Bundesligastart: Der Langweiler

Wenn Aufsteiger Hansa Rostock am Samstag gegen Bayern München spielt, muss Rostocks Torwart Stefan Wächter viele Bälle halten. Das ist ihm aber lieber als minimaler Beschuss.

Will sich in Bayern nicht "die Hucke vollhauen lassen": Rostocks Keeper Stefan Wächter. Bild: dpa

Der beste Torwart der Bundesliga? Stefan Wächter überlegt nicht lange und nennt dann weder Robert Enke noch Roman Weidenfeller oder Tim Wiese. "Nach wie vor ist das Oliver Kahn. Aufgrund seiner Dominanz und Erfahrung. Leider habe ich ihn nie näher kennengelernt", sagt Wächter. Nun kann der Schlussmann Versäumtes nachholen: Als neue Nummer eins von Hansa Rostock steht Wächter heute im Spiel gegen den FC Bayern Kahn gegenüber.

"Die Wahrscheinlichkeit, dass ich in München mehr zu tun bekomme als im Pokal in Hasborn ist groß", sagt er und grinst. Nach einer verworrenen und "in jeder Hinsicht lehrreichen Zeit" beim Hamburger SV, als der Tormann nach durchwachsenen Leistungen erst infrage gestellt, dann auf die Bank und die Tribüne verbannt wurde, beginnt für ihn ein neuer Abschnitt des Berufslebens. Und gleich ein besonders heikler. Der 28-Jährige dürfte der am meisten beschäftigte Torwächter des ersten Spieltags werden. Er muss Bälle im Akkord halten. "Wenn so ein Dauerfeuer auf dich eingeht, ist das viel einfacher und macht mehr Spaß. Wenn ich nur ein, zwei Schüsse in neunzig Minuten aufs Tor bekomme - und so war es oft beim Hamburger SV -, dann musst du dich körperlich und mental immer fit halten." Das sei viel schwieriger. Da spricht Wächter wie Kahn.

Genau kann er sich noch an den Dezember 2003 erinnern: sein erstes Pokalspiel im gähnend leeren Olympiastadion. Wächter war voller Vorfreude auf einen arbeitsreichen Abend. Doch was geschah? "Ich habe vier Schüsse aufs Tor bekommen, drei waren drin, wir haben 0:3 verloren. Da steht ein Torwart trotzdem dumm da."

64 Bundesligaspiele hat Wächter erst bestritten, zu wenig, wie er findet. Mit 23 Jahren holte ihn Frank Pagelsdorf von Bayer Uerdingen zum Hamburger SV, "kurz danach ist er leider entlassen worden". Wächter hat Zeit gebraucht, um an der Elbe Fuß zu fassen: Jahrelang stand er im Schatten von Martin Pieckenhagen, pikanterweise ein ehemaliger Rostocker.

Es ist kein Zufall, dass nun wieder Pagelsdorf den Transfer an die Ostsee einfädelte. "Ich habe mich mit ihm, Stefan Studer und meinem Berater Norbert Pflippen schon im Mai in Hamburg getroffen." Schnell war man sich einig, "in meinem Alter muss ich spielen". Aber gleich gegen Franck Ribéry oder Miroslav Klose? "Ich lasse mich doch nicht verrückt machen: Klar weiß ich, dass Klose sprunggewaltig, Ribéry schussstark ist." Doch die Lieblingsecken der Schützen hat er sich nicht notiert. "Das wäre vergeudete Kraft. Es gibt ein paar Eckdaten, die hat man im Kopf. Ich hatte mal einen Trainer, der hat mich mit so etwas verrückt gemacht - das bringt nichts."

Wächter ist keiner mit den üblichen Marotten einer Nummer eins. Klar, die Handschuhe zum Spieltag müssen genau einmal benutzt und gewaschen sein, "dann haftet der Ball am besten". Aber ansonsten gilt: Kaum Wutausbrüche, kein Aberglauben. "Davon macht man sich nur abhängig." Und über sich selbst urteilt er voller Selbstironie: "Eigentlich bin ich ein ganz langweiliger Typ."

Ein Magengrummeln befällt die Hanseaten im Kollektiv ohnehin nicht. Zwei Tage vorher ist der krasseste aller Außenseiter nach München geflogen, "um sich zu akklimatisieren", wie Pagelsdorf versichert. Der 49-Jährige lässt keine Gelegenheit aus, den Wohlfühlfaktor der Nebendarsteller hervorzuheben. "Wir fahren nicht dahin, um die Arena zu fotografieren oder die Leute zu begrüßen." Pagelsdorf weiß, wie es anders geht: 1996 düpierte Hansa die Bayern im Olympiastadion mit 1:0 - mit dem gewichtigen Coach auf der Bank. Noch nicht in der Verantwortung war er, als der Aufsteiger Hansa Rostock zum Auftakt der Saison 1991/92 sensationell mit 2:1 in München siegte. Damals lenkte Uwe Reinders die Geschicke beim Underdog.

Wie soll anno 2007 die Sensation gelingen? "Wenn der Wächter über sich hinauswächst, wäre das ganz hilfreich", sagt Wächter und lacht. "Wir fahren doch nicht hin, um uns die Hucke vollhauen zu lassen." Und weiter: "Wir werden nicht nur von den Bayern, sondern grundsätzlich unterschätzt. Sollen uns doch alle das Schlimmste prophezeien: Dass man uns als Absteiger Nummer eins einstuft, ist uns nur recht." Gemeinsam wollen sie also stark sein. "Bei uns gibt es keine Extrawürste, keine Sondergenehmigungen, keine Querschüsse. Teamgeist ist das oberste Gebot." Und womöglich der Schlüssel zu einer Rostocker Überraschung.

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