Skateboarding: "Alles fließt aus dem Kopf"

Skateboard-Europameister Jürgen Horwarth kann es kaum erwarten, 2012 zu den Olympischen Spielen in London zu fahren, nicht als Tourist, sondern als Olympionike.

Skater-Nachwuchs: Üben für die Goldmedaille im Jahr 2016 Bild: dpa

taz: Herr Horwarth, schon große Lust auf Olympia?

Die Idee kommt von Jacques Rogge, dem Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Er will die Olympischen Spiele aufpeppen. Da kommen die Skateboarder gerade recht. Sie sollen 2012 bei den Sommerspielen in London dabei sein. Der für die Boarder verantwortliche Action-Sport-Weltverband (Asif) hat sich mit dem Radsport-Weltverband UCI zusammengetan. Unter dem Dach der UCI soll Skateboarden ins Programm kommen - nicht als neue olympische Sportart, sondern quasi als Radfahren auf einem Brett. Die Zustimmung der IOC-Exekutive gilt als Formsache. Geplant sind drei Disziplinen: Vert, das klassische Skaten in der Halfpipe; Street, das Parcour- und Hindernisfahren; und das spektakuläre Big Jump. Dabei kommen die Boarder auf einer Schanze, die denen der Skispringer gleicht, auf Geschwindigkeiten von bis zu 80 km/h.

JÜRGEN HORWATH, 30 Jahre alt, ist Profi-Skateboarder. Er fing mit einem Kunststoffboard im Alter von elf Jahren an zu fahren. Mit 22 entschloss er sich, seinen Job als Grafikdesigner in einer Frankfurter Werbeagentur zu kündigen, nach Berlin zu gehen und Profi-Skateboarder zu werden. Er ist mehrmaliger Europameister und Weltcupgewinner. Horwarth gilt derzeit als einer der besten Fahrer Deutschlands. Er veranstaltet überdies Skatecamps für Kinder.

Jürgen Horwarth: Ja, sofort. Es ist eine tolle Chance, sein Land zu präsentieren. 2012 in London wäre ich 35 Jahre alt. Wenn ich noch meine Leistung bringe und die Rahmenbedingungen stimmen, bin ich dabei.

Die Skateboarder sind doch unabhängig und frei. Verträgt sich das mit Olympia?

Natürlich birgt eine Teilnahme Gefahren für die Glaubwürdigkeit des Sports. Zuerst einmal muss geklärt werden, welche Rahmenbedingungen vom Internationalen Olympischen Komitee vorgegeben werden. Bei den Windsurfern habe ich gehört, dass das IOC ihnen aufzwingen wollte, dass alle Sportler mit dem gleichen Equipment antreten sollten. Dabei hatte jeder seine dem eigenen Körper angepasste Ausrüstung. So etwas geht doch nicht. Wenn uns das IOC ähnliche Sachen aufzwingen will, wäre das eine Farce. Dann würde ich auch nicht an den Spielen teilnehmen.

Was sagen die Kollegen dazu?

Die meisten Skater werden wohl prinzipiell keinen Bock auf Olympia haben. Doch dieses Querstellen ist kurzsichtig. Für den Sport an sich ist Olympia gut. Eine Chance, mehr Akzeptanz zu bekommen und sogar staatliche Fördermittel. Dann müsste man einen Skateboard-Park nicht mühsam aus dem Boden stampfen, sich mit Sponsoren herumärgern und selbständig die Rampen zusammenbauen. Immerhin wird Skaten mittlerweile im Schulunterricht angeboten. Total gut.

Warum?

Skateboarding bringt dir viel für deine Persönlichkeitsentwicklung. Auf die Physis kommt es nicht so an, man braucht vor allem Koordination. Das wichtigste aber: Du findest zu dir selbst. Es basiert alles auf mentaler Kraft. Alles, was du machst, fließt aus dem Kopf. Du hast etwa zwanzig Jahre lang geübt und musst in 45 Sekunden zeigen, was du kannst. 45 Sekunden! Da braucht es so viel mentale Stärke, du musst geistig da sein in dem Moment: Zack, du musst es tun.

