Fifa-Neubau: Leere ohne dekorative Füllung

Die Weltregierung des Fußballs trifft sich am Mittwoch im neuen "Home of Football". Die taz lädt zum Rundgang durch den Neubau der Fifa-Zentrale.

Doch ein bisschen Deko, im Fifa-Flur verirrt Bild: ap

ZÜRICH taz Fifa-Straße am noblen Zürich-berg: Hier, wo die Grundstücke mit am teuersten sind, steht das neue Vereinsheim des Weltfußballverbandes. Für umgerechnet 145 Millionen Euro haben sich die 208 Mitgliedsländer ein neues Zuhause gegeben. Das "Home of Fifa" erscheint von außen wie ein schlichter, drahtverhangener Monolith, der sich "in die Waldlichtung duckt, bereit zum Sprung". So zumindest beschreibt die Zürcher Architektin Tilla Theus ihren Entwurf.

Das Fifa-Exekutivkomitee, dem auch Franz Beckenbauer angehört, will bei seiner nächsten Sitzung am Mittwoch über die Nachfolge des in Ungnade gefallenen Generalsekretärs Urs Linsi, ehemaliger Manager bei Credit Suisse, entscheiden. Kommissarisch führte Finanz- und Controlling-Direktor Markus Kattner die Geschäfte. Die sogenannte Regierung des Weltfußballs will zudem über eine neue Struktur der Fifa-Administration bis zum Jahr 2010 befinden. Details möglicher Veränderungen wollte der Verband aber noch nicht verkünden. Kurz vor dem Wahlkongress Ende Mai in Zürich war über Dissonanzen zwischen Blatter und Linsi spekuliert worden. Der in der Fifa-Exekutive und -Administration offenbar wegen seiner harten Personalpolitik nicht wohlgelittene Linsi könnte ein Bauernopfer Blatters im Fifa-Machtspiel sein. DPA

An seinen 134 Meter langen Längsseiten reihen sich dicht an dicht die gläsernen, wabenartigen Büroparzellen der Belegschaft. Manchem Fifa-Exekutivmitglied muss dieser architektonische Gestus ein Dorn im Auge gewesen sein: so wenig machtvolle Erhabenheit strahlt das Gebäude aus. Auch wenn man auf dem Dach jetzt mit illuminiertem Fifa-Schriftzug und Logo nachrüsten will.

"Der Platz, wo wir früher waren, war natürlich viel schöner", sagt Weltfußball-Präsident Joseph Blatter. "Da hatte ich Ausblick auf den See. Jetzt habe ich Ausblick auf ein Fußballfeld und den Wald. Wir wollen ja nicht imponieren. Wir wollen nur in einem Haus leben, wo man sich wohl fühlt." Dass es sich bei dem Gebäude um ein Hochhaus handelt, erkennt man nur von innen, denn zwei Drittel der Fifa-Zentrale liegen unter der Erde. Dazu gehören Archiv und Dokumentationszentrum, Parkplätze, Technik-, Parlaments- und Andachtsraum. An die Oberfläche kommen allein die Empfangshalle, die Büros für 300 Mitarbeiter und der Konferenzsaal mit seinem viel zu kleinen Foyer. Dagegen wurde die Einfahrt in die Tiefgarage so großzügig bemessen, dass selbst Lkws und Stretch-Limousinen schwungvoll hineinfahren können.

Geradezu mickrig erscheint dagegen der mit schwarzen Türen gestaltete Eingangbereich, der in die riesige Empfangshalle führt. Von hier aus gelangt man über ein Treppenhaus oder einen spektakulär beleuchteten Glaslift ins Auditorium. Es gibt gewiss berauschendere Beispiele dafür, wie sich institutionelle Größe mit Raumdramatik inszenieren lässt. "Als Architektin wiederhole ich immer wieder, dass in Zukunft der leere Raum der Luxus sein wird und nicht das Gold", hält Tilla Theus entgegen. "Wo ist es noch möglich, Leere zu bauen, die nicht gleich dekorativ gefüllt wird? Sie sehen es hier in der Fifa: sie wirkt nicht dekorativ gefüllt."

Während das Gebäude sich nach außen unscheinbar der Landschaft anpasst, herrscht im Innern filigran inszenierte Pracht: kostbare Glasarbeiten, Schiefersteine aus Brasilien und edles US-amerikanisches Nussbaumholz. An der Wand: von einer eigens konstruierten Maschine gehämmerte Aluminiumwände, Chromstahlhandläufe, die das Licht kunstvoll reflektieren - Bescheidenheit war sicher nicht das leitende Prinzip des Bauherrn. Zumal es die Fifa unter Blatters straffer Führung von einem kränkelnden Unternehmen zu einem weltweit operierenden Konzern geschafft hat. Der letzte Finanzbericht weist einen Überschuss von fast 500 Millionen Euro aus. Sicher auch dank der phänomenal erfolgreichen WM in Deutschland. In jedem Fall aber das beste Ergebnis in der 103-jährigen Fifa-Geschichte.

