Brandenburg: Jagdbomber vertreiben Touristen

Das Verwaltungsgericht Potsdam verhandelt über drei Musterklagen gegen das "Bombodrom" - einen geplanten Bomben-Abwurfplatz nahe Wittstock.

Bomben oder Touristen? Die Brandenburger haben sich längst entschieden. Bild: dpa

Auch Wünsche der Bundeswehr werden im Rechtsstaat nicht ruck, zuck erfüllt. Im Gegenteil. Seit 14 Jahren schon versucht die Luftwaffe erfolglos, in der Kyritz-Ruppiner Heide bei Wittstock (Brandenburg) einen gigantischen Bombenabwurfplatz einzurichten. Doch von bisher 18 gerichtlichen Entscheidungen ging keine zugunsten der Bundeswehr aus, hat Remo Klinger, ein Anwalt der Gegner, mitgezählt. Am heutigen Dienstag verhandelt das Verwaltungsgericht (VG) Potsdam. Und wieder sieht es schlecht aus für die Militärs.

Das umstrittene Gebiet in Nordbrandenburg war bereits 1950 von der sowjetischen Armee in Beschlag genommen worden. Die Bevölkerung nannte es "Bombodrom". Nach dem Abzug der Russen 1993 wollte die Bundeswehr das 140 Quadratkilometer große Gelände weiter nutzen. Sie verfügt derzeit nur über zwei "Luft-Boden-Schießplätze" - im niedersächsischen Nordhorn und im bayerischen Siegenburg. Beide sind aber wesentlich kleiner. Nach Ansicht der Bundeswehr lassen sie keine realistischen Übungen zu.

In Wittstock will die Bundeswehr, so die aktuelle Planung, an 80 bis 100 Tagen im Jahr üben. Dabei sollen nur Übungsbomben eingesetzt werden, die nicht explodieren. Das Gelände, das sich bereits in Bundeseigentum befindet, soll dabei maximal 1.700-mal pro Jahr angeflogen werden, davon 240-mal pro Nacht. Pro Woche sind maximal 25 Übungsstunden vorgesehen.

Fast die gesamte Region lehnt das Projekt ab, da es die touristische Erschließung der Gegend massiv behindert - und damit die wohl einzige Entwicklungsmöglichkeit. Die rührige Bürgerinitiative "Freie Heide" veranstaltet regelmäßig Demonstrationen. Die Landtage von Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin sind gegen den Übungsplatz, ebenso 260 Bürgermeister der Region. Die Bundeswehr verspricht zwar den Aufbau einer Garnison mit 800 Arbeitsplätzen in Wittstock, aber die Abgeordnete Kirsten Tackmann (Linke) warnt: "Für jeden versprochenen neuen Arbeitsplatz werden 15 bis 20 Arbeitsplätze im Tourismus verloren gehen."

Seit 1994 wehren sich die umliegenden Gemeinden auch juristisch gegen das Projekt. Die erste Klagerunde endete im Jahr 2000 mit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig. Die Richter verlangten von der Bundeswehr, dass sie die Gemeinden vor Aufnahme des Übungsbetriebs zumindest anhören muss.

Ein solches Anhörungsverfahren fand anschließend statt; die Bundeswehr verkündete unter dem damaligen Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) 2003 einen neuen Nutzungsbescheid für die Heide. In einer zweiten Klagerunde sind hiergegen 20 Verfahren beim Verwaltungsgericht Potsdam anhängig.

Drei Musterklagen werden am heutigen Dienstag verhandelt. Die Gemeinde Lärz hat neue Baugebiete für Ferienhäuschen und Hotels geplant. Sie sieht diese Planung durch die zu erwartenden Lärmbelästigung unzulässig beeinträchtigt. Das Seehotel Ichlim befürchtet Umsatzeinbußen. Eine Putenfarm in Gühlen-Glienicke klagt, dass erschreckte Puten weniger Eier legen werden.

Die Erfolgsaussichten der Klagen sind relativ gut. Das haben schon die Eilverfahren der letzten Jahre gezeigt. So gelang es der Bundeswehr nicht, den Sofortvollzug ihrer Planung durchzusetzen. Per einstweilige Anordnung ordnete das VG Potsdam vielmehr eine aufschiebende Wirkung der Klagen an, das Oberverwaltungsgericht Frankfurt (Oder) bestätigte die Beschlüsse. Bis heute donnern deshalb noch keine Jagdbomber über der Heide. Offensichtlich waren die Lärmgutachten der Kläger fundierter als die der Bundeswehr. Zur heutigen Verhandlung will die Luftwaffe allerdings ein mit Spannung erwartetes neues Gutachten vorlegen.

Falls die Bundeswehr auch diesen Prozess verliert, kann sie wieder Rechtsmittel einlegen bis zum Bundesverwaltungsgeicht. Nach Schätzung von Rechtsanwalt Klinger würde das weitere fünf bis sechs Jahre dauern - bei ungewissem Ausgang. Die Initiativen hoffen daher, dass die Bundeswehr das Projekt einfach aufgibt.

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