Wie steht es zurzeit um die Funsportart Skateboarding?

Hilfe! Skaten ist keine Fun- oder Extremsportart, wenn ich so was schon höre, kommt mir das Kotzen. Was ist das überhaupt, eine Funsportart? So wie sich Skateboarding mittlerweile präsentiert, mit immer mehr Fernsehzeiten und Veranstaltungen, ist es viel mehr als Fun. Wir sind nicht nur die Freaks, die in geilen Werbespots herumfahren. Skateboarding ist einfach so weit, dass es bei Olympia präsentiert werden kann, und dies ist ein weiterer wichtiger Schritt.

Läuft es nicht auch ohne die Herren des IOC gut?

Wir sind noch längst nicht so weit, wie wir gerne wären. Es gibt genügend Boarder, die auf Weltklasseniveau fahren, aber sie haben keine Sponsoren, nicht mal ein Profibrett und keine Unterstützung der Industrie. Man muss vermarktbar sein, ein Image verkörpern können, sonst ist man nicht in der Szene verwurzelt, egal wie gut du fährst. Erst dann reden die Kids von dir! Sich zu vermarkten, das können halt nicht alle. Genau dabei kann uns Olympia einen Riesendienst erweisen. Im Underground haben wir es ja versucht, aber es ging nicht. Was wir den Leuten zurückgeben können, geht über Fernsehen und Mainstream-Events. Wir wollen die breite Masse erreichen.

Die mögliche Olympiateilnahme käme ja nur dadurch zustande, das sich die Action Sports International Federation (Asif) dem Radsportweltverband UCI anschließt. Was denken Sie über diese Funktionäre?

Die interessieren mich nicht besonders. Sie sind fernab vom Sport, haben nichts direkt mit Skaten zu tun. In solchen Organisationen sitzen meistens Abzocker, die fette Gelder akquirieren, um sich selber die Taschen voll zu machen. Dieses Geld kommt viel zu wenig dem Sport zugute. Das kotzt mich schon an. Man muss sich nur den DFB angucken. Ich habe ein bisschen Angst, dass der Geist des Boardens verloren geht.

Im IOC sitzen doch auch Funktionäre!

Ja, aber ich würde erst mal abwarten, was die planen. Es wird auf jeden Fall ein Kampf, Skatboarding so zu präsentieren, wie es sich die Sportler wünschen. Den Funktionären geht es um ihre Macht. Doch wir Skateboarder lassen uns nicht unterkriegen. Wir werden erst ja sagen und teilnehmen, wenn es uns passt!

Wie könnte die Qualifikation für Olympia aussehen?

Das Problem ist, dass es keine Kriterien mehr gibt, an denen man messen könnte, wer besser oder schlechter ist. Ein Punktesystem wie früher ist nicht existent. Bei Euro- und Weltcups kann kann im Grunde jeder mitfahren. Das Reglement ist ziemlich wischiwaschi. Man müsste ein Gremium von Fachleuten zusammenstellen, die bestimmen, wer für Deutschland an den Start gehen kann.

Jeder kann sich bei Top-Wettbewerben anmelden?

Ja. Deswegen brauchen wir eine Expertenjury. Wir sollten Fahrer nominieren, die Bock auf Olympia haben und ihr Land präsentieren wollen. Sie müssten auch in der Lage sein, bei einer Pressekonferenz etwas zu sagen.

Wie steht es um das Thema Doping?

Lustige Frage. Eigentlich braucht man Skatboarding nicht bei Olympia aufzunehmen, wenn man Kiffen verbietet. Denn dann hätte man Olympiawettbewerbe mit drei Skatern.

Tetrahydrocannabinol, der Wirkstoff, steht nach wie vor auf der Dopingliste.

Ich verstehe das nicht. Kiffen ist doch alles andere als leistungsfördernd.

INTERVIEW: ROBERT RIST

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.