Debatte Birma: Ohnmächtiger Boykott

Die westlichen Sanktionen sind in Birma ebenso gescheitert wie die Umarmungspolitik der Asean-Staaten. Deshalb führt an einem stärkeren Engagement kein Weg vorbei.

"Wir sollten sofort nach Birma fliegen und uns in Rangun schützend vor die Mönche stellen", schlug mir ein besorgter Freund vor ein paar Tagen vor. Die Frage, wie er denn ohne Visum schnell in das südostasiatische Land kommen wolle, entblößte seine ganze Hilflosigkeit. So wie der Mut der gegen die Militärdiktatur demonstrierenden Mönche plötzlich Hoffnung aufkeimen ließ, so schaffen seitdem die Bilder von der Gewalt des Militärs und den Schüssen auf Zivilisten Betroffenheit, Wut und Ohnmacht.

Die Ohnmacht ist symptomatisch für den Umgang mit Birmas Junta. Westliche Staaten, allen voran die USA und EU, haben seit den 90er-Jahren politische und zum Teil wirtschaftliche Sanktionen gegen Birmas Generäle verhängt. Damit sollte die meist unter Hausarrest stehende Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi unterstützt werden. Die hatte solche Sanktionen eingefordert, solange die Junta den Dialog mit der Nationalen Liga für Demokratie verweigert. Suu Kyis Partei hatte 1990 Wahlen gewonnen, war jedoch von den Generälen an der Machtübernahme gehindert worden. Die Sanktionen des Westens blieben jedoch zum Scheitern verurteilt, weil China, Russland und zuletzt auch Indien nicht mitzogen. Vor allem China, inzwischen wichtigster Handelspartner und Rohstoffabnehmer, füllte die vom Westen in Birma hinterlassene Lücke. Und Pekings strategischer Rivale Indien will in seinem eigenen Hinterhof nicht ins Hintertreffen geraten, wo China jetzt qua Birma Zugang zum Indischen Ozean bekam.

Das südostasiatische Staatenbündnis Asean beteiligte sich ebenfalls nicht an Sanktionen. Es setzte auf Wandel durch Annäherung. So wurde Birma in die Asean aufgenommen, auch um das Regime nicht ganz in Chinas Arme zu treiben. Doch statt durch Dialog und Einbindung den Wandel in Birma zu befördern, wandelte sich eher Asean. Auch wenn sich das Bündnis inzwischen explizit zur Lage in Birma äußert, was früher als undenkbare Einmischung in die Angelegenheit eines Mitgliedslandes galt: Die Juntageneräle lässt das ebenso kalt wie die jetzt von den USA verkündeten oder von der EU angedrohten Sanktionsverschärfungen.

Bisher haben die Militärs, die das heruntergewirtschaftete Land wie ihr Eigentum behandeln, sowohl die Sanktionspolitik des Westens als auch die Umarmungsstrategie der Südostasiaten erfolgreich ins Leere laufen lassen. Die Junta hat es sich in ihrer eigenen Welt gut eingerichtet, lässt sich nur wenig in die Karten schauen oder von außen beeinflussen.

Noch ist nicht abzusehen, ob die gewaltsame Unterdrückung der Proteste das Land bald wieder für Jahre in Agonie und Friedhofsruhe versinken lässt. Oder ob die Gewalt gegen Mönche als unverzeihlich angesehen wird und vielleicht bald den Anfang vom Ende der Junta einläutet. Zu befürchten ist leider die erste Variante. Sie könnte dann bald zu tausenden Verhaftungen führen. Die vielfach geforderte Verstärkung der Sanktionen scheint dabei nur allzu verständlich: Zum einen muss Druck ausgeübt werden, um die Junta von weiterer Gewalt abzuhalten; zum anderen dürfen Schüsse gegen friedlich demonstrierende Mönche und Zivilisten in der heutigen Welt nirgends ungeahndet bleiben.

