Kriminalität: Mafia verwirrt Experten

Kriminologe warnt vor Mafiastrukturen. Laut Studie werden bis zu 25 Prozent der Gastronomen auf Schutzgeld erpresst. Sicherheitsbehörden wehren ab: geringe Macht der Organisierten Kriminalität

Trauer in Duisburg Bild: AP

Nach dem Blutbad vor einem italienischen Restaurant in Duisburg, sind nun auch Berliner Gastronomen alarmiert. Zwar gebe es laut Sicherheitsbehörden keine Anzeichen für eine akute Bedrohung, doch Kriminologen warnen seit Jahren vor den Gefahren durch mafiöse Strukturen in der Gastronomie.

In einer bundesweiten Studie hatte der ehemalige niedersächsische Justizminister und Kriminologe Christian Pfeiffer 1999 herausgefunden, dass 15 bis 25 Prozent der Gastronomen auf Schutzgeld erpresst würden. Seitdem habe sich kaum etwas verändert, sagte der Wissenschaftler. Bei der Studie hatte sich herausgestellt, dass italienische Gastronomen um ein vielfaches häufiger von Schutzgelderpressung betroffen seien als deutsche oder griechische Gastwirte. "Sobald das Thema Schutzgeld abgefragt wurde, haben viele das Gespräch sogar abgebrochen. Nur knapp 40 Prozent der befragten italienischen Gastwirte wollten sich damals zu diesem Thema äußern", soPfeiffer.

"Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Berliner Gastronoszene unterwandert wird", wehrt Bernd Finger ab. Der Kriminaldirektor und Leiter der Abteilung für organisierte Kriminalität und Bandenkriminalität des Landeskriminalamtes (LKA) in Berlin verweist darauf, dass die Kriminalitätsstatistik für Berlin stagniere. "Der Bereich Gastronomie ist kein Schwerpunkt der polizeilichen Ermittlungen."

Der Gaststättendachverband Dehoga weiß ebenfalls von keinen Fällen: "Wir vertreten bundesweit 75.000 Betriebe. In den letzten Jahren gab es keine mir bekannten Fälle von systematischer Schutzgelderpressung", sagte Bundesgeschäftsführerin Ingrid Hartges. Man habe von Verbandsseite nur die dringende Empfehlung an die Gastwirte, sich sofort an die Polizei zu wenden. Laut Bundeskriminalamt (BKA) waren 2006 bundesweit nur 75 Fälle von organisierter Kriminalität aktenkundig geworden. Eine genaue Zahl für Berlin war nicht zu ermitteln.

Laut LKA-Angaben überprüfen 80 PolizistInnen die 10.000 Gastronomiebetriebe der Hauptstadt durch regelmäßige Lokalkontrollen, verdeckte Ermittler und weitere Maßnahmen überprüft. Zugleich bietet das LKA juristische Beratung, psychologische Betreuung sowie Zeugen- und Opferschutzprogramme.

Kriminologe Pfeiffer bezweifelt jedoch, ob die Taktik der Behörden erfolgreich ist. Obwohl seit langem die Probleme bekannt seien, gebe es noch viel zu tun. "Es ist längst überfällig, dass Gesetze, die bereits in anderen Ländern existierten, angepasst werden." Dazu gehöre radikaler Zeugenschutz, Kronzeugenschutz und eine Spezialausbildung für muttersprachliche Polizeibeamte, da deutsche Beamte kaum in die Szene eingeschleust werden könnten.

Dem Vorwurf, der OK in der Gastronomie werde nicht genügend Beachtung geschenkt, erteilte das LKA hingegen eine Absage: "Die Polizeibehörden reagieren sofort. Wir dulden keine Verfestigung von OK in Berlin. Darüber hinaus werden wir bei den geringsten Anzeichen von kriminellen Handlungen entsprechende Maßnahmen ergreifen", so Kriminaldirektor Finger.

Schutzgelderpressung sei vielmehr ein örtlich auftretendes Phänomen und stünde nicht direkt zu internationalen kriminellen Vereinigungen in Verbindung. Der LKA-Mann appellierte dennoch an alle Gaststättenbetreiber sich im Falle eines Erpressungsversuches sofort vertrauensvoll an die Polizei zu wenden. Trittbrettfahrer, die Kapital aus den Duisburger Vorfällen schlagen wollen, seien den Behörden bislang nicht bekannt.

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