quer

Europa gedenkt mit einem dreitägigen Freiluftspektakel der Schlacht bei Waterloo. Ganz Europa? Nein, Frankreich schmollt und hält sich abseits. Denn dieses Gemetzel auf einem Feld, auf dem heute südlich von Brüssel friedlich Getreide wächst, war das definitive Ende von Napoleon nach seiner hunderttägigen Rückkehr von Elba.

Auch mit zwei Jahrhunderten Distanz bleibt für Frankreich eine Niederlage eine Niederlage und kein Grund zum Feiern. Dies schon gar nicht, wenn es um den berühmtesten aller Franzosen geht und um das schmähliche Ende eines Kapitels, das als eines der glorreichsten in der Geschichte gilt. Weil nun also in Waterloo mit Kanonendonner, Pulverdampf und alten Uniformen die Schlacht nachgespielt wird, beschied Paris den empörten Organisatoren: „Ohne uns!“

Und sie erinnern sich wie der französische General Pierre Cambronne am 18. Juni 1815 in Waterloo in die Geschichte eingegangen ist, weil er als Antwort auf den Vorschlag zu kapitulieren nur „Merde!“ (Scheiße!) gerufen haben soll. Der 18. Juni ist im französischen Jubiläumskalender ohnehin für einen anderen historischen Anlass reserviert. Am selben Tag rief nämlich General de Gaulle aus London 1940 gleich nach der Kapitulation vor den triumphierenden Nazi-Truppen seine Landsleute zum Widerstand auf. Das hat weit mehr Prestige als eine verlorene Schlacht.

Die Vorstellung, dass man in Belgien auch noch applaudieren soll, wenn die historischen „Erzfeinde“, die verbündeten Briten und Preußen, die als französische Soldaten verkleideten Statisten niedermachen, bleibt dagegen ein Stachel im französischen Nationalstolz, den der kleine Korse so gut wie nur wenige andere historische Persönlichkeiten verkörpert hatte.

Wie jede echte Schlacht begann auch die Feier für den 200. Jahrestag mit einem Vorgeplänkel. Auch hier ging es um Symbole. Belgien als Austragungsort der historischen Feiern wollte zum Anlass eine Zwei-Euro-Gedenkmünze herausgeben. Nun gilt aber die Regel, dass für die Darstellungen auf Euro-Zahlungsmitteln die anderen Mitglieder ein Vetorecht haben. Und Paris störte sich effektiv daran, dass die Nachbarn Napoleons Schmach auf Bargeld feiern wollten. Auch Brüssel wollte aber in diesem Münzkrieg nicht kapitulieren. Nichts hindert die belgische Regierung, stattdessen Erinnerungsmünzen zum Nennwert von 2,50 und 10 Euro zu verkaufen. In Wirklichkeit kosten diese Souvenirs für Schlachtenbummler aber 6 und 42 Euro. Die ursprünglich geplanten Zwei-Euro-Münzen waren aber auch bereits geprägt und müssen nun eingeschmolzen werden, weil die Franzosen auch 200 Jahre später noch so schlechte Verlierer sind. Rudolf Balmer