Griechenland: Athener Regierung vor neuem Sieg

Am Sonntag wählen die Griechen ein neues Parlament. Umfragen zufolge führt die konservative Nea Dimokratia von Kostas Karamanlis - trotz kompletten Versagens bei der Bekämpfung der Waldbrände.

Omnipräsent: Der amtierende Ministerpräsident Kostas Karamanlis. Bild: ap

Athen taz Stell dir vor, es gibt Wahlen, und keiner geht hin. Dem Motto folgen bei den griechischen Parlamentswahlen am Sonntag die 700 Wahlberechtigten der Dodekanes-Insel Lipsi. Mit ihrem Boykott protestieren sie dagegen, dass bei ihnen nur noch einmal pro Woche eine Fähre anlegt. "Wenn der Staat den Bürgern nicht mal die Grundversorgung bietet", sagt der Bürgermeister, "kann er ihnen nicht die Teilnahme an Wahlen abverlangen."

Dächten alle Griechen so, würde am 16. September nur eine Minderheit zu den Urnen gehen. Das Versagen des Staates wurde den Bürgern in diesem Sommer drastisch vor Augen geführt. Die Unfähigkeit der Regierung, den Waldbestand zu schützen, ist ein zentrales Wahlkampfthema.

Es sieht nicht so aus, als würden die Bürger die konservative Nea-Dimokratia-Regierung unter Kostas Karamanlis abstrafen. Zwar ist Umfragen zufolge jeder vierte Wähler noch unentschieden. Doch die Regierung gibt sich siegessicher. Die ND-Demoskopen sehen einen kleinen, aber stabilen Vorsprung vor der oppositionellen Pasok, die Karamanlis bei den Wahlen 2004 um fast 5 Prozent abgehängt hatte.

Wenn viele Beobachter in Athen den Optimismus der Regierung für realistisch halten, liegt das auch an Pasok-Chef Giorgos Papandreou. Der Herausforderer hat es nicht geschafft, die Wahl zu einem Misstrauensvotum gegen Karamanlis und die ND zu machen. Das liegt auch an dem guten Gedächtnis der Wähler. Eine deutliche Mehrheit glaubt, dass eine Pasok-Regierung in diesem Katastrophensommer genauso versagt hätte.

Der Optimismus der ND-Anhänger beruht auch auf einer Besonderheit des griechischen Wahlrechts: Die stärkste Partei erhält noch beim kleinsten Vorsprung einen Bonus von 40 Sitzen - bei einem 300-köpfigen Parlament eine fette Siegesprämie. Ob im Duell der großen Parteien ein knapper Vorsprung zur absoluten Parlamentsmehrheit reicht, hängt vom Abschneiden der kleineren Parteien ab. Die werden so zulegen, dass voraussichtlich fünf Parteien ins neue Parlament einziehen.

Der Sprung über die Dreiprozenthürde wird erneut den beiden linken Parteien gelingen. Dabei wird die kommunistische KKE (2004: 5,9 Prozent) ebenso zulegen wie der sozialistische Synaspismos (2004: 3,3 Prozent), der mit linken und ökologischer Splittergruppen als "Bündnis der radikalen Linken" (Syriza) antritt. Die rechtsradikale Laos (Orthodoxe Volksbewegung) dürfte die Hürde auch schaffen. Ihr intelligenter Führer Giorgos Karatsaferis zieht mit nationalistisch-religiösen und fremdenfeindlichen Parolen auch die Wähler an, die bei den Waldbränden dieses Sommers ausländische Verschwörer am Werk sehen.

Ein Fünfparteienparlament bedeutet nicht, dass es in Athen erstmals zu einer Koalitionsregierung kommen wird. Die KKE ist eine leninistische Sekte, die ND und Pasok gleichermaßen des Teufels findet. Das Linksbündnis wird zwar von Papandreou umworben, würde aber bei einer Regierungsbeteiligung rasch zerfallen. Die Laos wäre zwar als Partner der ND denkbar, aber Karamanlis hat ihr eine Absage erteilt. Da ein gutes Abschneiden der Laos auf Kosten von Karamanlis geht, kämpft er um jede Stimme für die Rechtsextremisten - und droht abtrünnigen ND-Wählern mit Neuwahlen, falls er keine klare parlamentarische Mehrheit erzielt.

Im Endspurt arbeitet die Regierungspartei mit materiellen Anreizen wie dem Versprechen, die Erbschaftssteuer abzuschaffen. Vor allem aber spielt Karamanlis den nationalen Führer. In Kreta befahl er der jubelnden Menge, nur noch die blau-weiße Nationalflagge zu schwenken und die ND-Fahnen einzurollen.

Ob diese Rechnung aufgeht, wird der Wahltag zeigen. Sollte der Premier seinen Titel verteidigen, kann er sich bei Papandreou bedanken. Dem ist es nie gelungen, überzeugende inhaltliche Alternativen zu einer Regierung zu präsentieren, die mit Pannen und Skandalen schon vor dem Waldbrandsommer ständig neue Angriffsflächen bot.

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