Spitzengespräche: Koalition will Mindestlohn für Postler

Die Spitzen von CDU, CSU und SPD haben sich darauf geeinigt, für Postdienstleistungen einen Mindestlohn einzuführen. "Quasi einen Durchbruch", findet Kurt Beck.

Gut gelaunt mit "Quasi-Durchbruch" - Kurt Beck. Bild: dpa

Was so eine richtige Kabinettsklausur der großen Koalition ist, braucht natürlich ein ausgiebiges Vorbereitungstreffen im kleinen, allerhöchsten Kreis. So hatten sich die großen vier dieser Regierung am Montagabend im Kanzleramt zusammengefunden, um mit Blick auf die Klausur Ende der Woche in Meseberg alle möglichen aktuellen Themen auf ihre Realisierbarkeit und Inszenierungsfähigkeit hin zu überprüfen. Nach vier Stunden Gespräch konnten Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Vizekanzler Franz Müntefering (SPD), CSU-Chef Edmund Stoiber sowie der SPD-Vorsitzende Kurt Beck eine ganze Reihe von Vorschlägen, Plänen, Verfahrensregeln und Arbeitsgruppen vorweisen.

Ein halbwegs konkretes Ergebnis war auch darunter: Für Postdienste in Deutschland soll spätestens zum Jahreswechsel ein Mindestlohn eingeführt werden. Arbeitsminister Franz Müntefering rechnet damit, dass die Tarifparteien schon im Oktober eine Lohnuntergrenze festlegen und beantragen, diese für allgemein verbindlich zu erklären. Obwohl die SPD ihrem Ziel, einen allgemein verbindlichen, gesetzlichen Mindestlohn einzuführen, nicht näher gekommen ist, wertete Parteichef Kurt Beck das Ergebnis als Erfolg: "Bei der Post gibt es quasi einen Durchbruch. Ich finde, das ist ein ganz wichtiger Schritt."

Nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz kann der Arbeitsminister die von den Tarifparteien ausgehandelten Mindestlöhne per Verordnung für allgemein verbindlich erklären. Darauf hatte unter anderem die Gewerkschaft Ver.di gedrungen, denn zum 31. Dezember läuft die Exklusivlizenz der Post AG für die Briefzustellung aus. Es wird befürchtet, dass dann ausländische Billigkonkurrenz auf den hiesigen Markt drängt.

Bild: Grafik taz

Für die Union ist das Einlenken beim Thema Mindestlohn für die Postbranche eine zweischneidige Sache. Einerseits signalisiert sie damit, dass in einer Branche mit knapp 200.000 Beschäftigten akuter Handlungsbedarf besteht. Ihre Haltung, einen gesetzlichen Mindestlohn kategorisch abzulehnen, wird dadurch nicht gerade gestärkt.

Andererseits macht die Union damit den Weg frei für die Liberalisierung der europäischen Postmärkte, von der sich die Deutsche Post im Ausland lukrative Geschäfte verspricht. Wenn Deutschland seinen Postmarkt, gestützt durch einen tariflichen Mindestlohn, wie geplant zu Beginn des nächsten Jahres öffnet, wird es für andere, zögerliche EU-Staaten wie Frankreich und Italien schwieriger, ihre ablehnende Linie beizubehalten.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di hat erklärt, mit dem zuständigen Arbeitgeberverband unverzüglich Verhandlungen über bundesweite tarifvertragliche Regelungen zu beginnen. Die Höhe des künftigen Mindestlohns ist dabei noch unklar. Sicher wird er über den bisherigen Dumpinglöhnen liegen - aber auch unter den bei der Post üblichen Entgelten.

In einer 2006 von Ver.di in Auftrag gegebenen Studie zum Postmarkt schneiden die Konkurrenten der Post schlecht ab. Mit einem hohen Anteil an Minijobs und befristeten Arbeitsverträgen dominieren bei den neuen Briefdienstleistern Beschäftigungsformen, die durch "ein hohes Maß an Unsicherheit, Instabilität und Abhängigkeit charakterisiert" sind, heißt es darin.

Der durchschnittliche Bruttostundenlohn beträgt demnach im Westen 7 Euro und im Osten 5,90 Euro. Ein Vollzeitbeschäftigter im Osten komme so auf 985 Euro. Die bei den Lizenznehmern der Post erzielbaren Entgelte lägen damit im Westen um 40 und im Osten um 50 Prozent unter dem Einstiegsgehalt für Zustellkräfte bei der Deutschen Post AG. Große Teile der Beschäftigten hätten demnach selbst bei einer Vollzeittätigkeit Anspruch auf Hartz IV.

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