Angriff auf Weltkulturerbe

MALI Bibliothek mit mittelalterlichen Manuskripten in Timbuktu offenbar von fliehenden Islamisten in Brand gesteckt. „Eine Schande“, sagt der Leiter von Malis Nationalmuseum

AUS BAMAKO KATRIN GÄNSLER

Große Sorge um das kulturelle Erbe von Timbuktu: Islamisten haben bei der Flucht aus der Wüstenstadt im Norden Malis, die am Montag von französischen und malischen Truppen eingenommen wurde, offenbar eine der wichtigsten historischen Bibliotheken Afrikas in Brand gesteckt. Verschiedene Quellen bestätigen den Anschlag auf das Ahmed-Baba-Institut, wo 15.000 bis 20.000 jahrhundertealte Manuskripte aufbewahrt wurden.

Wie viele der Texte, die zumeist aus dem 14. und 15. Jahrhundert stammen, durch das Feuer vernichtet wurden, konnte Samuel Sidibe, Direktor des malischen Nationalmuseums in der Hauptstadt Bamako, am Montag noch nicht sagen. „Exakte Angaben fehlen uns noch“, sagt er. „Es handelt sich um Texte, die sich mit dem Islam und dem Wissen darüber im 15. Jahrhundert beschäftigen. Zum Teil beinhalten sie auch mathematische Aufzeichnungen.“ Weitere Quellen, die sich speziell mit der Entwicklung und Ausbreitung der Religion in Mali und Westafrika befassen, gebe es kaum. „Es ist doch eine Schande“, so Sidibe.

Timbuktu war im Mittelalter ein Zentrum der islamischen Weltkultur. Hunderttausende Schriften aus dieser Zeit lagern teils in Privatbesitz alteingesessener Familien, teils wurden sie mit internationaler Hilfe gesichert. Als vergangenes Jahr Islamisten die Stadt eroberten, wurden viele davon versteckt. Im Sommer 2012 hatten die Islamisten Dutzende alte Mausoleen in der „Stadt der 333 Heiligen“ zerstört und damit internationale Empörung sowie Vorermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs ausgelöst.

„Wir befinden uns in einer extrem schwierigen Situation. Mali hat eine sehr friedliche Geschichte. Mali ist bekannt für seinen Islam, und jetzt werden wir terrorisiert“, sagt Sidibe. Dass Manuskripte zerstört wurden, sei „völlig unbegreiflich“. Als einzige Hoffnung blieben Abschriften der historischen Texte. „Es gab ein spezielles Programm dafür“, sagt der Museumsleiter. Er hofft nun, dass möglichst viele der alten Schriften kopiert wurden. Sind schon die Originale verloren, könnte so zumindest der Inhalt erhalten bleiben.

Die UN-Kulturorganisation Unesco zählt in Timbuktu 16 Heiligengräber und drei Moscheen zum Weltkulturerbe. Rund 20.000 altertümliche Manuskripte gehören dazu. „Wir hoffen, dass wir so bald wie möglich eine Expertenmission nach Mali schicken können, um uns ein genaues Bild vom Ausmaß der Schäden zu machen“, sagte ein Unesco-Sprecher in Paris. (mit epd)

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