Stipendien: Wirtschaft entdeckt Migranten

Stiftungen vergeben gezielt Stipendien an Einwandererkinder. Das Ziel ist, ein bisher ungenutztes Potenzial zu aktivieren.

An den Hochschulen gibt es zu wenig Migranten. Bild: ap

BERLIN taz Eigentlich hatte sich Nawid-Ali Abbassi nur aus Neugier beworben. Er wollte wissen, ob er wohl einen der begehrten Studienplätze an der European Bussiness School erhalten würde. Als dann die Zusage kam, schrieb er dem Rektor: Schön, dass sie mich nehmen, aber wie soll ich das finanzieren? Der Rektor half weiter, zwei Tage später saß Nawid vor der Aufnahmekommission der Vodafone-Stiftung - die nun die teuren Studiengebühren an der Privatuni und seinen Lebensunterhalt bezahlt.

Wie Nawid dürfen dieses Jahr 19 neue Stipendiaten der Vodafone-Stiftung an einer der vier kooperierenden Privathochschulen studieren. Mit Nawid haben sie eines gemein: Sie sind alle Einwanderer oder Einwandererkinder. Und sind damit inzwischen beliebte Zielgruppe der großen deutschen Stiftungen aus Wirtschaft und Privatvermögen.

Die Hertie- und Bosch-Stiftung unterstützen junge Migranten in der Schule, die erst vor wenigen Wochen von drei Wirtschaftsstiftungen gegründete Initiative studienkompass.de hilft Einwandererkindern bei der Studienwahl, und die Vodafone-Stiftung ermöglicht seit letztem Jahr hochbegabten Migranten ein teures und exklusives Studium.

Das Problem, dem sich die Stiftungen annehmen, ist drängend: Nur 8 Prozent aller Studierenden sind Migranten, dabei liegt deren Anteil bei den unter 25-Jährigen bei 25 Prozent.

"Da liegt Potenzial auf der Straße, das ist ein Skandal", sagt Bernhard Lorentz, Geschäftsführer der Vodafone-Stiftung. Mit dem Programm wolle man aus "unterrepräsentierten, unterschätzten Talenten" eine "neue soziale Verantwortungselite" schaffen und hofft auf die Vorbildwirkung der Stipendiaten auf andere Migrantenkinder.

"Die Stipendiaten sind sich bewusst, dass sie die Ausnahme darstellen und dass andere diese Chance nicht haben", sagt der Grünen-Europa-Abgeordnete Cem Özdemir, der im Beirat der Vodafone-Stiftung sitzt.

Deshalb auch die exklusive - und teure - Kooperation mit den Privatunis. Dadurch hätten die Studenten bessere Chancen, später eine einflussreiche Position zu erhalten, sagt Bernhard Lorentz. Dafür zahlt die Stiftung für drei Jahre Studium 80.000 Euro pro Stipendiat.

Den Stiftungen ist klar, dass sie das Grundproblem nicht lösen können, dazu erreichen sie zu wenig Bewerber. 29 sind es bei Vodafone, 175 bei Studienkompass. Die Förderung von Migrantenkindern könne auch nicht nur Aufgabe der Wirtschaft sein, sagt Lorentz, das müsse ein gesamtgesellschaftliches Projekt sein. Özdemir fordert: "Die Politik darf sich nicht zurücklehnen und auf die Wirtschaft warten." Das Interesse nimmt jedenfalls zu. Bei Vodafone hätten sich bereits andere Stiftungen gemeldet, die das Projekt unterstützen wollen, berichtet Lorentz.

Nawid weiß auf jeden Fall, wie wichtig Herkunft und Elternhaus für die Bildung sind. "Wenn meine Eltern sich nicht so um mich gekümmert hätten, dann hätte ich nie das erreicht, was ich geschafft habe", erzählt er. Als Vorbild sieht er sich nicht, "aber meine Freunde sagen schon: 'Wenn du es nicht schaffst, wer dann von uns?' "

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