Bestattungsfernsehen: Der Tod in der Kiste

EosTV will dem Verlust der Trauerkultur in Deutschland entgegenwirken. Wenn alles glatt läuft, geht der Trauerkanal im November auf Sendung.

Urne oder Sarg? Büchse oder Kiste? Ein weites Feld. Bild: dpa

Gestorben, begraben, vergessen. So gehen die Deutschen heute mit dem Tod eines Familienmitgliedes um. Das zumindest meint Wolf Tilmann Schneider, der Erfinder von EosTV. In noch halbleeren Büroräumen, idyllisch zwischen Tankstelle und Fastfoodlokal, gelegen, sitzt der 51-Jährige. Hier, an der B 96 in Glienicke/Nordbahn nahe Berlin, bereitet der Mann mit dem Schnurrbart und der Nickelbrille den Start von EosTV vor. Als weltweit erster Fernsehsender will sich dieser den Themen Altwerden, Sterben und Tod widmen.

"Wir nehmen uns bewusst eines Tabuthemas an", sagt Schneider, der zuvor neue Ideen für RTL und Sat.1 entwickelt hat. "Jeder Mensch braucht einen Ort, an dem er trauern kann", glaubt er, und auch, dass in der Zielgruppe ab 50 die "Auseinandersetzung mit dem Tod Teil der Lebenswirklichkeit wird". Daher würden ältere Leute auch so gerne Friedhöfe besuchen. Wie "wunderschön" diese sein können, soll auf EosTV mit Kurzdokumentationen gezeigt werden.

Alle Formate des dunklen Kanals werden nur wenige Minuten lang sein. "Ich rechne mit einer Verweildauer von 15 bis 20 Minuten", sagt Schneider. Deswegen werde es täglich nur drei Stunden neues Programm geben - die restlichen 21 Stunden sollen mit Wiederholungen in Dauerschleife bestritten werden. Empfangbar, voraussichtlich von November an, wird EosTV über Astra sowie im Internet sein. Zudem plant Schneider Kooperationen mit regionalen Fernsehsendern.

Bei der Namensgebung hat er sich von Ideen wie "FuneralTV" verabschiedet und sich für den international anwendbaren Namen "EosTV" entschieden, der eigentlich gar nichts mit dem Inhalt zu tun hat: Eos, die griechische Göttin der Morgenröte. "Ich fand das einfach schön", so der Familienvater.

Um bei der Realisierung seiner eigenwilligen Idee die nötige Seriosität zu wahren, hat sich Schneider den Bundesverband Deutscher Bestatter mit ins Boot geholt. "Bestatter sind die Dienstleister der Lebenden", meint er. Fritz Roth vom Bergisch Gladbacher Bestattungsunternehmen Pütz-Roth allerdings würde es begrüßen, wenn eher "im öffentlich-rechtlichen Fernsehen über das Thema Tod aufgeklärt würde". Die größte Sorge des 57-Jährigen ist, dass auf EosTV bald die günstige Sterbeversicherung oder das Designer-Totenhemd angeboten werden - ganz im Stil von Verkaufssendern wie beispielsweise QVC.

"Werbung wird es auf EosTV nicht geben", sagt Medienmann Schneider jedoch. Vielmehr werde sich der Sender über etwa von Treppenliftherstellern gesponserte "Infotainment-Beiträge", wie Schneider es nennt, finanzieren. Und über private Nachrufe, die jeder bei EosTV schalten kann.

Wie ein solcher TV-Nachruf aussehen könnte, weiß Schneider schon ziemlich genau - und hat prompt seinen eigenen eineinhalbminütigen Gedenkclip produziert: Landschaftsaufnahmen wechseln sich mit Privatfotos ab. Dazu trägt eine Frauenstimme ein Gedicht vor: "Du warst doch immer ein Stück unseres Himmels", lautet ein Vers. Am Ende des Clips steht die klassische Todesanzeige. Schneider glaubt, dass viele ihre eigenen Nachrufe bereits zu Lebzeiten entwerfen werden. Und ist davon überzeugt, mit seiner Idee eine internationale Marktlücke gefunden zu haben.

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