Libyen: Hoffnung für Todeskandidaten

Nach der Bestätigung der Todesurteile gegen fünf Bulgarinnen und einen Palästinenser hat der Außenminister eine Lösung des Falls angedeutet.

Todesurteile bestätigt: Bulgarische Krankenschwestern und palästinensischer Arzt in Tripolis hinter Gitterstäben Bild: dpa

Die Zitterpartie für fünf bulgarische Krankenschwestern und einen palästinensischen Arzt in Libyen geht weiter. Gestern bestätigte der Oberste Gerichtshof in der Hauptstadt Tripolis die Todesurteile gegen die Angeklagten. Mit diesem Richterspruch ist der Rechtsweg ausgeschöpft. Am 16. Juli wird der Oberste Richterrat abschließend über den Fall beraten. Der Rat unter Vorsitz des Justizministers ist ein politisches Organ. Er kann das Urteil annullieren oder abmildern. Sollte die Todesstrafe in eine Haftstrafe umgewandelt werden, könnten die Angeklagten diese in Bulgarien verbüßen, da Libyen und Sofia ein Auslieferungsabkommen unterzeichnet haben.

Die fünf Schwestern und der palästinensische Arzt, der seit einem Monat die bulgarische Staatsangehörigkeit hat, sitzen seit Februar 1999 in Tripolis im Gefängnis. Sie waren beschuldigt worden, mehr als 400 Kinder in einem Krankenhaus in Bengasi absichtlich mit dem HI-Virus infiziert zu haben. 56 der infizierten Kinder sind mittlerweile gestorben. Im Mai 2004 wurden die Angeklagten zum Tode verurteilt. Im Dezember 2006 bestätigte ein Berufungsgericht den Schuldspruch. Und das, obwohl internationale Experten nachgewiesen hatten, dass sich die Kinder infiziert hätten, bevor die Beschuldigten ihre Tätigkeit im Krankenhaus aufgenommen hatten.

Während des ersten Prozesses hatten die Schwestern ausgesagt, dass ihre Geständnisse unter Folter zustande gekommen seien. Daraufhin strengten ein Polizeioffizier und ein Arzt gegen die Schwestern ein weiteres Verfahren wegen Verleumdung an. Dieses endete im vergangenen Mai mit einem Freispruch, was Beobachter als Hinweis auf ein Einlenken Tripolis und eine baldige Freilassung der Gefangenen werteten.

Auch am Dienstagabend standen die Zeichen wieder auf Hoffnung. Die Stiftung des Sohns von Muammar al-Gaddafi, Saif al-Islam, erklärte, dass mit den betroffenen Familien eine Vereinbarung über Entschädigungszahlungen erreicht worden sei, "die alle Seiten zufrieden stellt und die Krise beenden wird". Idris Laga, Vorsitzende einer Vereinigung, die die Familien vertritt, erklärte demgegenüber, dass eine Einigung noch ausstehe, jedoch in den nächsten Tagen zustande kommen und dem Obersten Richterrat vorgelegt werde.

Die Gaddafi-Stiftung hatte sich in der Vergangenheit mehrfach bemüht, Entschädigungszahlungen auszuhandeln. Sofia hatte dieses Ansinnen stets abgelehnt, da solche Zahlungen einem Schuldeingeständnis gleichkämen. Unter der Ägide der Europäischen Union richteten Sofia und Tripolis jedoch 2005 einen Hilfsfonds ein.

Vertreter Bulgariens übten sich gestern in Optimismus. Die Bestätigung der Todesurteile sei erwartbar gewesen, die Entscheidung des Obersten Richterrates werde jedoch positiv für Bulgarien ausfallen, sagte Justizminister Georgi Petkanow der bulgarischen Internetzeitung Mediapool. Das Urteil eröffne die Möglichkeit, dass eine Lösung auf politischer Ebene gefunden werde, sagte Bulgariens Generalstaatsanwalt Boris Weltschew.

Demgegenüber reagierte man in Brüssel mit sehr heftiger Kritik. "Wir müssen sehr negativ auf die Tatsache reagieren, dass eine Gruppe europäischer Bürger zum Tode verurteilt worden sind, die unschuldig sind", erklärte EU-Justizkommissar Franco Frattini gestern. "Diese Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ermutigt die Europäische Union nicht, ihre Beziehungen zu Libyen auszubauen."

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