Kommentar Polizeimethoden: Staatliches Stalking

Die Polizeigewerkschaft fordert, mehr Polizisten einzustellen anstatt Online-Durchsuchungen zu gewähren. Nur hat das eine nichts mit dem anderen zu tun.

Auf Online-Durchsuchungen konnten sich die Innenminister erwartungsgemäß nicht einigen. Aber neue Gesetze zur Online-Überwachung seien ohnehin zweitrangig, ließ vorab die Gewerkschaft der Polizei (GdP) verlauten: wichtiger sei es, den Personalabbau bei den Sicherheitskräften zu stoppen. Sonst könne die Polizei wochenlange Observationen wie jüngst im Sauerland kaum noch stemmen, schon gar nicht mehrere solcher Aktionen.

Auch viele Bürgerrechtler finden die Forderung der Gewerkschaft sympathisch, weil sie den Ruf nach neuen Überwachungsgesetzen relativiert. Kriminalpolitisch lässt sich das eine aber nicht gegen das andere aufrechnen. Bei der Observation geht es darum, reales Handeln zu beobachten: Wer trifft sich mit wem, wer kauft Chemikalien, wo lagert er sie ein? Bei der Überwachung von Computern geht es um Informationen: Wer hat eine Bombenbauanleitung abgespeichert, die zu den gekauften Chemikalien passt? Wie lautet das Passwort für den externen Datenspeicher? Dies wird man auch nicht mit mehr Polizisten vor dem Haus herausfinden können.

Erstaunlich ist vielmehr, wie klaglos Bürgerrechtler die exzessive Observation hinnehmen. Denn wenn eine Gruppe von Verdächtigen wochenlang von mehr als 300 Polizisten Tag und Nacht beobachtet wird, hat dies ja durchaus auch etwas von einem Überwachungsstaat an sich - vor allem, wenn die Betroffenen offenbar genau wussten, dass sie überwacht werden. Man könnte dies auch als Staats-Stalking bezeichnen. Natürlich sind solche Methoden notwendig, um Anschläge mit hunderten von Toten zu vermeiden - was in diesem Fall ja offenbar auch gelungen ist. Aber es leuchtet nicht ein, warum hier so ganz andere Maßstäbe gelten sollen als für den heimlichen Zugriff auf einen Computer.

Stellen wir uns das umgekehrte Szenario vor: der heimliche Computerzugriff wäre schon immer erlaubt gewesen, nun solle die 24-Stunden-Observation durch Polizeibeamte neu eingeführt werden. Dann gäbe es wohl eine Kampagne gegen "staatlichen Observationswahn" - und vielleicht den Vorschlag, doch lieber mehr Computer zu überwachen.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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