Wo sonst Transparenz im Vordergrund steht, wo beispielsweise Glas in Parlamentsbauten das Gefühl vermitteln soll, den gewählten Vertretern kontrollierend bei der Arbeit zuschauen zu können, da verschließt sich die Fifa der Öffentlichkeit: Das Nervenzentrum des Weltverbandes liegt versteckt unter der Erde. Im dritten von fünf Untergeschossen tagt abgeschottet von der Außenwelt im großen Sitzungssaal das Exekutivkomitee. Die Verkleidung aus Aluminium-Platten, der kühle Lapislazuli-Boden - alles hier besitzt die Aura eines hermetisch abgeriegelten Schweizer Banktresors und fördert den Mythos oder das Vorurteil von den geheimen Geschäften der Fifa.

"Ein Raum, wo man Entscheidungen trifft, der darf irgendwo sein, wo nur indirektes Licht hinkommt", sagt Joseph Blatter, "denn das Licht sollte ja von den Leuten kommen, die da drinnen sind." Und von einem Kristallleuchter, der einer Fußball-Are-na nachempfunden wie ein UFO über den Köpfen der Funktionäre schwebt. Kunstlicht dominiert. In der Mitte des Raums, im Boden eingelassen, liegt der Grundstein des Home of Fifa: ein Betonkubus, der einen überdimensionalen Fußball umfasst. Darin hat man Säcke mit Erde aus Ländern aller Fifa-Verbände verstaut und weitere Andenken für die Nachwelt. Man zitiert gerne das medienwirksame Bild einer glücklichen, einträchtigen Familie.

Hier, im unzugänglichen Herzen des Fifa-Baus, wird im kleinen Kreis über die Vergabe von Weltmeisterschaften, Reformen und Sanktionen entschieden, über rechtliche Angelegenheiten und neue Spielregeln. Manchmal auch über Dinge, die die Grundpfeiler des weltweiten Fußballs erschüttern. Dann kann es schnell vorbei sein mit dem demonstrativ zur Schau gestellten Familienfrieden. Dann redet Blatter Klartext. Und manch einer sehnt sich schnell nach Frischluft und Sonnenlicht: "Es ist mir wichtiger, dass die Angestellten der Fifa direkten Zugang zum Licht haben und nicht die Exekutivmitglieder, die nur periodisch in der Fifa sind", erläutert Präsident Blatter im Interview und ergänzt: "Wir haben dort auch noch etwas anderes arrangiert, und zwar dass er (der Raum) abgeschlossen ist, damit das Resultat einer Abstimmung nicht schon bekannt ist, bevor man aus dem Saal kommt." Familiäres Vertrauen sieht anders aus.

Zu den Kuriositäten des Gebäudes gehört der ebenfalls im Untergeschoss gelegene Meditationsraum: "Mitten in der Bausituation wurde ein Meditationsraum gewünscht, der für alle fünf Weltreligionen Gültigkeit haben sollte", so Theus. Die Architektin bewies schon bei der Realisation des Hotels Widder choreografisches Fingerspitzengefühl, als sie aus acht mittelalterlichen Wohnhäusern mitten im Zürcher Stadtkern ein zusammenhängendes Ensemble schuf.

In der Fifa-Zentrale ist der Andachtsraum ein sich nach oben öffnender Onyxkörper, der durch indirektes Licht wie ein überdimensionaler Edelstein leuchtet. Hineingestellt in einen mit grauen Steinwänden ausgekleideten Raum und auf zwei Seiten begehbar. Ein grüner Pfeil in den Durchgängen weist gen Mekka - als Service für die islamischen Fifa-Mitglieder. Ansonsten ist der Raum nackt und kalt. "Alle fünf Religionen haben auf die eigenen Zeichen verzichtet, um Gültigkeit für alle zu erreichen", sagt Theus. Lediglich zwei Bänke suggerieren klösterliche Ruhe und Einkehr. Seelen-Elixier für gestresste Fußball-Funktionäre.

Im "Home of Fifa" sind jetzt erstmals alle Mitarbeiter unter einem Dach vereint. Bisher verteilten sich die Beschäftigten in Zürich auf sechs verschiedene Gebäude. Doch durch wachsende Mitarbeiterzahlen und zahlreicher werdende Aufgaben vor allem reicht der erst im Jahr 2000 bezogene Hauptsitz am Sonnenberg nicht mehr aus.

Heute liegt das neue Domizil des Weltfußballverbandes an der Fifa-Straße, die von der Stadt eigens für den Neubau bewilligt wurde. "Hier baut die Fifa im Auftrag von 207 Nationen", so stand es vor der Fertigstellung auf einem Schild. Die UNO bringt es nur auf 191 Mitglieder. "Da bin ich ja sehr stolz, dass ich irgendwie der Hausmeister von diesem Home of Fifa bin", sagt Blatter und schmunzelt. Man kann nicht anders, als ihm zu glauben.

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