Migranten in Dubai ohne Zukunft

KRISE Nach der Pleite einer staatseigenen Investmentgesellschaft verlieren ausländische Arbeitskräfte ihre Jobs. 300.000 von ihnen haben während des Booms mitgebaut

„Ehe ich kam, erzählte man mir, in Dubai erwarten mich paradiesische Zustände“

AUS DUBAI FELIX LEE

Gowri Nahali steht vor dem Bauzaun. Ein etwa 250 Meter hohes Gerippe ragt vor ihm empor. Es soll wohl neben den vielen anderen Rohbauten des neuen Stadtzentrum Downtown Dubai einer der weiteren mehreren Dutzend gläsernen Bürotürme werden, deren Weiterbau nun wegen der Krise zunächst gestoppt ist.

„Seit knapp einer Woche dürfen wir nicht mehr auf die Baustelle“, erzählt der 34-Jährige. Eines Morgens sei das Tor zu Arbeitsbeginn nicht mehr geöffnet worden. „Keine Ankündigung, keine Erklärung, nichts.“ Nun steht er jeden Morgen hier, in der Hoffnung, dass er doch noch weiterarbeiten kann. „Wenn wir hier in drei Wochen noch immer stehen, müssen wir Dubai verlassen und dürfen ein Jahr lang nicht mehr einreisen“, erzählt er. Für ihn und seine Familie zu Hause im indischen Bundesstaat Kerala würde dies den finanziellen Ruin bedeuten. Eine andere Einkommensquelle gebe es in seiner Familie nicht.

Gut zwei Wochen ist es her, dass die Pleite der staatseigenen Investmentgesellschaft Dubai World bekannt gegeben wurde. Zu ihr gehören unter anderem der Hafenbetreiber DP World, die Beteiligungsgesellschaft Istitmar World und der Projektentwickler Nahkeel, der unter anderem für Großprojekte wie die Palmeninseln verantwortlich ist. Am 25. November verfügte die Dubaier Regierung einen Zahlungsaufschub. Die Ankündigung löste einen dramatischen Kurssturz aus. Vielen Anlegern gilt Dubai seitdem als brenzlig.

Dabei hatte die Wirtschaftkrise des kleinen Emirats am Persischen Golf schon einige Zeit vorher begonnen. Seit der Lehman-Pleite im Herbst 2008 sind die Immobilienpreise auch in Dubai um mehr als die Hälfte gefallen, Kredite können nicht mehr beglichen werden, Bauvorhaben mussten gestoppt werden. Allein der Projektentwickler Nahkeel hat bereits mehr als 12.000 Beschäftigte entlassen. Davon betroffen sind vor allem die ArbeitsmigrantInnen.

Dabei verdankt Dubai seinen Aufschwung der vergangenen Jahrzehnte ebendiesen MigrantInnen. Vor 20 Jahren bestand der größte Teil des heutigen Stadtgebiets noch aus Wüste. Anfang der 90er-Jahre begann jedoch ein Bauboom, der weltweit seinesgleichen suchte. Über 200 Wolkenkratzer sind seitdem entstanden oder befinden sich im Bau. 300.000 Arbeiter vor allem aus Indien, Bangladesch und Sri Lanka, waren hier beschäftigt, die wie Nahali jeden Morgen in Bussen aus Sonapur hergekarrt wurden. Sonapar, was auf Hindi so viel heißt wie „Goldene Stadt“, ist ein Viertel aus Hunderten von schäbigen Baracken mitten in der Wüste, rund eine Stunde von Dubais Innenstadt entfernt. „Bevor ich kam, erzählte man mir, in Dubai erwarten mich paradiesische Zustände“, sagt Nahali. „Als ich dann einige Zeit hier war, fand ich mich in der Hölle wieder.“ Trotz Temperaturen von bis zu 50 Grad hätten er und seine Kollegen bis zu 14 Stunden am Tag geschuftet. Nicht wenige seien dem Hitzetod erlegen.

Während fast jeder Dritte einheimische Emirati ein Dollarmillionär ist und auch die „ArbeitsmigrantInnen“ aus Europa oder Nordamerika in der Regel über ein sehr hohes Einkommen verfügen, bekommen die meisten Arbeiter aus Südasien weniger als 5 US-Dollar pro Arbeitstag. „Das ist noch immer viel im Vergleich zu meiner Heimat, wo es überhaupt keine Arbeitsplätze gibt“, sagt Nahali. Etwa zwei Drittel seines Lohnes habe er in den vergangenen Jahren nach Hause schicken und damit die Schulgebühr seiner beiden Kinder finanzieren können, erzählt er. Allein im Jahr 2007 haben Arbeitsmigranten wie Nahali mehr als 27 Milliarden US-Dollar ihren Familien nach Indien geschickt.

Doch das war vor der Krise. Inzwischen stehen viele Baustellen still. Machten die ArbeitsmigrantInnen vor der Krise etwa 85 Prozent der Gesamtbevölkerung der insgesamt rund 1,5 Millionen großen Stadt aus, verlassen laut Zeitungsberichten derzeit täglich zwischen 1.000 bis 1.500 das Emirat. Nahali berichtet von vielen seiner Arbeitskollegen, die zum muslimischen Opferfest nach Kerala geflogen sind und dort per SMS mitgeteilt bekamen, dass sie nicht mehr zurückzukommen brauchen. „Ich rechne jeden Moment mit einer ähnlichen Nachricht.“