Kommentar: Höflicher Dissens

Bei ihrem China-Besuch hat Bundeskanzlerin Merkel Verletzungen von Menschenrechten und Pressefreiheit angesprochen. Das hilt reformbereiten Kräften - doch konkret ist es nicht.

Die chinesischen Medien waren gestern voll des Lobes über das Verständnis, das die deutsche Kanzlerin bei ihrem Besuch für die Entwicklungsprobleme des Landes zeigte. Chinas KP hat das Konzept der "harmonischen Gesellschaft" ausgerufen. Mit ihrem zurückhaltenden Auftritt am ersten Tag ihrer China-Reise schien Bundeskanzlerin Merkel ganz gut in diesen Rahmen zu passen.

Gestern fand Merkel dann doch deutliche Worte zum Thema Menschenrechte. In ihrer Rede vor der Akademie der Sozialwissenschaften betonte sie, dass die Menschenwürde unteilbar sei und dass die Welt vor Olympia verstärkt auf China schaue. Auch einem Plädoyer für die Gleichberechtigung der Frau durften die Zuhörer lauschen. Das brachte ihr das Lob von hiesigen Menschenrechtlern ein.

Dass Merkel es in Peking schaffte, alle Seiten zufrieden zu stellen, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Antwort der chinesischen Führung erwartbar ausfiel: Freundlich, aber unverbindlich. Denn auch wenn Merkel sich mit - ausgewählten - Journalisten traf und mehr Medienfreiheit einforderte: in dieser Hinsicht hat sich in China ein Jahr vor Olympia kaum etwas bewegt. Zwar lässt die KP inzwischen Journalisten, die lokale Fälle von Umweltverschmutzung oder Zwangsarbeit aufdecken, zuweilen gewähren. Und vollmundig hatte sie vor Olympia ausländischen Reportern mehr Freiheit zugesichert. Doch selbst die werden weiter bei der Recherche kritischer Themen behindert - ganz zu schweigen von ihren chinesischen Kollegen, von denen Dutzende aufgrund ihrer kritischen Haltung im Gefängnis sitzen. Erst kürzlich wurde der Bürgerrechtler He Weihua in die Psychiatrie eingewiesen, nachdem er im Internet kritisch über Korruption in der KP geschrieben hatte. Der Autor Lu Gengsong, der den Fall aufdeckte, wanderte wenige Tage später hinter Gitter.

Merkels Kritik hilft zweifellos den reformbereiten Kräften im Land. Doch es gilt, konkret zu werden. So wüsste man beispielsweise gern, auf welche Fortschritte man im Jahr vor Olympia im Menschenrechtsdialog mit China setzt. Zu dessen letzter Runde im Mai hatte die EU kritische Menschenrechtler eingeladen. Peking antwortete deutlich: mit Boykott. ANETT KELLER

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