Kommentar: Auf der globalen Konfliktlinie

Der Libanon-Krieg hat nicht aufgehört. er hat nur seine Form geändert. Die Parteien des Landes sind erneut zum Spielball regionaler und internationaler Interessen geworden.

Ein gutes Jahr liegt der Libanonkrieg zwischen Israel und der Hisbollah nun zurück, der am 12. Juli 2006 begann und am 14. August offiziell endete. Tatsächlich hat der Krieg seitdem nicht aufgehört, er hat nur seine Form geändert. Davon zeugen nicht nur die politischen Morde, die seither den Libanon erschüttert haben, oder die Kämpfe zwischen der libanesischen Armee und der Terrorgruppe Fatah al-Islam im palästinensischen Flüchtlingslager Nahr al-Bared, die seit fast zwei Monaten andauern. Auch die politische Polarisierung zwischen Regierung und Opposition, die den Libanon paralysiert, ist darauf zurückzuführen, dass weder Israel noch die Hisbollah im Waffengang ihre erklärten Ziele erreichen konnten.

Ehud Olmert feierte es als Erfolg, die Hisbollah von der israelisch-libanesischen Grenze verdrängt zu haben. Und die Hisbollah verklärte ihr Überleben zu einem "göttlichen Sieg". Doch unabhängig vom Lärm der Propagandisten hat der zweite Libanonkrieg einige Wahrheiten offenbart. Werden sie nicht gebührend berücksichtigt, kann dies jederzeit zu einer neuen Katastrophe führen. Die Hisbollah hatte sich verkalkuliert, weil sie nicht mit der massiven militärischen Reaktion der israelischen Regierung auf die Entführung ihrer Soldaten gerechnet hatte. Die Gottespartei wollte ihre Schlagkraft aus innenpolitischen Gründen demonstrieren, um ihrer Entwaffnung aufgrund der UN-Resolution 1559 zu begegnen. Auf der anderen Seite beging die israelische Armee den gleichen Fehler, indem sie die Widerstandskraft der Hisbollah unterschätzte. Auf beiden Seiten musste die Bevölkerung dafür einen hohen Preis zahlen.

Militärisch gesehen, haben die Kampfhandlungen lediglich zu einer erneuten Pattsituation geführt. Doch erstmals wurde die Abschreckungskraft der israelischen Armee in Frage gestellt, und der Krieg ist wieder als ernsthafte Option in den israelisch-arabischen Konflikt zurückgekehrt. Denn in Israel wie in der arabischen Welt hat der Krieg die Friedenskräfte geschwächt; stattdessen hat er den Boden für Nationalismus, Fundamentalismus und Hass genährt.

Im Gegensatz zum ersten Libanonkrieg vom 1982, in dessen Folge es zu einem Aufschwung der israelischen Friedensbewegung kam, richtete sich die Kritik in Israel am Libanon-Feldzug vom letzten Sommer nicht gegen den Krieg gegen die Hisbollah an sich, sondern nur gegen die Unfähigkeit der israelischen Armee und der politischen Führung, den Feind auch zu besiegen. Und im Libanon selbst hat das massive Bombardement der schiitischen Regionen, vor allem im Süden des Landes, die Verbindung der Hisbollah mit ihrer konfessionellen Basis nur gestärkt. Infolge des Krieges verstummte die schiitische Opposition zur Hisbollah, und diese konnte sich als alleinige politische Vertretung der Schiiten in Szene setzen. Allein die Vorstellung von einem Frieden zwischen Israel und Libanon ist daher in den Bereich der Utopie entrückt.

Dramatisch hat sich der Krieg aber auch auf das Kräfteverhältnis zwischen dem prowestlichen Regierungslager und der von der Hisbollah angeführten Opposition ausgewirkt. Mit der internationalen Kontrolle der libanesisch-israelischen Grenze durch die UN-Resolution 1701 hat sich die Hisbollah arrangiert. Stattdessen verlagerte sie ihren Einsatz in die innenpolitische Arena, indem sie innerhalb der Regierung auf ein Vetorecht pochte, was vor sieben Monaten in eine tiefe politische Krise führte, die bis heute anhält. Der labile innere Frieden in Libanon hat sich davon bis heute nicht erholt. Die Politik der Hisbollah, die an ihrem Bündnis mit Damaskus und Teheran festhält, provozierte auf Seiten der Sunniten und Drusen eine konfessionelle Reaktion, die den Libanon wieder an den Rand eines Bürgerkrieges gebracht hat.

Stärker als zuvor hat der zweite Libanonkrieg die libanesischen Parteien wieder zu einem Spielball regionaler und internationaler Interessen gemacht. Die Konfliktlinie zwischen den USA, Israel und den prowestlichen arabischen Regimen auf der einen, dem syrisch-iranischen Bündnis auf der anderen Seite, sie verläuft mitten durch den Libanon. Das Land hat seine politische Souveränität verloren. Die Lösung seiner innenpolitischen Krise setzt die Lösung der Konflikte des Westens mit dem Iran sowie der Kämpfe im Irak und in Palästina voraus. Bis dahin müssen die Libanesen mit der drohenden Gefahr eines Bürgerkriegs leben sowie mit der weiteren Verschärfung der sozialen und wirtschaftlichen Krise, die sich daraus ergibt.

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