Guinea: Ende der Ruhesaison

Fünf Monate nach Beendigung des Volksaufstandes regt sich wieder Aufstandsstimmung: Die mächtigen Gewerkschaften des Landes setzen die Regierung unter Druck.

Zentrales Problem: Das Grundnahrungsmittel Reis ist immer noch zu teuer. Bild: dpa

Auf der Tür prangt ein Soldatenstiefelabdruck. Er ist schon fast ein halbes Jahr alt, aber die Umrisse des schweren Fußtritts verblassen nur langsam. Die Mitarbeiter im Gewerkschaftshaus von Guineas Hauptstadt Conakry kommen nicht auf die Idee, die Tür zu putzen. Wie ein Mahnmal soll dieser Abdruck als Beweis für die Unterdrückung sichtbar bleiben.

Nach Beginn eines Generalstreiks im Februar hattten Soldaten die Zentrale der "Nationalen Konföderation der Arbeiter Guineas" (CNTG) gestürmt. Der Stiefeltritt gegen ihre Bürotür, sagt Rabiatou Serah-Diallo, flöße ihr keine Angst ein. Eher noch das Elend und der wirtschaftliche Niedergang des Landes. "Wir können jederzeit den Generalstreik und die Mobilisierung wieder aufnehmen, sollten das zwischen uns und der Regierung ausgehandelte Abkommen nicht eingehalten werden", sagt Serah-Diallo.

Der Generalstreik, der sich im Laufe der Zeit zum Volksaufstand erweitert und das Regime von Präsident Lansana Conté in Guinea an den Rand eines Umsturz gebracht hatte, war schließlich durch ein politisches Abkommen beendet worden. Dieses hatte unter anderem geregelt, dass ein neutraler Premierminister benannt wird sowie die Funktionärskader nach bestimmte Kriterien neu besetzt werden müssen. Zudem sollten sofortige Preissenkungen vor allem für das Grundnahrungsmittel Reis die gebeutelte Bevölkerung unmittelbar entlasten. Als der neue Premier Lansana Kouyaté am 26. Februar ernannt wurde, waren denn auch die Erwartungen hoch.

Am 3. Juli zog das zwischengewerkschaftliche Bündniskomitee in einem offenen Brief allerdings eine vernichtende Bilanz der neuen Regierung. Kouyaté habe den Geist des Abkommens verraten, halte sich nicht daran und zeige keine ernsthafte Absichten, es umzusetzen. Die vier Gewerkschaften kritisieren, dass Kouyaté eigenmächtig politische Nominierungen vornehme, statt die außerparlamentarische Opposition zu konsultieren - vor allem bei der Neubesetzung von Funktionärsposten in Verwaltung und Ministerien mit unbelasteten Kadern.

Zudem seien die Zusagen nicht erfüllt worden, die Wasser- und Stromversorgung zu verbessern und die Preise von Grundnahrungsmitteln, vor allem Reis, zu senken. Zwar fiel zunächst der Preis für einen 50-Kilo-Sacke Reis auf 80.000 Guinea-Francs (17 Euro), wie es die Gewerkschaften gefordert hatten. "Aber es ist alles wieder teurer geworden", erzählt Yacine Diabaté, der in Conakry eine Musikschule leitet. "Wir müssen schon wieder mehr als 100.000 Francs zahlen. Dafür bin ich damals nicht auf die Straße gegangen." Bislang erfolgte kein erneuter Aufruf, den Streik wieder aufzunehmen. Noch gibt die Deklaration des gewerkschaftlichen Bündniskomittees dem Premierminister eine letzte ungesetzte Frist.

Guineas Gewerkschaften bilden die eigentliche Opposition des Landes. Sie zeigten sich anders als die politischen Oppositionsparteien in der Lage, die Menschen landesweit zu mobilisieren. Die beiden wichtigsten Gewerkschaften vertreten über drei Viertel der formell arbeitenden Bevölkerung in Guinea, vor allem im öffentlichen Dienst. Die wichtigste ist die CNTG. Der Staatsgründer Sekou Touré war zuvor ihr Führer gewesen.

Es ist ein ironischer Dreh der Geschichte, dass die Gewerkschaft von Sekou Touré, der Guinea als erstes Land des frankophonen Westafrika 1958 in die Unabhängigkeit führte, ein halbes Jahrhundert später wieder die Schneise für politischen und gesellschaftlichen Umbruch schlägt. Während der Jahrzehnte, in denen Sekou Touré das Land mit zunehmend tyrannischen Methoden beherrschte, galt die einzig zugelassene Gewerkschaft als bedingungsloses Rad in der politischen Maschinerie. Erst als Anfang der 90er Jahre das Mehrparteiensystem eingeführt wurde, durften sich andere Gewerkschaften bilden. Aber auch sie waren noch nicht emanzipiert. Dazu bedurfte es vor einigen Jahren Rabiatou Serah-Diallo. Die Frau eines hohen Geheimdienstoffiziers schaffte innerhalb weniger Jahre als Generalsekretärin der CNTG den Neuanfang und formte die alte Sekou-Touré-Gewerkschaft zur Speerspitze der zivilgesellschaftlichen Bewegung, die einen politischen Neuanfang im ganzen Land fordert und sogar Präsident Conté, der sich seit Sékou Tourés Tod 1984 an der Macht hält, zur Aufgabe zwingen wollte.

Aber Staatschef Conté verstand es, den politischen Druck der Straße von seiner Person umzuleiten. Dennoch wird bereits in Conakry darüber spekuliert, wann der lediglich offiziell ausgesetzte Generalstreik und die Mobilmachung der Bevölkerung gegen die Staatsführung wieder einsetzen wird. Und dieses Mal werden sich die Gewerkschafter als Vertreter des Volkes wohl nicht wieder mit einem weiteren Premierministerwechsel zufrieden geben.

Für einen Wiederanfang des Streiks ist am wahrscheinlichsten, dass die begonnene Regenzeit abgewartet wird, die generell sämtliche Aktivitäten herunterfährt. Zudem haben die Ferien an Universitäten und Schulen begonnen. Mit einem Anheizen der Stimmung rechnet man für September oder Oktober.

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