Doch bei allem Respekt vor der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi: Die Sanktionen des Westens, die ihn nur wenig kosten, werden wahrscheinlich nichts bringen außer der Beruhigung des eigenen Gewissens und dem folgenlosen Gefühl, es der Junta mal wieder gezeigt zu haben. Dazu kommt, dass die Sanktionen wie so oft die Falschen treffen. Auch sollte der Einfluss Chinas, das im UN-Sicherheitsrat zwar seine schützende Hand über die Junta hält, nicht überschätzt werden. Die Generäle, allesamt ethnische Birmanen, verstehen sich als Nationalisten, die das zwischen China, Indien und Thailand eingeklemmte Land zusammenhalten und die Abspaltungstendenzen der ethnischen Minderheiten im Zaum halten. Lakaien Pekings zu sein können sich die Generäle gar nicht leisten.

Wie schon beim Völkermord in Darfur und dem Atomkonflikt mit dem Iran wird offensichtlich, dass die westlichen Länder eine gemeinsame China-Strategie brauchen. Ein Boykott der Olympischen Spiele in Peking dürfte so lange unwahrscheinlich sein, wie auch westliche Konsumenten nicht bereit sind, die westlichen Konzerne zu boykottieren, die das Spektakel mitfinanzieren.

Abgesehen davon dürfte Peking an seiner Birma-Politik ohnehin festhalten. Da auch die Umarmungsstrategie der Asean-Staaten bisher allenfalls bewirkt hat, dass die Junta mal wieder den UN-Sondergesandten ins Land lassen will, ist ein Ende der unerträglichen Ohnmacht vorerst nicht in Sicht.

Angesichts der Wirkungslosigkeit westlicher Sanktionen wird sich von außen nur etwas bewegen lassen, wenn sich der Westen stärker im Land engagiert. Es ist eine Ironie, dass die Bundesregierung im relativ hermetisch verschlossenen Nordkorea versucht, mittels eines Goethe-Instituts überhaupt minimale Veränderungen zu bewirken, es im wesentlich offeneren Birma dagegen aber kein solches Institut gibt. Dabei ist das südostasiatische Land - bei aller diktatorischen Gängelung und Willkürherrschaft - im Vergleich zum stalinistisch-paranoiden Nordkorea geradezu offen. Birmanen können im Unterschied zu Nordkoreanern mit dem Ausland und Ausländern kommunizieren. Auch kommen jedes Jahr mehrere hunderttausend Touristen nach Birma, die etwa die Hälfte des Landes relativ frei bereisen können.

Natürlich dürfen Schüsse auf Demonstranten nicht umgehend mit Aufhebung der Sanktionen "belohnt" werden. Doch so absurd es auf den ersten Blick aussehen mag: Um einen Wandel zu erreichen, scheinen mittelfristig das Ende zumindest eines Teils der Sanktionen und ein stärkeres westliches Engagement in dem gebeutelten Land der einzig halbwegs realistische Weg zu sein.

Ein stärkeres Engagement von zivilgesellschaftlichen Organisationen und der Entwicklungszusammenarbeit ist dabei nicht nur aus humanitären Gründen nötig. Vielmehr muss die schwache und unerfahrene Opposition wenigstens ansatzweise in die Lage versetzen werden, einmal größere Verantwortung übernehmen zu können. Denn sollte den Militärs tatsächlich einmal eine Machtteilung abgerungen werden, dann braucht es fähige Politiker, die nicht sofort an den hohen Erwartungen scheitern, die dann in dem sozialen Pulverfass voll traditioneller ethnischer Spannungen an sie gestellt werden. Es ist leider keineswegs sicher, dass es nach einem Rückzug der Militärs auch wirklich aufwärtsgeht und nicht bald das große Chaos ausbricht, in dem die Generäle dann wie 1988 erneut nach der Macht greifen.

Ein westliches Engagement in Birma wird sicher eine Gratwanderung voller Zumutungen. Sich nicht zu engagieren hieße aber, die Birmanen mit ihrer Junta allein zu lassen. SVEN HANSEN

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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